WM-Entscheidung vertagt: Räikkönen gewinnt in China

Lewis Hamilton vergab im Regen von Shanghai den ersten WM-Matchball - Kimi Räikkönen gewinnt vor Fernando Alonso - Sebastian Vettel Vierter

(Motorsport-Total.com) - Nur eine Woche nach dem chaotischen Grand Prix von Japan wurde die Formel 1 heute in Shanghai schon wieder vom Regen heimgesucht, aber die Bedingungen waren weit weniger dramatisch als in Fuji. Dafür verlief das Rennen selbst umso turbulenter - und das Allerwichtigste: Es geht mit drei WM-Kandidaten zum Saisonfinale nach São Paulo.

Titel-Bild zur News: Podium in Shanghai 2007

Jubel: Kimi Räikkönen und Fernando Alonso sind weiter im WM-Rennen!

Lange sah es so aus, als könnte Lewis Hamilton bereits seinen ersten Matchball verwerten, aber der McLaren-Mercedes-Pilot warf einen sicher scheinenden Podestplatz in der Boxeneinfahrt (!) weg. Davon profitierten Kimi Räikkönen (Ferrari) und Fernando Alonso (McLaren-Mercedes), die auf den Positionen eins und zwei sicher über die Ziellinie fuhren und damit vor dem 17. und letzten Grand Prix 2007 nur noch sieben beziehungsweise vier Punkte Rückstand haben.#w1#

Taifun Krosa verschonte Shanghai

Vor dem Start hatten die Meteorologen der Teams befürchtet, dass der Taifun Krosa Shanghai erreichen könnte. Dazu kam es jedoch zum Glück nicht. Dennoch herrschten - trotz einer Temperatur von 30 Grad - wechselhafte Bedingungen bei am Start nasser Strecke, so dass das gesamte Feld mit Bridgestone-Intermediates losfuhr. Dies stellte auch gar kein Problem dar, denn es war weit weniger nass als in Fuji und auch die Gischt war nicht so schlimm.

Am Start lief zunächst alles nach Plan: Polesetter Hamilton verteidigte seine Führung, dahinter versuchte Alonso außen einen beherzten Überholversuch gegen die beiden Ferraris von Räikkönen und Felipe Massa. Der Doppelweltmeister musste aber zurückstecken. Dahinter lief alles verhältnismäßig sauber ab, sieht man einmal davon ab, dass Ralf Schumacher (Toyota) ein Opfer der ersten Kurve wurde und weit zurückfiel.

In der zweiten Runde kollidierten Rubens Barrichello (Honda) und Anthony Davidson (Super-Aguri-Honda) miteinander, allerdings konnten beide weiterfahren - Davidson jedoch nicht lange: Der Brite musste etwas später nach seinem Boxenstopp aufgeben, womit er der erste von insgesamt fünf Ausfällen war. Ansonsten verlief die Anfangsphase trotz des nassen Asphalts auf der 5,451 Kilometer langen Strecke diszipliniert.

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton erwischte einen guten Start, bog als Führender in die erste Kurve Zoom

Tolle Kämpfe im Mittelfeld

Speziell im hinteren Teil des Feldes fanden einige tolle Duelle statt, in die unter anderem auch die beiden Williams-Toyota-Piloten Nico Rosberg und Alexander Wurz verwickelt waren. Vor allem Rosberg - und später auch Schumacher - drehten gleich voll auf, während Heikki Kovalainen (Renault) über sein Fahrverhalten klagte. Hinter dem an zwölfter Stelle liegenden Finnen bildete sich daher ein Pulk mit schnelleren Fahrern.

An der Spitze setzte sich indes Hamilton ganz im Stile eines kommenden Weltmeisters ab: Nach drei Runden hatte er 1,5, nach sechs Runden 2,7 und nach sieben Runden schon an die fünf Sekunden Vorsprung auf seine Verfolger. Die eigentliche Sensation war aber Vitantonio Liuzzi (Toro-Rosso-Ferrari), der gleich in den ersten Umläufen mehrere prominente Gegner unbekümmert stehen ließ und als Fünfter schnellster Verfolger des Spitzenquartetts war.

