• 11.05.2017 22:10

  • von Dominik Sharaf

61,5 Prozent weniger Überholen: Zauberwort "Track Position"

Die Überholmanöver-Statistik belegt: In der laufenden Saison finden im Schnitt 61,5 Prozent weniger Aktionen pro Rennen statt - Strategie ist 2017 doppelt wertvoll

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 hat in der Saison 2017 ein neues Zauberwort. Es heißt "Track Position". Dahinter verbirgt sich ein Ausdruck für die Stelle im Feld, an der sich ein Auto in einem Rennen befindet. Er ist mit der Platzierung nur begrenzt deckungsgleich, weil er die Abstände der Wagen und die Tempi der Vorausfahrenden in Betracht zieht. Somit gibt die Track Position auch Auskunft darüber, ob ein Pilot freie Fahrt hat oder ob er durch vorausfahrende Konkurrenten aufgehalten und eingebremst wird.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Max Verstappen

Lewis Hamilton versus Max Verstappen in Melbourne: Ein Track-Position-Klassiker Zoom

Ein Beispiel: Pilot A kann um die Anzahl der Boxenstopps bereinigt führen, aber als Zweiter hinter einem Konkurrenten B festhängen, der die Reifen noch wechseln muss - und sich auf alten Gummis um den Kurs schleppt, was A langsamer macht und es der Konkurrenz erlaubt, aufzuschließen. Oder ein Pilot verliert Zeit, weil ihn der Überrundungsverkehr nach einem Stopp aufhält, während der Rivale an der Spitze mit freier Fahrt davonzieht und das Duell aus der Ferne entscheidet.

Weil das Überholen schwieriger geworden ist, könnte die Track Position wichtiger geworden sein. Eine Statistik zur Anzahl der Manöver in den bisherigen Rennen 2017 vergleichen mit 2016 stützt die These. Die Zahlen zeigen, das viel weniger an Konkurrenten vorbeigefahren wird. Im Schnitt ist die Anzahl der Aktionen um 61,5 Prozent gesunken. Ausreißer nach oben oder unten gibt es kaum.

Australien-Grand-Prix:
2016: 50 Überholmanöver (davon 15 mit DRS)
2017: 14 Überholmanöver (davon 3 mit DRS)
Daraus folgt: 72 Prozent weniger Überholmanöver

China-Grand-Prix:
2016: 182 Überholmanöver (davon 70 mit DRS)
2017: 54 Überholmanöver (davon 10 mit DRS)
Daraus folgt: 70 Prozent weniger Überholmanöver

Bahrain-Grand-Prix:
2016: 125 Überholmanöver (davon 52 mit DRS)
2017: 48 Überholmanöver (davon 18 mit DRS)
Daraus folgt: 62 Prozent weniger Überholmanöver

Russland-Grand-Prix:
2016: 31 Überholmanöver (davon 3 mit DRS)
2017: 18 Überholmanöver (keines mit DRS)
Daraus folgt: 42 Prozent weniger Überholmanöver

Auffällig ist außerdem, dass das DRS - gemessen an dem Anteil an der Gesamtzahl der Überholmanöver - seinen Stellenwert behalten zu haben scheint. Der Klappflügel ist also längst nicht der einzige Weg, um einen Vorausfahrenden zu kassieren und sollte laut Sebastian Vettel nicht aufgewertet werden: "Ich bin nicht dafür, die DRS-Zonen zu vergrößern", warnt der Ferrari-Star und wünscht sich keine Autobahn-Verhältnisse: "Als wir es vor einigen Jahren gemacht haben, war Überholen viel zu einfach. Man muss nun mehr dafür arbeiten und verschiedene Linien ausprobieren."

Sich an einem Konkurrenten die Zähne auszubeißen, bereitet Vettel Ansporn: "Manchmal klappt es, manchmal nicht. Wir sollten nicht dahin kommen, dass es künstlich wird", sagt er. Kein Wunder, schließlich war Track Position ein Schlüssel zu seinem Erfolg in Melbourne, als Lewis Hamilton hinter Max Verstappen ohne Boxenstopp aufgehalten wurde und seine virtuelle Führung einbüßte. Es ist ein Beispiel von vielen, das die Saison 2017 geliefert hat. "Es ist sehr wichtig", betont Vettel.


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Überholkönig Verstappen vermutet, dass die langlebigen Pirelli-Reifen ebenfalls zu der Problematik beitragen. Weil die Pneus nicht einbrechen, können Autos auf älteren Gummis noch ein ordentliches Tempo gehen und sich so verteidigen, dass es für einen Angreifer kein Vorbeikommen gibt. "Es ist schwieriger hinterherzufahren", beklagt er sich außerdem über die komplexere Aerodynamik und kommt auf die Reifen zurück: "In Sotschi hätten wir gar keinen Boxenstopp machen können."