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  • 22.02.2017 18:19

  • von Dominik Sharaf

Formel-1-Technik 2017: Raffinessen des Renault R.S.17

Aufwendige Leitbleche an den Seitenkästen, ein extremes Cola-Flaschen-Design und zwei mysteriöse Hörnchen aus Karbon: Was die Franzosen ausgetüftelt haben

(Motorsport-Total.com) - Renaults neuer Formel-1-Bolide R.S.17 trägt nicht nur die Raute des französischen Automobilherstellers auf der Nase. Es handelt sich auch um den echten Spross eines Werksteams, nachdem der Vorgänger noch ein eilig umgeschraubtes und umlackiertes Lotus-Rennauto gewesen ist. Obwohl am Dienstag in London ein Harzmodell präsentiert wurde, scheinen die Gelben mit der Entwicklung deutlich weiter zu sein als die Konkurrenten, wie ein Blick auf die technischen Details zeigt.

Titel-Bild zur News: Nase des Renault R.S.17

Die Nase des Renault R.S.17 fällt durch eingearbeitete Luftleitbleche auf Zoom

Mit der flachen Nase, die einen Daumen und einen Doppelsteg aufweist, will Renault offenbar Luft unter das Auto bekommen und so einen S-Schacht (er tritt auf Höhe der Vorderachse aus dem Chassis aus) sowie den Diffusor anströmen.

Dazu nutzen die Designer die Befestigung des Frontflügels als aerodynamische Komponente - quasi als vorderstes Leitblech, das weit nach hinten gezogen ist, was es erlaubt, auf weitere Elemente unter Nase zu verzichten. Ein raffinierter Ansatz.

Beim V-förmigen Frontflügel selbst dagegen dominiert das verschachtelte Design (das bisher alle Teams gewählt haben), das den Luftstrom um die breiteren Pirelli-Pneus mit Druckstrebenaufhängung herumführen soll. Die Bargeboards hinter den Rädern sind extrem groß und eckig geraten.

Renault R.S.17

Sehen aus wie ein Fragezeichen: komplexe Luftleitbleche an den Seitenkästen Zoom

Ähnlich komplex sieht die Aero des R.S.17 an den Seitenkästen aus. Ein geschwungenes und eingeschlitztes Blech am äußeren, vorderen Ende soll die Strömung auch hinter den Reifen begradigen. Angebracht ist es an einer bogenförmigen Strebe, die selbst funktionell ist, wobei unklar bleibt, wie sie wirkt. Ähnlich mysteriös sind kleine, horizontale "Karbon-Hörnchen" an den Seitenspiegeln, die nur in den veröffentlichten Computergrafiken und nicht am Harzmodell zu erkennen sind.

Die Airbox war für die Renault-Ingenieure ein großer Spielplatz. Sie verfügt über mehrere Kanäle, um nicht nur den Antriebsstrang, sondern auch weitere Komponenten zu kühlen. Die Form ist beinahe rechteckig, was den Luftstrom seitlich weg vom Helm des Piloten führt. Vorteil ist, dass so der gesamte Fluss in Richtung des Heckflügels weniger gestört wird. Ziel ist mehr aerodynamische Stabilität.

Renault R.S.17

Eine fast rechteckige und breite Airbox sowie mysteriöse Hörnchen seitlich Zoom

Bei den Seitenkästen mit dreieckigen Lufteinlässen setzt Renault auf ein radikales Cola-Flaschen-Design. Heißt: Die Linien fallen steil ab und das gesamte Auto verjüngt sich zur Hinterachse hin stark. Das führt dazu, dass ein schlankes Chassis auf einem breiten Unterboden (die Maße gibt das Reglement vor) steht. Bisher haben alle Teams diese Variante gewählt, die die Autos schmäler wirken lässt als angenommen.

Der Heckflügel des R.S.17, der über eine besonders kantige Finne auf der Motorabdeckung angeströmt wird, fällt durch extreme Anstellung auf. Die seitlichen Endplatten sind sogar eher eine Raute als ein Rechteck. Seine Aufhängung verläuft durch das Auspuff-Endrohr hindurch. Hinter dem Flügelblatt sind die Endplatten nochmals eingeschlitzt, was zusätzlichen Anpressdruck bedeuten könnte.

Heckflügel des Renault R.S.17

Heckflügel des Renault R.S.17 ist extrem aggressiv angestellt und komplex Zoom

Die größten Fortschritte verspricht sich Renault jedoch in einem Bereich, den in London selbst der aufmerksamste Kiebitz nicht zu inspizieren vermochte: der Antrieb. Nach dem Wegfall der Tokenregel bauten die Experten in Viry ein komplett neues V6-Hybridaggregat mit Vorkammereinspritzung, das ein Gros des PS-Nachteils gegenüber Platzhirsch Mercedes aufgeholt und Raum für Weiterentwicklung geschafft haben soll. Die Rede ist von 35 PS mehr im Vergleich zu 2016.