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  • 29.09.2017 16:14

  • von Dominik Sharaf & Lawrence Barretto

Erst geschraubt, dann geschweißt: FIA löst Gullydeckel-Rätsel

Ein Fauxpas der Streckenverantwortlichen sorgte für den Grosjean-Unfall in Sepang - Über Nacht werden viele Gitter neu verschweißt - Es gab keine Kritik der Fahrer

(Motorsport-Total.com) - Die FIA scheint einem Gullydeckel-Problem, das am Freitag zu Romain Grosjeans Trainingsunfall beim Malaysia-Grand-Prix geführt hat, auf die Schliche gekommen zu sein. Die Theorie des Rennleiters Charlie Whiting: Eines der 50 Zentimeter langen und 30 Zentimeter breiten Gitter löste sich deshalb, weil es zunächst verschraubt war, infolge von Reinigungsarbeiten aber verschweißt wurde. Da die Löcher für die alten Gewinde nicht verschlossen wurden, hielt die Schweißnaht nicht stand.

Titel-Bild zur News: Charlie Whiting

Charlie Whiting und Laurent Mekies wollen erkannt haben, was in Sepang passiert ist Zoom

An seiner Öffnung soll ein Kanaldeckel - in dem Sog der Boliden, den sie in der schnellen Kurve 12 generieren - gerissen und Grosjean zum Verhängnis geworden sein. "Statt ihn zu ersetzen, haben sie ihn verschweißt", moniert Whiting in Richtung der Streckenverantwortlichen, die anschließend die Schwachstelle nicht mehr erkennen konnten: "Die Qualität der Nähte lässt sich kaum überprüfen, wenn sie mehrmals mit Farbe überpinselt wurden", erklärt der Brite das weitere Dilemma.

Dabei ist eine Verschweißung das, was die FIA wünscht. "Auf einem Straßenparours wie Monaco lassen wir es mit allen Gulydeckeln machen. Es ist völlig akzeptabel. Es ist ziemlich normal", sagt Whiting. Nur handelt es sich in der Regel um neuwertiges Material, welches so befestigt wird. Eine Verschraubung nickt der Automobil-Weltverband unter Umständen ebenfalls ab: "Wenn es eine ganze Reihe von Gullys gibt und sie sich reinigen lassen, indem man nur einen öffnet, klappt es so."

Verantwortlich dafür, dass sich nichts löst, sind laut Whiting die Malaysier. "Wir überprüfen es, so gut wir können. Aber auf einer Strecke gibt es so vieles", stöhnt der Rennleiter und illustriert die Grenzen seiner Kontrolle am Beispiel einer Leitplanke, die von vielen Pfosten im Boden gehalten wird. Sie sollen mindestens einen Meter unter die Erde ragen. "Wir haben aber keinen Schimmer", so Whiting, dessen Leute nicht mit Spitzhacke und Schaufel ausrücken, um alles umzugraben.


Fotostrecke: Die Formel 1 nimmt Abschied von Malaysia

Ergo verlässt sich die FIA auf die lokalen Organisatoren: "Wir vertrauen ihnen, weil es Richtlinien gibt. Wir können nicht jeden Bauschritt beaufsichtigen. Bei einer Begehung des Kurses schaue ich mich in der Regel mittwochs mit dem Streckenchef um und sehe mir so viel wie möglich an", meint Whiting. Am Donnerstag vor einem Grand Prix wird nochmal im Detail inspiziert. "Zwischenzeitlich ist aber jedes Team - 20 Leute, die beiden Fahrer und Ingenieure - um die Bahn gelaufen. Oft schicken sie mir Bilder, wenn ihnen etwas auffällt. Aber niemand hat das kommen sehen."

Um zu verhindern, dass sich im Qualifying oder im Rennen wieder ein Gullydeckel selbstständig macht, checken am Abend die Streckeningenieure jedes Teil, das nicht verschraubt ist. "Es sind einige, aber nicht so viele", sagt Whiting. "Wir schleifen die Farbe und etwas von der Schweißnaht ab, um sie neu zu verschweißen. Mehr können wir nicht tun." Da der Malaysia-Grand-Prix 2018 nicht mehr ausgetragen wird, ergibt eine bauliche Lösung in den kommenden Monaten keinen Sinn.

Denn moderne Anlagen verfügen längst über sogenannte Monoblock-Gullys, die im Boden sitzen und nicht bedeckt sind. "Sie sind nicht massiv, aber leicht und aus widerstandsfähigen Verbundstoffen", erklärt Whiting. Der Sepang International Circuit allerdings ist 20 Jahre alt und nicht auf dem neuesten Stand. Im Falle einer Rückkehr würde die FIA auf eine Instandsetzung beharren, schließlich sind Unfälle mit Gullydeckeln in der Vergangenheit öfter vorgekommen. In jedem Fall will Whiting die Kontrollen in Zukunft verschärfen, um zu verhindern, dass sich die Sache wiederholt.

Übrigens: Die Piloten hielten sich in der Fahrerbesprechung am Freitagabend mit Kritik an der FIA zurück. "Es gab keine Animositäten, alles war gut", meint Whiting und sieht sich angesichts der Reaktion der Aktiven in dem Glauben bestärkt, machtlos gewesen zu sein: "Drei oder vier haben davon gesprochen, es zwei oder drei Runden zuvor erkannt zu haben - aber wir hielten es für ein paar Teile. Normalerweise sind sie auf Zack, wenn es darum geht, uns solche Dinge mitzuteilen."