RB13 nicht siegfähig: Hat Newey seinen Nimbus verloren?

Adrian Newey hat alleine in Melbourne 100 technische Zeichnungen angefertigt - Red-Bull-Konsulent Helmut Marko: "Er weiß, es geht um seine Reputation"

(Motorsport-Total.com) - Viele Experten sind vor Saisonbeginn davon ausgegangen, dass Red Bull für 2017 das beste Chassis bauen würde. Stardesigner Adrian Newey hat in der Vergangenheit oft dann am meisten geglänzt, wenn es neue Regeln gab. Man denke etwa an seinen Wunder-McLaren für 1998 oder den ersten titelfähigen Red Bull für 2009. Doch der RB13 kam beim Saisonauftakt in Melbourne nicht über Platz fünf hinaus und war dort hinter Ferrari und Mercedes nur dritte Kraft.

Titel-Bild zur News: Helmut Marko, Adrian Newey

Helmut Marko findet, dass nur ein motivierter Adrian Newey eine Hilfe ist Zoom

Und das liegt nicht daran, dass das Auto nicht seine Handschrift trägt. Zwar beschäftigt er sich bei Red Bull Technology längst intensiv mit Sonderprojekten wie dem in Kooperation mit Aston Martin entwickelten Supersportwagen Valkyrie, doch nach wie vor ist er es, unter dessen Regie die fundamentalen technischen Konzepte für die Formel 1 entstehen. Was zur Frage führt: Wie viel Newey steckt nun wirklich im aktuellen RB13?

"Adrian", antwortet Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko im Interview mit 'Motorsport-Total.com' mit einem Beispiel, "hat in Melbourne an die 100 Skizzen und Zeichnungen fabriziert. Ihm ist das Problem klar - er weiß, es geht um seine Reputation. Er ist bei uns immer noch derjenige, der entscheidet, ob ein Flügel so oder anders gebaut wird. Weil er im Team die meiste Erfahrung hat und die Komplexität des Autos begreift."

50:50 zwischen Formel 1 und Sonderprojekten

"Wir haben Spezialisten für Aerodynamik, Spezialisten für mechanischen Grip - die können das. Aber Newey weiß in jedem Bereich etwas. Er ist der Universalmann und hat dafür das Feeling und Know-how", erklärt der Österreicher. "Seine Zeit ist ungefähr 50:50 aufgeteilt zwischen Valkyrie und Formel 1. Wobei der Valkyrie zu gewissen Zeiten mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als es für die Formel 1 nicht so notwendig war."

Zur Aussage, Newey habe beim Reglement 2017 die Erwartungen nicht erfüllt, will sich Marko nicht hinreißen lassen: "Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, weil wir das Potenzial dieses Autos noch nicht gesehen haben." Da werden Erinnerungen an 2009 wach: Zunächst hatte das Brawn-Team mit dem besten Doppeldiffusor die besten Antworten für die neuen Regeln gefunden. Im Saisonverlauf avancierte dann aber Neweys Auto zur Nummer 1.

Daniel Ricciardo

Untypisch: Adrian Neweys RB13 kommt schlicht und ohne Schnörkel daher Zoom

"Für das Formel-1-Team", sagt Marko, "ist ein motivierter Newey das Wichtigste. In den Jahren davor, als das Reglement stabil war und sich vor allem auf Motorenseite nichts bewegte, wusste er, dass wir wegen der Motorenseite nur um Platz zwei oder drei fahren. Das ist dann nicht der Newey, den wir wollen und brauchen. Etwas anderes als Gewinnen gibt's für ihn nicht." Und das war in den vergangenen drei Jahren wegen des überlegenen Mercedes-Motors kaum möglich.

Motorenlastige Formel 1 frustriert Newey

"Für mich sind die Wertigkeiten: Motor, Chassis, Fahrer - in dieser Reihenfolge", stellt Marko klar. "Derzeit macht die Power-Unit meiner Meinung nach mehr als 50 Prozent aus. Das kannst du mit Chassis und Fahrer nicht ausgleichen." Für einen wie Newey eine frustrierende Situation: "Wenn du weißt, du hast außer auf Strecken wie Monte Carlo oder im Regen keine Chance, dann ist das für Newey etwas, was ihn nicht interessiert."

Newey arbeitete bereits 1981 erstmals in der Formel 1. Sein erstes eigenes Design war der 1988er-March, damals eine der positiven Überraschungen im Starterfeld. Inzwischen ist er 58 Jahre alt. Und weil Red Bull bei Toro Rosso mit James Key einen Technischen Direktor in der Familie hat, der nicht nur um 13 Jahre jünger ist, sondern einen exzellenten Ruf genießt, wäre es nur naheliegend, erstmals nicht nur Fahrer, sondern auch einen Technikchef vom B- ins A-Team zu befördern.

Kommt Key aus Faenza nach Milton Keynes?

"Es ist ein großes Thema, dass James Key nach England geht", bestätigt Marko gegenüber 'Motorsport-Total.com', schränkt aber ein: "Die Frage ist, ob er nach Milton Keynes kommt." Schon 2012 war Ferrari an dem heute 45-Jährigen dran, ehe er von Marko zu Toro Rosso geholt wurde. Seither gab es mehrmals Gerüchte, dass auch eines der britischen Teams an seinen Diensten interessiert sein soll. Da fallen einem spontan McLaren, Renault und Williams ein.

Marko: "Er hat Vertrag bis Mitte 2018 und wird somit frühestens Anfang 2019 für ein anderes Team arbeiten können. Es gibt natürlich Gespräche. In welche Richtung, das ist völlig offen. Er hat Angebote." Und zwar "nicht nur aus der Formel 1". Was eigentlich nur bedeuten kann, dass auch einer der großen Hersteller der Langstrecken-WM WEC ihn gewinnen möchte, um ein Auto für die 24 Stunden von Le Mans zu bauen.

James Key

James Key könnte nach 2018 von Toro Rosso nach England wechseln Zoom

Red Bull möchte Key halten, um jederzeit einen Nachfolger parat zu haben, sollte Newey eines Tages keine Lust mehr haben. "Unbedingt halten" sei aber "der falsche Ausdruck", stellt Marko klar, dass man sich nicht auf einen Gehaltspoker einlassen wird, der jedes vernünftige Maß sprengen würde: "Das Gesamtpaket muss passen. Es wäre aber gut, denn er hat Toro Rosso auf ein wettbewerbsfähiges Level gebracht. Toro Rosso soll laut Businessplan WM-Fünfter werden."

Marko fordert: Mehr Synergien zwischen Red Bull und Toro Rosso

"Und es soll sowieso eine engere Kooperation zwischen Red Bull Racing und Toro Rosso geben. Denn die Parallelkosten für beide Teams sind zu hoch. Uns gehören beide Teams zu 100 Prozent. Trotzdem ist unglaublich, mit welchen emotionellen Schwierigkeiten der Informationsaustausch in den einzelnen Departments manchmal verbunden ist. Jeder glaubt, eigentlich ist er der Bessere. Da spielen menschliche Komponenten mit."

"Aber das Finanzielle hat derartige Ausmaße angenommen, dass dieser Austausch passieren muss. Der wird auch passieren. Es gibt schon einen relativ genauen Plan, wie diese Kooperation in Zukunft aussehen soll", erklärt der 73-Jährige. Und wenn die beiden Teams enger zusammenarbeiten, würden sowohl Milton Keynes als auch Faenza von Keys Know-how profitieren: "Das ist ein Part, der für die Rolle von James Key sicher mitauschlaggebend ist."

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