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Concorde-Vorvertrag erst von fünf Teams unterschrieben?

McLaren hat noch nicht unterschrieben, fünf andere Teams offenbar schon: Wie Bernie Ecclestone derzeit um ein neues Concorde-Agreement pokert

(Motorsport-Total.com) - Mit einem Paukenschlag begann heute Morgen der Qualifying-Tag in Sepang - allerdings nicht auf der Rennstrecke, sondern auf der politischen Bühne der Formel 1. Denn Bernie Ecclestone überraschte wenige Minuten vor Beginn des dritten Freien Trainings mit einer Pressemitteilung, in der er eine Einigung über ein neues Concorde-Agreement bekannt gab. Der aktuelle Grundlagenvertrag der Königsklasse des Motorsports läuft bekanntlich am Jahresende aus.

Titel-Bild zur News: Martin Whitmarsh

Martin Whitmarsh glaubt, dass die Formel 1 noch lange nicht am Ziel ist

"Ich freue mich sehr darüber, heute bekannt geben zu dürfen, dass wir kommerzielle Vereinbarungen mit den meisten aktuellen Formel-1-Teams getroffen haben, darunter Ferrari, McLaren und Red Bull Racing", hatte Ecclestone erklärt. "Wir sind uns einig über die Rahmenbedingungen, unter denen sie weiterhin in der Formel 1 an den Start gehen werden, nachdem das derzeitige Concorde-Agreement am Ende dieses Jahres ausläuft."

Noch längst nicht alle haben unterschrieben

Dem geschulten Auge war aufgrund der Wortwahl des 81-Jährigen sofort klar, dass das nicht bedeutet, dass das Concorde-Agreement bereits unterschrieben ist. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' handelt es sich bei dem Dokument, das Ecclestone sechs Teams (Red Bull, McLaren, Ferrari, Mercedes, Lotus und Williams) bei einem Treffen in London bereits vor dem Saisonauftakt vorgelegt hatte, lediglich um einen rund 40 Seiten starken Vorvertrag.

Doch wie weit der Weg von Vorverträgen und Absichtserklärungen bis zu einem fertigen Concorde-Agreement sein kann, weiß man in der Formel 1 seit einigen Jahren. Auf dem Weg zum letzten großen Grundlagenvertrag hatte Ecclestone zunächst im Jahr 2005 Ferrari und Williams mit Sonderkonditionen zur Unterschrift bewogen. Das erinnert frappant an die derzeitige Situation mit Ferrari und Red Bull.

Dieter Zetsche, Norbert Haug und Bernie Ecclestone

Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche im Gespräch mit Bernie Ecclestone Zoom

2006 einigten sich die von den Automobilherstellern geführten Teams mit Ecclestone zumindest auf ein sogenanntes "Memorandum of Understanding", also eine Art verbindliche Absichtserklärung. Diese regelte interimistisch alle kommerziellen Prozesse. Erst 2009 wurde das aktuelle Concorde-Agreement ratifiziert. "In der Formel 1 besteht immer die Möglichkeit, dass Vertragsangelegenheiten kompliziert werden und sich dahinziehen", weiß Martin Whitmarsh.

Sieben Teams sind derzeit an Bord

"Bernie hat nicht gesagt, dass eine Mehrheit unterschrieben hat. Ich glaube, er hat gesagt, dass er eine Vereinbarung mit der Mehrheit der Teams erzielt hat", präzisiert der McLaren-Teamchef. "Mehrheit bedeutet sieben oder mehr. Ich weiß nicht, wer die anderen sind und was sie unterschrieben haben. McLaren hat bisher kein Dokument unterschrieben, aber wir befinden uns in Gesprächen mit Bernie und dem Inhaber der kommerziellen Rechte."

Angesichts der Tatsache, dass Ecclestone McLaren heute Morgen explizit erwähnt hatte, überrascht diese Aussage. Aber Whitmarsh legt auf Nachfrage sogar noch einen drauf: "Solange etwas nicht unterschrieben ist, gibt es keine Vereinbarung", stellt er klar. "Aber wir befinden uns in konstruktiven Diskussionen. Andere sagen das Gleiche. Ich glaube, die meisten Teams befinden sich im Moment in diesen Diskussionen."

Laut unbestätigten Informationen von 'Motorsport-Total.com' haben bisher nur fünf Teams Ecclestones Vorvertrag tatsächlich unterschrieben, nämlich Red Bull, Ferrari, Lotus, Force India und Toro Rosso. McLaren und Sauber sind dem umtriebigen Briten bisher nur mündlich im Wort. "Wir haben eine Einigung erzielt", sagt Sauber-Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn, während Teamchef Franz Tost von Toro Rosso abwinkt: "Kein Kommentar."

