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  • 18.04.2012 22:01

  • von Roman Wittemeier

Bahrain-Sicherheit: Garantiert ist nichts

Vor dem Wochenende in Bahrain rückt die eine Frage in den Vordergrund: Kann die Formel 1 unpolitisch sein? Sicherheitschef: "Dann wird scharf geschossen..."

(Motorsport-Total.com) - Bei Williams hat sich eine Mitarbeiterin geweigert, ein Porsche-Supercup-Team reist gar nicht erst an - nicht alle folgen dem Ruf von Bahrain. Die FIA hatte zwar nach eigener Aussage alle erdenklichen Quellen um eine Einschätzung der Sicherheitslage in Manama gebeten und diese schließlich für ausreichend gut befunden, dennoch gibt es erhebliche Zweifel in diesem Bereich. Auch die Worte des Ferrari-Piloten Felipe Massa können die Kritiker nicht ruhigstellen.

Titel-Bild zur News: Security

Formel 1 in Bahrain: In den Vorjahren rückten viele Sicherheitskräfte an

"Mir erscheint es ruhig zu sein. Bei der Fahrt vom Flughafen zum Hotel war alles so wie vor zwei Jahren", berichtet Massa von seinen ersten Eindrücken nach der Anreise ins Königreich am Golf. "Die Jungs an der Strecke berichten, dass alles ganz normal läuft. Wenn die Entscheidung getroffen wurde, dass man hier ein Rennen fahren kann, dann sollte alles okay sein. Was ich heute gesehen habe, spricht jedenfalls nicht dagegen."

Die meisten Formel-1-Piloten und alle Teamverantwortlichen hüten sich, ihre Zweifel an der Richtigkeit des Grand Prix von Bahrain 2012 zu äußern. Red-Bull-Pilot Mark Webber war in den vergangenen Tagen einer der wenigen Showstars des Zirkus, der durchaus moralische Bedenken zu Protokoll gab. Ansonsten richten sich die alle nach der Bernie-Ecclestone-Devise: "Wir machen Sport und nicht Politik."

In diese Argumentation stimmte auch FIA-Präsident Jean Todt ein. "Wir sind ein Sportverband. Wir interessieren uns für Sport und nicht für Politik", so der Franzose gegenüber 'RTL'. Todt und sein Motorsport-Weltverband sind sicher, dass Bahrain sicher ist. Aber ist dies tatsächlich so? "Viele sagen, wir könnten Sicherheit garantieren. Aber natürlich können wir das nicht. Ich wäre blöd, so etwas zu behaupten", sagt John Yates dem 'Guardian'. Yates ist immerhin Sicherheitsberater der Regierung Bahrains.

Strecke stürmen geht überall

"Ist es möglich, dass Aufständische auf die Strecke stürmen? Ja, natürlich ist dies möglich, denn es ist ein offener Event. Solche Idioten kann man nirgends stoppen. Das ist auch anderswo schon passiert", argumentiert der Brite, der kürzlich gesagt hatte, er fühle sich in Bahrain sicherer als in London. "Wenn die Demonstranten scharf schießen, dann wird die Polizeit mit scharfer Minution zurückschießen. Ich halte das aber nicht für wahrscheinlich."

"Es wird bestimmt am Wochenende Proteste geben. Aber wir wollen einen Sportevent und keinen Hochsicherheits-Event. Der Mann, der für die Sicherheit verantwortlich ist, sagte, dass man die Security spüren, aber nicht sehen soll. Das befürworte auch ich", sagt Yates. Von drastischen Maßnahmen der Regierung will der Ex-Polizeichef von London nichts wissen. "Es wird erzählt, dass in den vergangenen Tagen sehr viele Menschen verhaftet worden wären. Das hätte man doch auf Youtube gesehen."

