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Flexibler Unterboden: TV-Bilder belasten Ferrari

Experte Marc Surer glaubt, dass Ferrari umbauen muss: Unterboden und Flügel verbiegen sich während der Fahrt - Sebastian Vettel bleibt gelassen

(Motorsport-Total.com) - Nach den Diskussionen über die angebliche "Wunderaufhängung" von Mercedes und Red Bull, die letztendlich beim Saisonauftakt nicht eingesetzt wurde, gibt es hinter den Kulissen der Formel 1 das nächste Thema, das für Unruhe sorgt. Diesmal geht es um Ferrari. Angeblich hat das italienische Team seinen Höhenflug flexiblen aerodynamischen Komponenten zu verdanken. Und solche sind laut Reglement verboten.

Im Zentrum der Diskussion steht der Unterboden des neuen SF70H. Bisher gab es diesbezüglich nur Verdachtsmomente, seit gestern aber auch aufschlussreiche TV-Bilder. Auf denen ist zu sehen, wie sich ein großer Teil des Unterbodenrands während der Fahrt nach unten biegt und so etwas wie eine Schürze bildet. So wird der Bereich zwischen Asphalt und Unterboden besser abgedichtet. Das verringert Luftverwirbelungen und verbessert die Effizienz des Diffusors.

Formel-1-Experte Marc Surer glaubt, dass die FIA das Thema noch genauer untersuchen wird: "Flexible oder bewegliche Teile am Auto sind nicht erlaubt. Das müssen sie sicherlich korrigieren." Zumal der Unterboden nicht das alleinige Verdachtsmoment ist. Auch der Heckflügel verbiegt sich unter Belastung. So liefert er in langsamen Kurven maximalen Anpressdruck, aber auf den Geraden minimalen Luftwiderstand.

TV-Bilder zeigen eindeutig Verwindungen

Auf den TV-Bildern vom Freitagstraining in Bahrain war sogar zu erkennen, dass sich auch der Frontflügel verbog. Das dürfte jedoch eine Flexibilität innerhalb der von der FIA akzeptierten Toleranzen sein. Die Konkurrenz ist jedenfalls stutzig: "Es gibt ein paar Dinge, die wir schon hinterfragen", sagt Toro-Rosso-Technikchef James Key. Dabei handle es sich aber nur um "Details".

Bei Mercedes ist die Skepsis größer: "Die Fahrer lenken einmal ein, das Auto liegt wie ein Brett und fährt ohne zu Zucken durch die Kurve", wird Sportchef Toto Wolff von 'auto motor und sport' zitiert. Er hatte die Ferrari-Fahrer in Schanghai besonders in den schnellen Kurven beobachtet. Und Daniel Ricciardo ist beim Barcelona-Test aufgefallen, dass Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen in der schnellen Kurve 3 gar nicht ganz nach außen getragen wurden. Ergo müssen da noch Reserven sein.

Was genau Ferrari mit dem Unterboden anstellt, kann noch keiner erklären. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass der Unterboden zumindest rein optisch so aussieht, als wäre er in mehrere Segmente unterteilt. Das legt den Verdacht nahe, dass Kohlefaserstrukturen von unterschiedlicher Verwindungssteifigkeit verbaut wurden. Um dort steif genug zu sein, wo die FIA ihre Kontrollmessungen vornimmt - und überall sonst möglichst flexibel.

Ferrari geht bisher nicht öffentlich auf die Verdachtsmomente ein. Vettel sagt nur: "Solange man vorne ist, wird's immer was geben, was den Konkurrenten nicht schmeckt. Ich sehe das eher als Kompliment." Abgesehen von Medienberichten hat es bisher auch noch keinen großen Wirbel gegeben. FIA-Chefinspektor Charlie Whiting ist natürlich über das Thema informiert. Noch hat aber niemand offiziell Beschwerde eingelegt.

Mercedes macht kein Drama draus

Das ist laut Mercedes-Technikchef James Allison auch gar nicht notwendig: "Es war eine riesige Regeländerung, und dafür ist bisher alles ziemlich schmerzfrei abgelaufen", sagt er. "Die FIA hat diese Dinge normalerweise aufmerksam im Blick. Er ist ihre Aufgabe, darüber zu entscheiden, was erlaubt ist und was nicht. Und da sind sie dran."

Theoretisch könnten jetzt alle anderen einfach den Ferrari-Trick kopieren. Aber das ist nicht so einfach, wie es klingt: "Es gibt viele Details und ein paar aerodynamische Tricks", sagt Key. "Die hinzubekommen, ist jedoch ziemlich kompliziert. Einige haben sie, andere nicht." Eine Anspielung zum Beispiel auf die Schlitze im Unterboden, die seit 2016 schwer in Mode gekommen sind.

Weit weniger hitzig diskutiert wird Ferraris Heckflügel. Die Skepsis ist entstanden, weil der Flügel von zwei mittigen Stützstreben getragen wird. Das hat aerodynamische Nachteile, weshalb Mercedes und Red Bull auf nur eine Strebe setzen. Ferrari jedoch argumentiert, das habe nichts mit einem Flexi-Trick zu tun. Sondern nur damit, dass diese Variante leichter ist und man dafür einen kleinen aerodynamischen Nachteil in Kauf nimmt.