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  • 22.06.2016 19:43

  • von Dieter Rencken & Daniel Halder

Alain Prost kritisiert Regelwahn in der Formel 1

Der Ex-Weltmeister vergleicht das aktuelle Regelwerk mit seiner Zeit als aktiver Rennfahrer - zuviele Beschränkungen ein generelles Problem des Motorsports

(Motorsport-Total.com) - Spätestens seit dem Baku-Grand Prix hat die Regeldiskussion in der Formel 1 einen neuen Schwerpunkt. Weil sich sowohl Weltmeister Lewis Hamilton, als auch die Ex-Champions Kimi Räikkönen und Fernando Alonso lauthals über die zu dieser Saison eingeführten Einschränkungen im Funkverkehr beschwerten, reden Fans, Fahrer und Experten nun über Sinn und Unsinn dieser Regelung. Sie besagt, dass die Ingenieure ihren Piloten über den Teamfunk keine speziellen technischen Informationen mehr mitteilen dürfen.

Titel-Bild zur News: Alain Prost

Alain Prost ist der Meinung, dass weniger Regeln besser für den Motorsport wären Zoom

Befindet sich ein Pilot in einer falschen Einstellung, beispielsweise hinsichtlich der Antriebskonfiguration, muss er das Problem selbst ausfindig machen und lösen. Beim Rennen in Aserbaidschan wurde dies dem amtierenden Champion Hamilton zum Verhängnis. Bei seiner Aufholjagd von Startplatz zehn durch das Feld traten Probleme beim Laden der elektrischen Energie im Mercedes-Antrieb auf. Hamilton war im falschen Motormapping und hätte dies nur durch eine andere Einstellung über sein Lenkrad beheben können. Weil ihm diese Informationen aber sein Team nicht mitteilen durfte, wurden die TV-Zuseher Zeugen rundenlanger hilfloser Diskussionen am Funk.

Der Brite wollte gar Vorschläge machen, die sein Renningenieur Peter Bonnington mit "Ja" oder "Nein" beantworten sollte, doch auch dies laut Regelwerk nicht gestattet. Während Teamkollege Nico Rosberg dasselbe Problem schnell löste, plagte sich Hamilton zwölf Runden lang mit den Tücken der Technik. "Das ist gefährlich", fluchte er deshalb nach seinem fünften Platz am Ende. "Ich habe einen Großteil der Runde nur auf mein Lenkrad geschaut." Harte Kritik äußerte auch Mercedes-Technikdirektor Paddy Lowe: "Es war in etwa so, als ob wir sie bitten würden, ein Kreuzworträtsel zu lösen, während sie mit 320 km/h ein Rennen fahren. Das ist kein Kinderspiel!"

Prost: "Heute will man für alles eine Regel machen"

Unterstützung bekommen Hamilton und Lowe nun von einem weiteren Ex-Weltmeister. Alain Prost kritisiert den überbordenden Regelwahn in der Formel 1: "Heute will man für alles eine Regel machen. Das unterscheidet die aktuelle Generation von unserer Generation", so Franzose, der von 1980 bis 1993 in der Königsklasse aktiv war und vier WM-Titel gewann. Prost spricht mit seiner Kritik explizit das Funkverbot an, das vor der Saison eingeführt wurde, weil die Verantwortlichen der Ansicht waren, dass es für die Fahrer aufgrund der Hilfen zu einfach sei, die aktuellen Formel-1-Boliden zu fahren.

"Sobald es in dieser modernen Formel 1 ein Problem gibt, gibt es eine neue Regel", meckert der 61-Jährige. "Aber manchmal führt man eine Regel aus einem gewissen Grund ein, und dann wird einem bewusst, dass diese Regel in einer anderen Situation vielleicht nicht ganz optimal ist", begründet Prost, weshalb er für eine Lockerung der Einschränkungen am Funkverkehr ist. Seiner Ansicht nach sei ein zu striktes Reglement aber nicht nur ein Problem der Königsklasse, sondern des Motorsports allgemein.

Der "Professor" verdeutlicht seine Meinung mit einem weiteren Beispiel vom vergangenen Wochenende. "Das ist ja nicht nur in der Formel 1 so, sondern auch bei den 24 Stunden von Le Mans. Die Autos dürfen in der letzten Runde nicht länger als sechs Minuten brauchen." Wegen dieser Regel fiel am Sonntag bei der jüngsten Auflage des Klassikers der bis zur vorletzten Runde führende Toyota von Anthony Davidson, Sebastien Buemi und Kazuki Nakajima aus der Wertung. Nakajima war kurz vor Ende mit einem Antriebsproblem stehen geblieben und benötigte mit dem waidwunden Auto für den letzten Umlauf doppelt so lange als die erlaubten sechs Minuten.


Fotostrecke: Die Formel-1-Karriere des Alain Prost

"Das wurde eingeführt, weil sie nicht wollten, dass ein Auto in der letzten Runde sehr langsam ist. Und im Jahr 2007 hat ein Peugeot glaube ich zwei, drei Minuten lang vor der Ziellinie gewartet, bevor er drübergefahren ist", erklärt Prost, weshalb eine Regel, die aus hehren Motiven entstand und vom reinen Grundgedanken Sinn macht, plötzlich doch nicht mehr passend sein kann. Der Franzose plädiert also auf das Motto: "Weniger ist manchmal mehr", stößt damit wohl aber auf taube Ohren bei FIA-Präsident Jean Todt. Der Automobilverbandschef hat bereits angekündigt, nicht über eine Lockerung der Funkbeschränkungen in der Formel 1 sprechen zu wollen.