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  • 01.02.2011 12:18

  • von Dieter Rencken

Buemi: "Auf schnellen Strecken wird es nicht viel bringen"

Sebastien Buemi erwartet, dass sich die Piloten schnell an die neuen Gegebenheiten anpassen werden - Neuer Heckflügel nicht überall ein Vorteil

(Motorsport-Total.com) - Der Schweizer Sebastien Buemi steht vor seiner dritten Saison bei Toro Rosso. Im Interview spricht der 22-Jährige über seine Entwicklung als Fahrer in den vergangenen Jahren, die Philosophie von Red Bull sowie die zu erwartende Eingewöhnungsphase bezüglich des neuen Heckflügels.

Titel-Bild zur News: Sebastien Buemi

Sebastien Buemi will sich weiter steigern und für ein Topcockpit empfehlen

Frage: "Sebastien, die vergangene Saison verlief für dich relativ enttäuschend. Was gibt dir die Zuversicht, dass in diesem Jahr ein Schritt nach vorn gelingen kann?"
Sebastien Buemi: "Ich glaube nicht, dass die Saison enttäuschend verlief. Sicherlich hätte es besser laufen können, aber das Team hat hart gearbeitet und wir wussten, dass es nicht leicht werden würde. Speziell die neue Regel, dass das Team das Auto selbst bauen musste, hat es für uns schwierig gemacht. Jetzt sind wir wesentlich zuversichtlicher. Das neue Auto sieht schon mal gut aus, aber natürlich müssen wir abwarten, bis wir es auf der Strecke ausgiebig testen können. Erst dann können wir sagen, was wir von dieser Saison erwarten können, aber bis jetzt sieht alles sehr vielversprechend aus."

Frage: "Du stehst vor deiner dritten Saison bei Toro Rosso. Siehst du das Jahr als ein Alles-oder-Nichts-Jahr an, um in Zukunft wieder bei einem der größeren Teams fahren zu können, was du in der Vergangenheit bereits getan hast?"
Buemi: "Jede Saison ist wichtig. Wir versuchen natürlich unser Bestes zu geben und werde alles daran setzen, so viele Punkte wie möglich einzufahren. Was danach passiert, weiß ich noch nicht. Zunächst müssen wir uns auf diese Saison konzentrieren, die mit 20 Rennen sehr lang sein wird. Alle im Team arbeiten sehr hart und wir haben bereits einige Evolutionen in der Hinterhand. In diesem Jahr ist alles viel mehr unter unserer Kontrolle, da wir nun unseren eigenen Windkanal haben. Zudem haben wir mehr Erfahrung und auch mehr Zeit als im letzten Winter."

Neue Saison, neues Glück

Frage: "Auf welchen Gebieten kannst du dich noch verbessern?"
Buemi: "Nun, zunächst einmal kenne ich jetzt alle Strecken. Das sollte ein Vorteil sein. Für uns wird es darauf ankommen, die neuen Dinge wie KERS, den verstellbaren Heckflügel und die Pirelli-Reifen so schnell wie möglich zu verstehen und als Einheit funktionieren zu lassen. Je mehr Erfahrung u hast, desto schneller gelangst du an den Punkt, an dem du die Entwicklung des Fahrzeugs vorantreiben kannst. Unter diesem Aspekt habe ich bereits große Fortschritte erzielt, aber ich muss natürlich noch besser werden. Letztendlich kommt es im Rennsport darauf an, in einem Sekundenbruchteil die richtige Entscheidung zu treffen. Das ist mir im vergangenen Jahr nicht immer geglückt. Jetzt freue ich mich auf das bevorstehende Rennjahr - neue Saison, neues Glück!"

Frage: "Es gibt eine Reihe von Fahrern, die möglicherweise im kommenden Jahr für das Team fahren könnten. Daniel Ricciardo ist einer davon. Spürst du dadurch zusätzlichen Druck?"
Buemi: "Das ist grundsätzlich die Philosophie von Red Bull. Dass Daniel die Freitagstests fährt, ist sehr gut für uns, da jeder weiß, wie schnell er im letzten Jahr im Red Bull gewesen ist. Das sollte also kein großes Problem darstellen. Im Gegenteil: Es wird für uns eine gute Gelegenheit sein, uns mit ihm vergleichen zu können."