In der 15. Runde musste Hamilton an die Box kommen, in der 17. kam Massa, in der 18. Alonso und in der 19. Räikkönen. Alle vier blieben bei immer besser werdenden Streckenverhältnissen auf stark abgefahrenen Intermediates, mussten daher auf den Geraden schon die nassen Linien suchen. Räikkönen fuhr zwar zwischen dem Stopp von Hamilton und seinem eigenen einige Fabelzeiten, blieb aber dennoch mit vier Sekunden Rückstand auf Rang zwei.

Webber riskierte als Erster Trockenreifen

Zugute kam die abtrocknende Strecke jenen Fahrern, die nur einen Stopp einplanten, denn die konnten noch einige Runden abwarten und dann direkt auf Trockenreifen wechseln, dies mit ihrem Tankstopp kombinieren. Der Erste, der es wagte, mit normalen Rillenreifen rauszugehen, war Mark Webber (Red-Bull-Renault), die Spitze wurde aber erst hellhörig, als Wurz plötzlich ein paar schnellste Runden hintereinander drehte.

Lewis Hamilton

Tragischer Held: Lewis Hamilton konnte es nach seinem Ausfall nicht fassen Zoom

Der Österreicher trumpfte zwischendurch bei den von ihm so geliebten Mischverhältnissen groß auf und lag vor seinem letzten Boxenstopp schon in den Punkterängen, schlussendlich wurde er aber nur Zwölfter mit einer Runde Rückstand. Zumindest hatte er heute seinen Teamkollegen sicher im Griff: Rosberg wurde einmal von den Renaults in die Zange genommen und musste neben die Strecke, spielte anschließend mit ramponiertem Auto keine Rolle mehr.

Schumacher: Kollision mit Liuzzi

Noch bevor die Trockenreifen aufgezogen wurden, kollidierte der kämpferisch fahrende Schumacher bei einem Überholversuch mit Liuzzi. Der Deutsche konnte zwar weiterfahren, warf das Rennen dann aber in der Zielkurve weg, als es für ein paar Minuten wieder stärker zu regnen begann. Fast gleichzeitig blieb Adrian Sutil (Spyker-Ferrari), der genau wie sein Stallgefährte Sakon Yamamoto früh die Reifen gewechselt hatte, bei einem schweren Crash unverletzt.

Im Chaos der plötzlich wechselnden Verhältnisse - für ein paar Minuten schüttete es wie aus Kübeln, aber es hörte gleich wieder auf, daher stieg niemand von Trocken- auf Regenreifen um - ging Alonso an Massa vorbei und an der Spitze schloss Räikkönen zu Hamilton auf. Die vier Topfahrer warteten mit ihrem zweiten Stopp möglichst lange zu, um die richtigen Reifen auswählen zu können, was für Hamilton zum Verhängnis werden sollte.

Der 22-Jährige musste in der 29. Runde seine Führung an Räikkönen abgeben, weil sein rechter Hinterreifen plötzlich abbaute. Der Pneu war so abgefahren, dass schon die Karkasse zu sehen war, aber McLaren-Mercedes holte ihn unverständlicherweise nicht sofort an die Box. Dies sollte sich rächen: Als Hamilton am Ende der 31. Runde an die Box kommen wollte, schlitterte er in der Linkskurve der Boxeneinfahrt ins Aus!

Hamilton enttäuscht, aber mit Fassung

Die Streckenposten eilten sofort herbei, wollten anschieben, aber das Unterfangen war hoffnungslos, so dass der WM-Leader fassungslos aussteigen musste. Sein Renningenieur brach anschließend in Tränen aus, während Hamilton selbst nach ein paar Minuten der Besinnung bereits im T-Shirt in der Garage auftauchte und sich bei jedem Mechaniker einzeln entschuldigte und bedankte - alles mit einem etwas aufgesetzt wirkenden Lächeln im Gesicht.

