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Fünfte Saison ohne Titel? Ursachenforschung bei Ferrari

Seit 2008 wartet Ferrari auf den Gewinn eines WM-Titels - Stefan Domenicali macht die Veränderungen der Formel 1 für die Durststrecke seines Teams verantwortlich

(Motorsport-Total.com) - Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts dominierte Ferrari über weite Strecken die Formel 1. Zwischen 2000 und 2004 gewann die Scuderia mit Michael Schumacher fünf Mal in Folge sowohl die Fahrer- als auch die Konstrukteursmeisterschaft. Nachdem zwei Jahre lang Fernando Alonso und Renault das Geschehen bestimmt hatte, fuhr Ferrari 2007 in die Erfolgsspur zurück. Kimi Räikkönen war der lachende Dritte des McLaren-Kleinkriegs zwischen Alonso und Lewis Hamilton und krönte sich zum Weltmeister.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali (Ferrari-Teamchef)

Stefano Domenicalis Team droht im Titelkampf erneut leer auszugehen Zoom

Im darauffolgenden Jahr war Felipe Massa beim Saisonfinale in Sao Paulo für etwa 20 Sekunden schon gefühlter Weltmeister, bis Hamilton wenige Meter vor der Ziellinie Timo Glock überholte und Massa somit den Titel entriss. Immerhin sicherte sich Ferrari 2008 die Konstrukteursmeisterschaft, doch seitdem fährt das Team aus Maranello einem Titel hinterher, nachdem Alonso 2010 die sicher geglaubte Meisterschaft in Abu Dhabi noch an Sebastian Vettel verlor. Und derzeit deutet wenig darauf hin, dass sich daran in diesem Jahr etwas ändern sollte.

Doch warum muss das Team, welches so lange das Geschehen bestimmte, nun schon in der fünften Saison auf einen Titel warten? "Es gibt für alles eine Erklärung", sagt Teamchef Stefano Domenicali gegenüber 'formula1.com'. Zunächst hat der Mathematiker in ihm eine Erklärung: "Nach einer solch langen Zeit, in der wir so erfolgreich waren, wird alleine schon die Wahrscheinlichkeit, dass man diese Periode fortsetzt, immer geringer." Auch der Wettbewerb hat sich verändert: "Darüber hinaus sind uns mächtige Gegner erwachsen, die vor drei Jahren noch nicht da waren", sagt der Italiener mit Blick auf Red Bull.

Die Formel 1 hat sich verändert

"Außerdem mussten wir nach solch fantastischen Jahren, in denen wir fast alles gewonnen haben, und ich war glücklicherweise seit 1999 Teil des Teams, wieder eine neue Basis aufbauen. Wir mussten eine neue Gruppe formen, die hoffentlich in der Lage ist, an die Erfolge der Vergangenheit anzuknüpfen", erklärt Domenicali. Vor allem habe sich in den vergangenen fünf Jahren das Umfeld der Formel 1 grundlegend gewandelt.

"Das Budget ist begrenzt, wodurch die großen Teams ihre Denkweise ändern mussten", sagt der Teamchef. Außerdem sei das Testen limitiert. "Früher haben wir sehr viel getestet, vielleicht 90.000 Kilometer im Jahr. Das war auch meiner Meinung nach vielleicht ein bisschen zu viel des Guten, aber jetzt erleben wir das genaue Gegenteil." Ferrari habe seine Denkweise und die Art ändern müssen, wie die Arbeit zu Hause vorbereitet wird. "Wir mussten in Simulatoren und Abteilungen investieren, welche die Zuverlässigkeit überprüfen. Das sind aus meiner Sicht die Hauptgründe dafür, warum wir seit 2008 keinen Titel mehr gewonnen haben", erklärt Domenicali.


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Indien


Aerodynamik zu wichtig?

Der Ferrari-Teamchef muss zugeben, dass sich die Konkurrenz auf bestimmten Gebieten besser an auf die Veränderungen eingestellt habe: "Die Aerodynamik in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden, und da müssen wir neidlos anerkennen, dass andere Teams besser gearbeitet haben als wir", sagt Domenicali, der sich jedoch damit nicht abfinden will: "Diese Situation müssen wir überwinden. Aus politischer Sicht sehe ich es ungern, wenn sich in der Formel 1 alles nur um die Aerodynamik dreht", verteilt der Italiener einen Seitenhieb Richtung Red Bull.

"Für uns als Hersteller liegt darin nicht die Zukunft der Formel 1." Damit lenkt Domenicali geschickt von den eigenen Problemen ab. Der Windkanal in Maranello gehört nicht zu den besten der Branche, weshalb Ferrari Neuentwicklungen auf der Strecke nicht immer den Vorteil brachten, den sie im Windkanal versprochen hatte. Seit geraumer Zeit mietet Ferrari regelmäßig den Toyota-Windkanal in Köln, um die Ergebnisse zu überprüfen.

Vorwürfe, sein Rennstall sei immer noch zu groß, um effizient zu arbeiten, weißt Domenicali zurück: "Das glaube ich nicht. Was die schiere Größe betrifft, sind einige Mitbewerber größer als wird." Der Teamchef verweist auf die Mehrfachbelastung, welche die Fabrik in Maranello stemmen müsse: "Wir müssen unter den gleichen Vorgaben Motor, Getriebe und Chassis bauen. Andere Teams müssen sich nur um das Chassis kümmern. Andere wie Mercedes, arbeiten in drei verschiedenen Fabriken am Auto. Mit Blick auf das Unternehmen sind wir sicherlich nicht die Größten."