Jaime Alguersuari, Daniel Ricciardo, Sebastien Buemi

Die Toro-Rosso-Piloten Buemi, Ricciardo und Alguersuari stellen den STR6 vor Zoom

Frage: "Was hältst du vom neuen Heckflügel?"
Buemi: "Wir konnten ihn bisher nicht testen und haben ihn im Moment auch noch nicht auf dem Auto montiert. Wir werden ihn erst zum nächsten Test zur Verfügung haben. Auf dem Papier sieht er sehr vielversprechend aus. Er scheint, was die Höchstgeschwindigkeit angeht, eine Menge zu bringen. Wie der Ablauf im Einzelnen funktioniert, wenn man weniger als eine Sekunde hinter dem Vordermann ist, das ist mir noch nicht ganz klar. Es wird sicherlich nicht einfach sein, das System richtig zu bedienen.

Es ist definitiv ein großer Unterschied zu dem, was wir bisher kannten. Mit dem neuen Flügel kommst du mit viel Abtrieb aus der Kurve, kannst dann aber auf der folgenden Geraden auf deutlich weniger Abtrieb umschalten, um den Vordermann überholen zu können. In der Vergangenheit hattest du, um überholen zu können, zwangsläufig einen schlechten Kurvenausgang, weil dir der Abtrieb gefehlt hat. Ich glaube, das System wird eine große Hilfe, allerdings ist es derzeit noch schwer zu sagen, wie es sich genau darstellen wird. Wird man ständig Überholmanöver sehen oder wird es ähnlich ablaufen wie in der Vergangenheit? Das müssen wir abwarten."

Frage: "Von der anderen Seite aus betrachtet: Was erwartest du in der Rolle als Vorausfahrender in einer solchen Situation?"
Buemi: "Die Voraussetzungen sind für alle gleich. Ich glaub allerdings nicht, dass wir an den Punkt gelangen werden, an dem jeder Fahrer wann immer er will, überholen kann, beispielsweise als Taktik erst in der letzten Runde, sodass der Gegner seinerseits nicht mehr überholen kann. Im Moment weiß ich noch nicht, wie es funktionieren wird und wie groß der Unterschied zwischen Aktivierung und Nichtaktivierung des Systems sein wird. Das müssen wir im Rahmen der Tests herausfinden. Auf Strecken wie Spa oder Monza wird es meines Erachtens nicht viel bringen, da wir dort ohnehin sehr kleine Heckflügel fahren. Der verstellbare Flügel wird sich dort kaum auf die Höchstgeschwindigkeit auswirken. Auf anderen Strecken könnte es allerdings durchaus ein gute Sache sein."


Fotos: Präsentation des Toro Rosso STR6


Frage: "Auf den Fahrer kommt in dieser Saison durch den Einsatz von KERS ohnehin mehr Arbeit zu. Glaubst du, dass es inzwischen zu viel geworden ist?"
Buemi: "Das wird sicherlich nicht einfach werden. Aber so ist das bei jeder Neuerung. Als KERS vor zwei Jahren erstmals eingeführt wurde, sprach jeder von wesentlich mehr Arbeit, gleiches gilt für den verstellbaren Frontflügel im letzten Jahr. Letzten Endes ging jedoch alles sehr schnell in Fleisch und Blut über und niemand hatte damit wirklich Probleme. Im ersten Moment wird es ungewohnt sein. Wenn man die Veränderungen an Bremsbalance und Elektronik hinzuzählt, kommt man durch die neuen Systeme auf bis zu 20 Veränderungen im Cockpit pro Runde. Aber daran werden wir uns sehr schnell gewöhnen. Ich erwarte, dass wir bis zum ersten Rennen keine Schwierigkeiten mehr damit haben sollten. Der Punkt ist: Wenn du diese Systeme nicht nutzt, wirst du nicht schnell genug sein.