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  • 08.04.2017 14:36

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Mercedes' Vorsprung schmilzt: Die Angst vor Ferrari wächst

Ein auch wegen des Rosberg-Rücktritts schwieriger Winter hängt den Silberpfeilen nach, während Ferrari bedrohlich auftrumpft - Wolff besorgt, aber hoffnungsvoll

(Motorsport-Total.com) - Der Vorsprung des Formel-1-Platzhirsches Mercedes auf Ferrari schmilzt. Wenn überhaupt noch etwas übrig ist. Das Qualifying zum China-Grand-Prix am Samstag lieferte einen weiteren Beweis für die Aufholjagd der Scuderia. In Zahlen ausgedrückt: 2016 trennten Kimi Räikkönen als Speerspitze der Italiener im Zeittraining von Schanghai 0,570 Sekunden von Pole-Mann Nico Rosberg. Zwölf Monate später wurden zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel 0,186 Sekunden gemessen.

Titel-Bild zur News: Toto Wolff, James Allison

Toto Wolff und James Allison müssen sich ein Mittel gegen Ferrari einfallen lassen Zoom

Es sind Werte, die den Silberpfeilen noch mehr zu denken geben sollten als die Schlappe beim Saisonauftakt in Australien. Überraschend käme der Angriff der Roten nicht, betont Sportchef Toto Wolff. Er spricht die Wintertests an und warnt davor, das Erstarken Ferraris als Formschwankung abzutun: "Sie haben schon in Barcelona gezeigt, wie schnell sie sind. Sie waren in Melbourne stark und sie sind es auch hier. Das ist ein Muster." Bei Mercedes klemmte es in der Vorbereitung.

Wolff denkt an den überraschenden Rücktritt seines Weltmeisters Rosberg und die Suche nach einem Nachfolger, die sich bis in den Januar zog: "Der ganze Winter war eine schwierige Situation, schon wegen Nico. Jede unerwartete Veränderung ist nicht einfach", bläst der Österreicher die Backen auf. Als er und seine Techniker den W08 erstmals auf die Strecke setzten, klemmte es, während der SF70 auf Anhieb mit Leistung beglückte: "Ihr Auto war mit den Reifen sofort im richtigen Fenster", sagt Wolff. "Uns lagen einige Stolpersteine im Weg, um zu unserer Leistung zu finden."

Auch zwei Wochen nach Saisonbeginn scheint Mercedes noch Luft nach oben zu haben. "Wie weit wir von unseren Optimum weg sind, will ich nicht in Zahlen ausdrücken", zeigt sich Wolff vorsichtig. Klar ist aber: Das Auto hat mehr im Tank, als Hamilton und Valtteri Bottas derzeit aus ihm herausquetschen können. Der neue Technikchef James Allison und seine Truppe müssen verstehen, wieso Ferrari nicht nur im Qualifying näher dran, sondern im Renntrimm sogar überlegen ist.


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Neue Regeln eröffnen mehr Verbesserungspotenzial als noch 2016

Beispiel Melbourne: Hamiltons Ultrasoft-Reifen überhitzten früh im Rennen, während Vettel mit den Pneus problemlos haushaltete und sich so auf die Siegerstraße brachte. Mercedes behauptet, dem Problem auf die Schliche gekommen zu sein. Gute Nachrichten sind das mit Blick auf Schanghai nicht unbedingt. "Wir haben eine wertvolle Lektion gelernt, aber das ist hier eine komplett andere Strecke", warnt Wolff. Dass alleine die Außentemperaturen in Australien schuld gewesen seien, streitet er ab. Ergo kann der Wetterbericht, der kühlere Verhältnisse prognostiziert, nicht erfreuen.

Vettel rasselt schon mit dem Säbel: "Gemessen am Durchschnitt sind wir im Qualifying noch etwas hinten dran, im Rennen aber auf Augenhöhe." Und Wolff nimmt den Fehdehandschuh auf: "Wir lieben die Herausforderung. Der Motorsport bracht sie." Diese Herausforderung wird sich nicht nur am Sonntag in China auf der Strecke abspielen, sondern in den kommenden Wochen auch in den Fabriken der Teams. Das Rennen um Updates, insbesondere der Aerodynamik, hat längst begonnen.

Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Neue Hackordnung: Ist Ferrari wirklich schon vor Mercedes? Zoom

"Das ist nur eine Momentaufnahme. In zwei Monaten könnte alles anders aussehen, weil die neuen Regeln für eine viel steilere Lernkurve sorgen", meint Wolff und rechnet sogar damit, dass weitere Teams aufschließen könnten. Überraschend, da Topverfolger Red Bull derzeit auf einer Runde über eine Sekunde zur Spitze fehlt. Es zeigt, wie groß das Verbesserungspotenzial und damit der Raum für Verschiebungen im Machtgefüge noch ist - auch für Ferrari, in dessen Reihen noch niemand behauptet hat, alles aus dem neuen Boliden herausgeholt zu haben.