Bremsklotz-Lob statt Punkte: Droht Bottas die Nummer 2?

Mit seinem Motorschaden heute sinken die WM-Chancen von Valtteri Bottas - Ist das Bremsklotz-Opfer heute das erste Anzeichen eines Nummer-2-Status?

(Motorsport-Total.com) - Erst eine Kollision in Runde 1, dann das Dasein als Bremsklotz, um dem Teamkollegen zu helfen, und zum Schluss noch ein Motorschaden: So hatte sich Valtteri Bottas den Spanien-Grand-Prix nach seinem ersten Formel-1-Sieg sicherlich nicht vorgestellt. Der Mercedes-Pilot erlebte in Barcelona ein Wochenende zum Vergessen und muss nach den ganzen Rückschlägen mehr denn je fürchten, teamintern den Anschluss zu Lewis Hamilton zu verpassen.

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas, Sebastian Vettel

Valtteri Bottas' größte Hilfe für Mercedes war das Blockieren von Sebastian Vettel Zoom

"Es war ganz klar ein schwieriges Wochenende", seufzt der Finne, der mit seinem technisch bedingten Aus wohl einen Podestplatz liegengelassen hat. "Das ist natürlich enttäuschend. Wir müssen aber einfach weitermachen", gibt er sich betont kämpferisch. Bottas hatte das ganze Wochenende über das Pech an den Fersen kleben und ging schon mit einem Handicap in das Rennen, der ihn schließlich jenes kostete.

Denn weil man ein Wasserleck am nagelneuen Motor entdeckte, musste man beim Finnen kurzerhand den alten Motor wieder einbauen. "Das war ein Risiko", gibt Teamchef Toto Wolff zu, denn die alte Power-Unit hatte bereits die ersten vier Rennen und somit viele Kilometer auf dem Buckel - zu viele, wie sich am Ende herausstellte. "Es war einfach Pech. Heute hat es Valtteri gebissen", sagt Wolff.

Motor und Startcrash kosten Leistung

"Wir dachten, dass der Motor noch ein Rennen lang halten würde, aber anscheinend ging es sich nicht aus", erklärt auch Bottas die Denkweise seines Rennstalls. "Wir wussten, dass ihm die Laufleistung ausgeht, aber es war die einzige Option, um uns zu qualifizieren. So ist das Leben", nimmt er es hin. Dadurch hatte er schon von Beginn an weniger Leistung zur Verfügung, und nach der Startkollision mit Kimi Räikkönen (Ferrari) war das Auto noch zusätzlich beschädigt.

Gegen Sebastian Vettel und Lewis Hamilton hatte er damit keine Chance mehr: Nach 15 Runden lag er bereits zehn Sekunden zurück. Aus diesem Grund entschied man sich bei den Silberpfeilen, Bottas auf eine alternative Strategie zu setzen und mit einem Stopp durchzukommen. Netter Nebeneffekt: So konnte man den Finnen noch teamdienlich einsetzen, weil er als Bremsklotz für Sebastian Vettel fungierte.

Der Ferrari-Pilot wollte auf frischen Soft-Reifen Zeit auf Hamilton gutmachen, der nach seinem eigenen Stopp auf die Jagd nach dem Deutschen ging, doch Bottas durfte den Spielverderber mimen: Er ließ Vettel drei Runden lang hinter sich verhungern, ehe der Deutsche vorbeikam. "Natürlich haben sie ihn als Bremsblock draußen gelassen, damit ich Zeit verliere", sagt Vettel im Nachhinein. "Der Kampf mit ihm hat wohl drei oder vier Sekunden gekostet. Aber wir hätten das andersrum genauso gemacht."

Vettel mit dem Mut der Verzweiflung

Tatsächlich kam Hamilton durch die Blockade näher und näher. Hatte der Brite zuvor gute acht Sekunden Rückstand, waren es später weniger als vier, als Vettel endlich an Bottas vorbeikam. Dafür brauchte der Heppenheimer auch ein besonders brutales Manöver: "Er hatte immer einen guten Kurvenausgang, also dachte ich beim zweiten Mal auf der Gerade, dass ich unbedingt einen Weg vorbei finden muss - selbst wenn es auf dem Gras sei", erzählt Vettel.