Mercedes ist offenbar verärgert darüber, als seit Jahrzehnten treuer Formel-1-Hersteller nicht ebenfalls Sonderkonditionen angeboten bekommen zu haben, und das Angebot an Williams hat Ecclestone wegen seines angespannten Verhältnisses zu Adam Parr zurückgezogen. Die kleinen Fische Caterham, HRT und Marussia lässt Ecclestone noch an seiner Angel zappeln - möglicherweise in der Hoffnung, dass sie früher oder später mürbe werden und fast jedem Deal zustimmen.

Positive Nachrichten vor dem Börsengang

"Bernie ist offensichtlich zuversichtlich, dass er die Mehrheit der Teams so weit hat, grundsätzlich zuzustimmen", sagt Whitmarsh im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Was Ecclestones Motivation gewesen sein könnte, so früh an die Öffentlichkeit zu gehen? "Bernie hat der Formel 1 eine positive Meldung beschert", vermutet er. "Dass wir im Moment zumindest nicht so aussehen, als würden wir jeden Moment in einen Krieg ziehen, ist eine positive Botschaft, oder nicht?"

Sagt er mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Doch hinter den Kulissen mag zwar vielleicht (noch?) kein Krieg herrschen, aber die Soldaten beziehen zumindest bei einigen der involvierten Parteien schon Aufstellung. Mercedes soll laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' planen, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, weil man sich ungerecht behandelt fühlt, und auch McLaren ist noch lange nicht mit allen auf den Tisch liegenden Punkten einverstanden.

Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone spielt derzeit einige Teams gegeneinander aus Zoom

Daher, so munkelt man, habe Ecclestone die Pressemitteilung nicht schon in Melbourne, sondern erst heute veröffentlicht. "Das kann stimmen - ich weiß es nicht", erklärt Whitmarsh. "Wir hatten in Australien noch nichts unterschrieben - vielleicht hat das die Bekanntgabe verzögert. Aber wir haben jetzt auch noch nichts unterschrieben. Wir stehen jetzt jedoch in einem konstruktiven Dialog. Das war vor ein paar Wochen noch nicht der Fall."

FIA soll weiterhin Concorde-Partei bleiben

"Wir brauchen wir eine Vereinbarung, die den Inhaber der kommerziellen Rechte, die FIA und alle teilnehmenden Teams einschließt", fordert der McLaren-Teamchef - und spricht damit einen Punkt an, der ihm wichtig ist: Die FIA sollte auch an Bord sein. "Bernie versucht, die Puzzleteile zusammenzusetzen", so Whitmarsh. "Da ist noch ein bisschen Arbeit zu erledigen, aber ich spüre, dass es in eine vernünftige Richtung geht."

Die FIA erstmals komplett zu übergehen, hält er für kein realistisches Szenario: "Ich glaube, das wäre nicht richtig für den Sport und ist daher nicht notwendig. Wir müssen einen Weg finden, die FIA einzubinden", meint der Brite gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Es wäre ein überflüssiger Kampf, das nicht zu tun, also sollten wir sicherstellen, dass die FIA mit den Rahmenbedingungen einverstanden ist. Aber bis dahin ist sicher noch einiges zu verhandeln."

Ein Anhänger der heute bekannt gegebenen Vereinbarung ist naturgemäß Christian Horner: "Das sind großartige Neuigkeiten", jubelt der Red-Bull-Teamchef, dessen Rennstall künftig in den Genuss von finanziellen Vergünstigungen kommen wird. "Das Concorde-Agreement ist eine wichtige Vereinbarung für die Formel 1, für ihre Stabilität. Es bindet die Teams für die nächsten sieben oder acht Jahre. Und das Concorde-Agreement vorzuziehen, schützt auch die Teams."

Das Concorde-Agreement, benannt nach dem Stammsitz der FIA am Place de la Concorde in Paris, wo es 1981 zum ersten Mal ausgehandelt wurde, ist so etwas wie die "Verfassung" der Königsklasse. In dem stets streng vertraulichen Vertragswerk zwischen der FIA, der von Ecclestone geführten Formel-1-Gruppe und den Teams werden alle kommerziellen Aspekte der Rennserie geregelt, auch die Höhe der Beteiligung der Rennställe an den Einnahmen.