powered by Motorsport.com
  • 06.02.2012 20:18

Alguersuari: Red Bull hat mich verletzt

Ex-Toro-Rosso-Pilot Jaime Alguersuari erklärt, wie er die vergangenen zwei Monate erlebt hat und wie seine Zukunftspläne aussehen

(Motorsport-Total.com) - Trotz einer guten zweiten Saisonhälfte trennte sich Toro Rosso Mitte Dezember von Jaime Alguersuari. Damit war es für den Spanier viel zu spät, ein anderes Cockpit zu finden. Im Interview erklärt er, warum er Red Bull keine Vorwürfe macht, aber dennoch mit der Art und Weise unzufrieden ist. Zudem gibt er einen Ausblick auf seine Zukunft in der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Jaime Alguersuari

Jaime Alguersuari glaubt fest an ein baldiges Comeback in der Formel 1

Frage: "Es sind nun zwei Monate vergangen, seitdem du erfahren hast, dass du 2012 nicht fahren wirst. Wie geht es dir?"
Jaime Alguersuari: "Ich habe Red Bull nicht verurteilt, als sie mir am 13. Dezember mitgeteilt haben, dass ich nicht länger zur Familie gehöre. Ich habe mich nicht als Opfer gefühlt. Es ist kein Drama. Aber eins möchte ich noch loswerden: Sie haben mich verletzt und viel schlimmer noch: Es war unnötig."

Alguersuari ist stolz auf sich

Frage: "Wie fühlst du dich, wenn du zurückschaust?"
Alguersuari: "Auch wenn ich 2012 nicht im Toro Rosso sitzen werde, möchte ich, dass jeder weiß, wie stolz ich über meine Entwicklung in der Formel 1 bin. Red Bull hatte noch nie von jemanden so viel verlangt! Sie haben mich während der Saison debütieren lassen, als ich 19 Jahre alt war und keinen einzigen Testkilometer hinter mir hatte. Ich stand Sebastien Buemi gegenüber, einem tollen Fahrer, der zwei Jahre älter ist als ich und mehr gefahrene Kilometer und mehr Grand-Prix-Erfahrung hatte."

"Buemi und ich verbrachten beinahe drei volle Saison in der Geschichte von Toro Rossos, die in Faenza gebaut wurden. Die Autos davor wurden in Milton Keynes von Adrian Newey konstruiert! Mit dem Auto, das ich hatte, konnte ich für das Team drei Rekorde aufstellen: das beste Qualifying (Sechster in Spa-Francorchamps), das beste Ergebnis (Siebter in Monza und Südkorea) und mit 31 Zählern die meisten Punkte für das Team. Ich war bei 46 Rennen elf Mal in den Top 10. Das ist mein Erbe und die Ergebnisse, die ich mit 21 vorweisen kann."


Fotos: Präsentation des Toro-Rosso-Ferrari STR7


Red Bull verhält sich nicht fair

Frage: "Du hast davon gesprochen, dass man dich unnötig verletzt hat. Kannst du darauf genauer eingehen?"
Alguersuari: "Während des Brasilien Grand Prix habe ich eine mündliche Zusage erhalten. Als ich von Red Bull und Toro Rosso die Zusage hatte, habe ich ein gutes Angebot abgelehnt. Am 11. Dezember hat mich Toro Rosso zu einer PR-Veranstaltung in das Cepsa-Hauptquartier nach Madrid geschickt."

"Ich sollte an einer Preisverleihung teilnehmen, bei dem die dienstältesten Mitarbeiter geehrt wurden. Bei der Weihnachtsfeier habe ich ein sehr gut ausgearbeitetes Skript aus Faenza erhalten, in dem ich über Toro Rosso, Cepsa und 2012 reden sollte. Zwei Tage später habe ich einen Telefonanruf erhalten, bei dem mir gesagt wurde, dass sie nicht länger auf mich zählen. Es waren zwei Anrufe, die nicht länger als je zwei Minuten waren."

Jaime Alguersuari

In Spa-Francorchamps qualifizierte sich der Spanier als Sechstschnellster Zoom

"Weder ich noch jemand anderes wird jemals verstehen, warum ich am 14. Dezember abgesetzt wurde, obwohl ich alle Erwartungen erfüllte, die das Team in mich setzte. Ich hatte keine Chance mehr, um mir ein Cockpit für 2012 zu sichern, obwohl ich mich von 2010 an verbessert und meinen Teamkollegen geschlagen habe."

