• 10.03.2017 15:18

  • von Dominik Sharaf

McLaren & Honda: Erst Traumhochzeit, jetzt Zwangsehe

Warum es für McLaren kein Entkommen aus dem Deal gibt und ein eigener Hybrid utopisch ist - Rennleiter Boullier übt leise Kritik an der "Formel-1-Kultur bei Honda"

(Motorsport-Total.com) - Nach zwei Testwochen, in denen McLaren wegen seines Honda-Antriebs in Technikproblemen versumpfte, scheint die Krise des einstigen Vorzeigeteams neue Formen anzunehmen. Es verging kaum ein Tag, an dem der für sein Chassis gepriesene MCL32 nicht ausrollte. Davon, die volle PS-Zahl zu nutzen, waren die Briten genauso weit entfernt wie von den Spitzenzeiten. Dennoch demonstriert Rennleiter Eric Boullier einen Schulterschluss mit Honda. Auch in Ermangelung von Alternativen.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonsos Renner auf dem Abschleppwagen: ein gewohntes Bild Zoom

Der Franzose sagt im Gespräch mit 'Sky Sports F1' mit ähnlichem Galgenhumor wie sein Chefpilot Fernando Alonso über die Serie von Defekten: "Wir wechseln einfach immer weiter die Antriebe!" Das mag sarkastisch gemeint sein, aber McLaren bleibt nichts anderes übrig als sehenden Auges ins Verderben zu rennen. Wie zu hören ist, hängt die seit Jahren ohne Hauptsponsor auftretende Truppe auch finanziell am Tropf von Honda. Dazu gibt es einen langjährigen Vertrag mit den Japanern. Smart verpackt klingt das aus Boulliers Mund so: "Man kann nicht einfach den Krieg erklären."

So schnell könnte McLaren seinen Boliden auch gar nicht für ein Aggregat von Mercedes, Ferrari oder Renault umrüsten - obwohl es dank der FIA und dem Red-Bull-Debakel von 2015 zumindest theoretisch die Möglichkeit gäbe, die Hersteller zu einer Belieferung zu zwingen. Die Möglichkeit, einen Antrieb in Eigenregie zu produzieren, schließt Boullier aus: "Es handelt sich um sehr komplizierte Technologie, die massive Investitionen erfordert - nicht nur an Geld, sondern auch an Zeit."

McLaren: Bei Straßenautos kein Interesse an Hybriden

Selbst für ein global operierendes Technikunternehmen und Produzenten von Kleinserien-Sportwagen, der McLaren neben den Motorsportaktivitäten ist, ist das nicht leistbar: "Man muss sich mit einem Autohersteller zusammenschließen, der nicht nur das Geld, sondern auch das Know-how besitzt", meint Boullier. An Spekulationen über eine Liaison mit BMW war nichts dran. Andere Konzerne wie Ford haben kein Interesse. Volkswagen ist immer wieder Thema - aber meilenweit weg.

Hinzu kommt, dass die Luxusschlitten aus Woking nicht daran schreien, mit spritsparender Hybridtechnik ausgestattet zu werden: "Ich glaube nicht, dass diese Technologie auf kurze Sicht in McLaren-Straßenautos Relevanz besitzt", weiß Boullier und besinnt sich darauf, den Karren mit Honda aus dem Dreck zu ziehen. Eine Herkulesaufgabe: Sieben V6-Turbo-Hybride brauchte das Team in Barcelona an acht Tagen. Passiert das im Rennbetrieb, hagelt es erneut Strafversetzungen.


Fotostrecke: Honda-Meilensteine in der Formel 1

"Wir hatten schon einige Meetings mit Honda - wir wollen nicht, dass sich wiederholt, was 2015 und 2016 geschehen ist", macht der Rennleiter Mut und beschreibt die Situation als weniger desaströs als sie erscheint: "Momentan sieht es so aus. Aber so schlimm ist es nicht." Eine neue Ausbaustufe ist für den Australien-Grand-Prix angekündigt. Doch wie oft hagelte es Versprechen aus Sakura, die sich als heiße Luft entpuppten? Boullier mahnt, dass es keine Entschuldigungen mehr gäbe.

Auswege scheinbar auch nicht. Das Aus für das Token-System zur Motorenentwicklung spielt den Konkurrenten genauso in die Karten. Auch sie haben drei Jahre nach der Einführung der aufwendigen Antriebe Luft nach oben. "Die Technik ist noch so unreif, dass sich jeder verbessert. Da wird es schwierig aufzuholen", beklagt Boullier und nimmt seine Mitstreiter in die Pflicht - nicht den Partner. "Wir müssen schuften, um Honda zu unterstützen. Wir haben selbst wahnsinnige Ressourcen."


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Allen Bekenntnissen zum Trotz mischt sich ein leiser, kritischer Unterton dazu: "Leider vermissen etwas die Formel-1-Kultur in Hondas Reihen", merkt Boullier an. Was er damit meint? Lässt er offen. Gut möglich, dass bei den Japanern das Herz nicht mehr so für die Königsklasse schlägt wie einst: Von Alonso wurden sie mit dem "GP2-Funkspruch" ausgerechnet in Suzuka blamiert. Ihr Liebling Jenson Button steht mit einem Bein in der Rente. Und ein japanischer Pilot? Sayonara.