Kimi Räikkönen

Kimi Räikkönen geht mit sieben Punkten Rückstand ins Finale nach São Paulo Zoom

Durch den konservativ ausgelegten späten Reifenwechsel der Führenden spülte es völlig überraschend Robert Kubica (BMW Sauber F1 Team) an die erste Stelle, nachdem der Pole einige überragende Runden gedreht hatte. Kubica war zu jenem Zeitpunkt der klar schnellste Mann im Grand Prix und hatte drei Sekunden Vorsprung auf Räikkönen, aber die Freude war nur von kurzer Dauer: In Runde 34 ließ ihn die Technik im Stich und er rollte aus.

Räikkönen erbte die Führung vor Alonso, der zwischendurch noch einmal aufdrehte, dann aber wegen seines Rückstands von zehn Sekunden nichts mehr riskierte und den zweiten Platz vor Massa sicher nach Hause fuhr. Dahinter ging es aber im Kampf um die Punkteränge ordentlich zur Sache - und die große Sensation war Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari), der voll nachgetankt hatte und damit sicher auf Rang vier lag.

Vettel war der Mann des Rennens

Vettel fuhr ein fehlerfreies Rennen, bekam am Ende über Funk die Anweisung, aufgrund seines großen Vorsprungs auf die nächsten Verfolger Benzin zu sparen - und als er über die Ziellinie fuhr, schrie er mit voller Lautstärke in den Helm! Für den jungen Deutschen war dies natürlich das beste Resultat nach Rang acht in Indianapolis, für sein Team war es überhaupt das beste Resultat in der noch jungen Geschichte seit der Übernahme von Minardi.

Hinter Vettel kam Jenson Button (Honda) ins Ziel, der einen ganz starken Tag hatte. Liuzzi rundete als Sechster das perfekte Toro-Rosso-Ferrari-Resultat ab, hielt in den letzten Runden Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team), der zu spät auf Trockenreifen gewechselt hatte, dank des besseren Topspeeds in Schach. Der Punkt für Rang acht ging an David Coulthard (Red-Bull-Renault) - gerade mal 0,4 Sekunden vor Kovalainen.

Tragische Helden und kleine Triumphe

Insgesamt sahen 17 Fahrer die Zielflagge; in einem Rennen der tragischen Helden - Hamilton und Kubica dürften heute Abend sehr enttäuscht einschlafen - gab es insgesamt also nur fünf Ausfälle. Erfreulich: Yamamoto fuhr wieder durch, auch wenn er mit seinem Spyker-Ferrari drei Runden Rückstand auf den Sieger hatte und eine auf Rosberg unmittelbar vor ihm. Rubens Barrichello (Honda) wurde farbloser 15.

Lewis Hamiltons Reifen

So abgefahren war der Reifen von Lewis Hamilton nach dem Ausfall in China Zoom

Für die Weltmeisterschaft bedeutet das heutige Resultat, dass erstmals seit 1986 mehr als zwei Fahrer mit Titelchancen in ein Saisonfinale gehen. Hamilton führt mit unverändert 107 Punkten vor Alonso (103) und Räikkönen (100). Das bedeutet: Sollte Alonso gewinnen, würde dem britischen Rookie ein zweiter Platz reichen. Rang drei wäre bei Punktegleichheit wegen der geringeren Anzahl an Siegen nicht genügen.

Ansonsten sind alle relevanten WM-Entscheidungen so gut wie gefallen, sieht man einmal vom Kampf um Platz vier bei den Konstrukteuren ab - zwischen Williams-Toyota und Red-Bull-Renault steht es vor São Paulo 28:24. Toro-Rosso-Ferrari liegt nach dem heutigen Traumresultat mit Vettel und Liuzzi in den Punkten bereits an siebenter Position, wird damit 2008 sicher in den Genuss der TV-Gelder für die zwölf besten Teams kommen.