"Ich bin aber nicht derjenige, der Red Bull verurteilen sollte. Irgendwie repräsentiere ich die Generation, der jungen Fahrer, die 21 Jahre alt sind, diejenigen, die in der Renault-World-Series, GP2 oder anderen internationalen Kategorien fahren. Ich weiß, dass ich ein Modell davon bin."

"Sie haben mein Formel-1-Debüt mit 19 Jahren und null Erfahrung gesehen. In nur zwei Jahren haben sie elf Zielankünfte in den Top 10 beobachten können. Sie haben gesehen, wie ich Rosberg mit einem Toro Rosso geschlagen habe. Und sie haben gesehen, wie ich in der Qualifikation von Spa einen sechsten Platz geholt habe."

Franz Tost (Teamchef), Jaime Alguersuari

Jaime Alguersuari debütierte im Alter von 19 Jahren in der Formel 1 Zoom

Frage: "Was sollten all diese Fahrer von der Formel 1 und Red Bull halten? Wie sollten sie ihre Zukunft sehen?"
Alguersuari: "Um ehrlich zu sein, denke ich, dass es die Journalisten und Leute, die mit der Formel 1 verbunden sind, sein sollten, die solche Fragen stellen."

Keine freien Cockpits

Frage: "Red Bull hat dir sehr wenig Zeit gelassen, einen Platz in der Formel 1 zu finden."
Alguersuari: "Null Zeit. Nach dem Brasilien Grand Prix habe ich am 4. Dezember das Desafio das Estrelas in Florianapolis (Kartrennen; Anm. d. Red.) gewonnen. Ich habe zwei Telefonanrufe von Toro Rosso und Red Bull mit Glückwünschen erhalten."

"Wir haben über 2012 geredet. Es war unmöglich vorherzusehen, wie sie sich zehn Tage später entscheiden würden. Ich möchte noch einmal betonen, dass ich keinen Groll hege, weil ich durch sie zu dem wurde, was ich bin. Aber wenn man realistisch ist, dann war es eine Mission Impossible, Mitte Dezember einen Platz in einem Team zu bekommen."

Jaime Alguersuari

Aussichtslos: Für 2012 gab es keine passenden Cockpits mehr Zoom

Frage: "Denkst du immer noch an die Formel 1?"
Alguersuari: "Ich denke nur an die Formel 1. Ich bin 21 Jahre alt und habe 46 Grand Prix absolviert. Ich habe demonstriert, dass ich in der Lage bin, in der letzten Runde einen Mercedes zu schlagen, wie ich es beim Südkorea Grand Prix tat. Ich habe bewiesen, dass ich mich elf Mal in den Top 10 qualifizieren konnte. Ich bin kein Rookie. Ich sage also ja zur Formel 1, aber ich möchte nicht dafür zahlen."

HRT kommt nicht in Frage

Frage: "Warum ziehst du nicht HRT in Betracht?"
Alguersuari: "Als ich Red Bulls Entscheidung im Dezember erfuhr, habe ich Luis Perez-Sala kontaktiert - meinen Freund und Mentor, seit ich in der Italienischen Formel-Renault-1600 fuhr. Wir hatten beide das gleiche Gefühl. HRT hat kein Auto für mich und ich kann nicht mein Erbe aufgeben, um zu kämpfen, ein Auto zu entwickeln, das trotzdem ganz hinten im Feld fährt."

"HRT ist aktuell keine Option für mich. Ich würde es nicht ertragen, in jedem Rennen Vorletzter zu sein. Luis hatte von Anfang an die gleiche Ansicht wie ich. Dennoch glaube ich, dass de la Rosa genug Fähigkeiten hat, das Auto zu entwickeln und zu verbessern. Vielleicht öffnet das neue Möglichkeiten für die Zukunft. Ich bin zuversichtlich, dass das Team, welches HRT führt, in der Lage sein wird, ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen. Um ehrlich zu sein habe ich nie an Williams gedacht. Sie benötigen heutzutage Fahrer, die bezahlen."

