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Offene Technik in der Formel 1: Gut für die Fans ja, aber ...

Die Formel-1-Vertreter begrüßen die Idee, für die Fans eine offene technische Abnahme wie in der NASCAR zu machen, allerdings gibt es sportliche Kritikpunkte

(Motorsport-Total.com) - Gibt es in der Formel 1 bald keine Geheimniskrämerei mehr? Sportchef Ross Brawn hatte zuletzt mit einer Offenlegung der Technik geliebäugelt, um den Fans einen größeren Zugang zum Sport zu ermöglichen. Wie in der NASCAR-Serie soll die technische Abnahme für Fans und gegnerische Teams offen zu sehen sein, was gleichzeitig dazu führen würde, dass Kniffe von der Konkurrenz kopiert werden könnten.

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen

Die technische Abnahme soll nach Wunsch Ross Brawns offen sein Zoom

Im Fahrerlager stößt diese Idee zumindest auf offene Ohren: "Unseren Sport offener zu gestalten und die Öffentlichkeit mehr sehen zu lassen und näher herankommen zu lassen, das unterstütze ich total", sagt etwa McLaren-Geschäftsführer Zak Brown. "Diese Ideen sind genau die richtigen." Er ist überzeugt davon, dass Formel-1-Eigentümer Liberty Media diesen Vorschlag irgendwann einführen wird. "Darum liegt ein großartiger Weg vor uns", sagt er.

Dass man die Fans stärker mit ins Boot holen muss, darüber dürften sich fast alle einig sein. Auch Williams-Technikchef Paddy Lowe findet es schade, dass die Technologie in der Königsklasse keinen Weg an die Öffentlichkeit findet: "Wir haben in den Formel-1-Autos fantastische Dinge, die nur wenige Leute sehen", sagt er.

Formel-1-Technik für Fan unsichtbar

Das ist auch einer der aktuellen Kritikpunkte an der Formel 1: Viele Systeme seien teuer, ohne dass der Fan davon einen Mehrwert hat. Denn die meisten Dinge bekommt er eh nicht mit. "Wenn man zum Beispiel einen Mercedes-Motor sehen würde, dann wäre das überwältigend", so Lowe weiter. "Es ist so eine Komplexität dabei, die niemand sieht." Dabei seien viele Formel-1-Fans an der Ingenieurskunst interessiert. "Das ist die Faszination des Sports", sagt er.

Ob er allerdings dafür ist, die Technologie offenzulegen, darüber müsse er erst nachdenken. Denn während es für die Fans der richtige Schritt sein mag, ist es sportlich eine andere Frage. Überraschungen wie der WM-Titel für das Brawn-Team wären wohl nicht möglich gewesen, wenn die Topteams 2009 die Möglichkeit gehabt hätten, den Doppeldiffusor einfach so zu kopieren. Außerdem genießt die Formel 1 immer noch eine Sonderstellung, die man nicht verlieren dürfe, argumentiert Otmar Szafnauer.

Hätte es das Brawn-Wunder auch mit offener Technik gegeben? Zoom

Der Force-India-Geschäftsführer weiß, dass er aus Sicht seines Teams eigentlich dafür sein müsste, die Tricks von Mercedes und Ferrari abschauen zu dürfen, um es mit ihnen aufzunehmen, "aber es nimmt die Essenz der Formel 1", wie er sagt. "Wir verbreiten unser Wissen nicht so wie die NASCAR, trotzdem haben wir eine tolle Rennserie. Wir sind immer noch die Spitze und dürfen das nicht wegnehmen", sieht er es nicht als richtigen Weg an, die Königsklasse an der NASCAR zu orientieren.

Force India: Lieber Einnahmen angleichen

Vielmehr sollte man die Regeln so aufstellen, dass alle Teams vernünftig teilnehmen können. In erster Linie geht es bei Force India meist um das Thema Finanzen. Das kleine Team bekommt nur einen Bruchteil von Teams wie Ferrari, Mercedes oder McLaren, hielt in den vergangenen Jahren aber immer gut mit. Bevor man für Gerechtigkeit durch offene Technik sorgt, sollte man lieber für Gerechtigkeit bei den Finanzen sorgen, sagt Szafnauer.

"Wenn wir konkurrenzfähiger sein wollen, dann sollten wir auf die Einnahmensverteilung schauen. Wenn wir etwas mehr Geld bekommen, dann werden wir gegen die Teams kämpfen, die dreimal so viel bekommen", glaubt er. Doch das ist vor dem Ablauf des Concorde-Agreements Ende 2020 nicht möglich und bringt den Fan auch nicht primär näher an den Sport.


Fotostrecke: Die hässlichsten Ideen der Formel-1-Historie

Sportchef Ross Brawn ist das aber ein Anliegen, deswegen will er auf andere Rennserien schauen, was dort funktioniert - und die offene technische Abnahme kommt in Amerika gut an. "Die Fans lieben die transparente Technologie. Am Breakdown-Day kommen viele Fans und haben einen Blick auf den Autos", sagt er, weiß aber, dass die Formel 1 noch andere Baustellen hat: "Kosten senkt es natürlich nicht", so Brawn. Doch das ist wieder ein anderes Thema.