"Ich täuschte auf der Innenseite an, ging zurück auf die Außenbahn, und wollte ihn dann innen wieder überraschen. Das hat funktioniert, aber ich habe dabei fast das Auto verloren, weil ich DRS offen hatte und es ein ziemlich aggressives Manöver am Lenkrad war", beschreibt der Ferrari-Pilot weiter. Vettel kam vorbei, verlor aber viel Zeit, während Hamilton von Bottas anschließend einfach durchgewunken wurde.


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"Ich habe alles versucht, um Sebastian hinter mir zu halten, damit er Zeit verliert. So funktioniert das", macht er keinen Hehl daraus, dass er weiß, was er in so einer Lage machen muss: "Das war meine Mission", so der Finne. "Am Ende war der Geschwindigkeitsunterschied zu groß. Ich habe aber dabei geholfen und hoffe, dass es einen Unterschied gemacht hat." Das hat es laut den Mercedes-Verantwortlichen in der Tat: "Valtteri hat eine wichtige Rolle für Lewis' Sieg gespielt", lobt Toto Wolff die Blockadeaktion seines Schützlings.

Motorschaden wirft Bottas weit zurück

Als Nummer 2 missbraucht, will sich Bottas deswegen aber nicht gleich sehen: "Wir waren zu diesem Zeitpunkt auf unterschiedlichen Strategien. Wir haben versucht, einen Stopp durchzuziehen. Ich war zu diesem Zeitpunkt langsamer", verteidigt er sich. Er ist sich sicher, dass seine Strategie hätte aufgehen können, "aber mit dem Virtuellen Safety-Car hatten die anderen einen freien Boxenstopp. Das hat das Rennen versaut, sonst hätten wir aufs Podium kommen können", so Bottas.

Am Ende war das aber alles obsolet, weil der Mercedes-Motor im Heck nach 38 Runden den Geist aufgab. "Das hat Valtteri das Rennen und wertvolle Punkte gekostet", meint Toto Wolff, während Aufsichtsratsvorsitz Niki Lauda Mitleid mit seinem Piloten hat: "Das hat er nicht verdient. Er ist ein super Rennen gefahren", so der Österreicher.

Für Bottas ist das vor allem im Hinblick auf seinen Status im Team ein schwerer Schlag. In der WM-Wertung liegt er mit 63 Zählern jetzt bereits deutlich hinter Teamkollege Lewis Hamilton (98) zurück und könnte die Nummer 2 spielen müssen, um die WM-Chancen im Kampf gegen Sebastian Vettel (104) zu erhöhen.

Mercedes wehrt sich gegen Stallorder

Aussagen der Teambosse könnte man schon dahingehend interpretieren, dass Hamilton etwas Priorität genießt, denn auf den Start angesprochen, bei dem Bottas eine gute Position hatte, dann aber gegen Hamilton zurückzog, sagt Wolff: "Er hat gesehen, dass er Seite an Seite mit Lewis war. Er hätte hineintauchen können, aber es wäre zu riskant gewesen. Sein Manöver, mit dem er seinen Teamkollegen beschützt hat, war brillant."

Offiziell möchte man bei den Silberpfeilen davon aber (noch) nichts wissen: "Im Moment ist er ziemlich weit weg in der Fahrermeisterschaft, wir sind aber erst im fünften Rennen und es sind noch 14 zu fahren. Als Team haben wir niemals solch eine Entscheidung getroffen, niemals so früh", betont Teamchef Wolff. Vorerst werde man das auch so beibehalten, möchte aber beobachten, wie sich die Situation in den kommenden Rennen entwickelt.

Teamdienliche Aussagen scheint Bottas zumindest schon einmal geübt zu haben: "Natürlich bin ich für das Team froh, dass wir gewonnen haben", stellt er sein eigenes Rennen hinter die Interessen seines Arbeitgebers. "Schade, dass es bei mir nicht gut gelaufen ist. Wir haben wichtige Punkte liegen lassen, aber wir haben Ferrari geschlagen." Ihm selbst genutzt hat es aber nicht ...