Jaime Alguersuari

HRT war für den ehemaligen Toro-Rosso-Piloten keine Option Zoom

Frage: "Wie sieht deine Zukunft aus?"
Alguersuari: "Ich bin ein professioneller Fahrer mit Erfahrung und guten Resultaten. Ich werde nie für ein Cockpit bezahlen. Ich hatte im Januar ein paar Gespräche, die über meine Zukunft in einem Topteam entscheiden könnten. Ich muss sagen, dass man mich sehr herzlich aufnahm und sehr viel Anerkennung erhielt."

"Es hat sich eine Tür geöffnet. Ich kann noch nichts Näheres dazu sagen. Alles was sagen will ist, dass ich mich 2012 vollkommen der Formel 1 zuwenden werde. Ich bin bereit, meinen Dienst abzuliefern, sobald sich die Gelegenheit bietet. Ende März werde ich 22. Ich trainiere täglich im Hochleistungszentrum von Katalonien und kann versichern, dass ich physisch und psychisch besser drauf bin als je zuvor."

"In den zwei Monaten hatte ich Zeit, um etwas zurückzublicken. Basierend auf den Informationen, die ich hatte, habe ich mich dazu entschieden, frei und ohne vertragliche Verbindungen zu irgendwem verfügbar zu sein, damit ich die Chance nutzen kann, wieder in die Formel 1 einzusteigen, um mein Talent und Potenzial zu zeigen. Jeder weiß jetzt, dass ich in meinem Alter schon 46 Grand Prix gefahren habe und eine gute Option darstelle. Ich werde mich entscheiden, wenn die Zeit reif ist."

Aktuelle Gemütslage

Frage: "Der Dezember war einer der schlimmsten Monate in deinem Leben. Wie geht es dir jetzt?"
Alguersuari: "Als ich nach der überraschenden Entscheidung von Red Bull alles begriffen hatte, war ich wieder ein glücklicher Mann und zum ersten Mal in meiner Sportkarriere der Herr über mein Schicksal. Der plötzliche und unerwartete Tod von Raniero Gianotti, meinem Personal-Trainer, meinem Bruder und meinem Freund, half mir beim Verstehen und schätzen der wirklich wichtigen Werte im Leben. Raniero wird immer in meinem Herzen sein."

Frage: "Deine Musik-Karriere läuft auch ganz gut. Dieses Jahr wirst du mehr Zeit haben. Ich schätze, dass 'Squire' davon profitieren wird."
Alguersuari: "Mein Alter Ego 'Squire', die Musik und der Formel-1-Fahrer Jaime Alguersuari kommen ganz gut miteinander zurecht. Die Beziehung zwischen Alguersuari und 'Squire' wird sich nicht ändern. Ich plane meine Tage sehr systematisch und geordnet."

"Meine physische Entwicklung wird zudem besser sein als im vergangenen Jahr. Es ist mehr als schön, dass ich in der höchsten Kart-Klasse KZ1 bei Europameisterschafts- oder Weltmeisterschaftsläufen teilnehmen werde. Gleichzeitig habe ich damit begonnen, täglich Deutsch zu lernen."

Jaime Alguersuari

Noch ohne Cockpit: Es ist offen, wo Jaime Alguersuari 2012 fahren wird Zoom

"Glücklicherweise habe ich Zuhause ein professionelles Tonstudio, in dem ich produziert habe und auch weiterhin neue elektronische Musik-Themen produzieren werde. Ich werde weitermachen, wie im vergangenen Jahr in Nachtclubs zu spielen, wo meine Musik hingehört."

"Vor ein paar Wochen habe ich eine riesige Befriedigung gefühlt, als ich Txitxarro Club in Bilbao mit 3.000 Leuten eins wurde. In jedem Fall wird 'Squire' weitermachen und gleichzeitig ist Alguersuari bereit für die Rückkehr in die Formel 1. Es gibt also keinen Konflikt zwischen der Musik und der Formel 1."

Frage: "Spürst du die Unterstützung der Fans?"
Alguersuari: "Ja, ich möchte jedem für die Unterstützung danken. Viele Leute haben ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht, als die schlechte Nachricht kam. Das Positive daran ist, dass man erkennt, wer wirklich zu einem hält, wenn es dir einmal schlecht geht. Das erhöht die emotionale Kraft der schönen Momente. Ich möchte, dass jeder weiß, dass sie mich nicht umgebracht haben. Ich bin 21. Ich werde zurückkommen."