Im Videoportal sind tatsächlich bislang keine Aufnahmen von kolpotierten Verschleppungen von Demonstranten zu sehen, die zu Beginn dieser Woche stattgefunden haben sollen. Allerdings ist sehr wohl zu sehen, dass die Lage in Bahrain alles andere als ruhig ist. Täglich sind aktuelle Bilder zu sehen, die Auseinandersetzungen zwischen Protestlern und der Polizei zeigen. Es fliegen täglich Molotow-Cocktails, es wird täglich mit Tränengas geschossen.


Feuer und Tränengas: Aktuelle Bilder aus Bahrain

"Die Formel-1-Bosse sollten den Grand Prix absagen. Das Rennen in Zeiten solcher Risiken durchzuführen, sendet ein falsches Signal", meint der britische Abgeordnete Douglas Alexander, der eine Gruppe von mindestens fünf Politikern anführt, die gegen die Austragung des Rennens ist. Alexander und seine Mitstreiter haben die teils flehenden Rufe aus dem Lager der reformwilligen Demonstranten wahrgenommen.

Wer soll sich dort wohlfühlen?

"Würden sie sich als Ausländer beim Besuch des Rennens wirklich wohlfühlen, wenn im Stadtviertel nebenan Trändengas eingesetzt wird? Fühlt man sich wirklich gut, wenn Verstöße gegen die Menschenrechte begangen werden?", fragt Dr. Nada Dhaif in der 'BBC'. Die junge Ärztin aus Bahrain wurde kürzlich zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Warum? Weil sie Aufständischen medizinische Hilfe zukommen ließ, die bei Unruhen verletzt worden waren.

"Die Regierung will mit der Ausrichtung des Formel-1-Grand-Prix darstellen, dass alles gut sei. Aber es ist hier nichts okay", sagt Zainab al-Khawaja, deren Vater lebenslang im Gefängnis sitzen soll, weil er für die Einhaltung der Menschenrechte in Bahrain eingetreten ist. "Wir lieben die Formel 1 und haben gern ausländische Gäste in unserem Land. Aber nicht jetzt, während so viele Menschen bei uns leiden", sagt die junge Frau.

Auf dem Bahrain International Circuit (BIC) will man von all dem nicht viel wissen. Man ist froh, von der FIA ein eindeutiges Signal erhalten zu haben. Die Ampeln stehen auf grün. "Das war eine ganz bewusste Entscheidung. Im vergangenen Jahr haben wir absagen müssen, weil die Situtation schlechter war als jetzt. Wir sind überzeugt, dass es ruhig genug ist, um den Event durchführen zu können", sagt Streckenchef Zayed al Zayani auf 'CNN'.

Zayed Rasched Al Zayani

Gelassenheit: BIC-Streckenchef Zayed Al Zayani sieht keine Probleme Zoom

"Hier gibt es keine Proteste, die in Zusammenhang mit dem Rennen stehen", meint der BIC-Boss. Dabei waren auf vielen Fotos der vergangenen Tage durchaus Plakate von Demonstranten in Manama zu sehen, die gegen die Austragung des Rennens waren. "In jedem Land gibt es Gegner von Autorennen", sagt Zayani. "Ich verstehe den Zusammenhang zwischen der Formel 1 um den Anliegen der Demonstranten nicht. Wir machen einen Sportevent, eine soziale Veranstaltung, die nichts mit Politik zu tun hat."

"Ob der Grand Prix stattfindet oder nicht, macht hier eigentlich keinen Unterschied. Wenn das Rennen abgesagt würde, dann gingen die Proteste dennoch weiter", zuckt Zayani mit den Schultern. Und wenn doch etwas passiert? "Nein. Ich wünsche es mir jedenfalls nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass es nicht passieren wird", sagt der Streckenchef. "Wenn wir so denken, dann können wir auf der Welt nirgends etwas bewegen. Würde London sich nicht um die Olympischen Spiele bewerben, weil es die Gefahr gibt, dass etwas passieren könnte? Es gibt immer kritische Stimmen", hakt Zayani das Thema ab.