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  • 01.01.2017 09:15

  • von Gary Anderson (Haymarket)

Das schlechteste Auto, das je einen Grand Prix gewonnen hat?

Es ist selten vorgekommen, dass ein fundamental schlechtes Auto in der Formel 1 gewinnen konnte - Jordan hat es 2003 in Brasilien allerdings geschafft

(Motorsport-Total.com) - Als ich 2002 zu Jordan zurückkehrte, nachdem ich ein Jahr in Amerika für Reynard gearbeitet hatte, gab es viele Dinge, die nicht richtig liefen. Eghbal Hamidy war damals der technische Direktor, und es wurden einige merkwürdige Entscheidungen am Auto getroffen, die wir korrigieren mussten. Die Front des Chassis war zum Beispiel zu schmal und damit illegal. Auch die Querlenker stimmten nicht mit den Regeln überein.

Eghbals Argument war, dass sie "diese Dinge sowieso nie kontrollieren", aber ich war der Ansicht, dass das Auto vollständig legal sein muss. Er verließ das Team dann während der Saison und Henri Durand ersetzte ihn. Nach seiner Zeit bei McLaren hatte er bei Prost gearbeitet, doch die standen 2002 nicht mehr in der Startaufstellung.

Außerdem wechselten wir 2003 von Honda- zu Cosworth-Motoren. Nachdem Henri im Team angekommen war, traf er die Entscheidung, dass wir die Entwicklung des Autos in die Richtung verändern sollten, die er 2002 mit Prost gewählt hätte. Er erklärte, dass wir so ein Auto haben könnten, mit dem wir um die Weltmeisterschaft kämpfen können!

Der Jordan EJ13: Ein (fast) hoffnungsloser Fall

Also probierten wir seine Ideen im Windtunnel aus. Dort hatten wir dann 10 bis 15 Prozent weniger Abtrieb als beim aktuellen Entwurf. So verloren wir ungefähr drei Monate Entwicklungszeit, und man kann sich vorstellen, wie angepisst die Designteams waren. Aber er war sich sicher, dass der neue Entwurf besser ist. So landeten wir bei einer Mischung aus Henris Ideen und dem ursprünglichen Entwurf.

Giancarlo Fisichella

In Sao Paulo fing der EJ13 nach der Zieldurchfahrt Feuer Zoom

Der Jordan EJ13 war ein Auto mit begrenztem Potenzial, und wenn man bedenkt, dass wir nur eine Chance hatten, ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen, weil uns die Ressourcen fehlten, es weiterzuentwickeln, ging es nur noch darum, auf der Strecke das beste herauszuholen.

Es gab einige Dinge, die keinen Sinn ergaben, und die ließen sich auch durch die Weiterentwicklung nicht beheben. Ich sage immer, wenn man die Saison mit einem verpfuschten Auto beginnt, dann beendet man sich auch mit einem verpfuschten Auto - und das ist 2003 passiert.

Gary Andersons Traum, der wahr wird

Beim dritten Rennen in Brasilien qualifizierten wir uns mit Giancarlo Fisichella auf Platz acht. Damals fuhr man im Qualifying am Samstag noch mit der Spritmenge, mit der man das Rennen beginnen würde. Logischerweise hatten wir sehr wenig Sprit an Bord, und wenn es ein Trockenrennen gewesen wäre, dann hätten wir schon nach zehn Runden einen Boxenstopp einlegen müssen.

Als ich sah, dass es am Sonntag regnen würde, ging ich zu Charlie Whiting und fragte ihn, ob wir die Bodenfreiheit vorne verstellen dürfen, weil die Bedingungen gefährlich waren. Er stimmte zu. Dann änderte er entweder seine Meinung oder niemand anders fragte nach einer Setupänderung, denn als ich Ross Brawn davon erzählte, nur um ihn etwas aufzuziehen, war er richtig sauer.

Das Folgende klingt wahrscheinlich etwas unglaubwürdig, aber es stimmt wirklich: Mein Vater war in der Woche zuvor gestorben, und ich bin mir sicher, dass er dort oben eine große Rolle gespielt hat. In der Nacht zuvor träumte ich davon, dass wir das Rennen gewinnen. Die Frage war nur, wie wir das schaffen sollten?

Safety-Car-Start als Schlüssel zum Sieg

Da kam mir diese Idee: Wenn es regnen sollte, und wenn wir das Rennen hinter dem Safety-Car beginnen, dann könnten wir nach ungefähr fünf Runden zum Boxenstopp kommen und genug Benzin tanken, um es bis Runde 54 zu schaffen. Das war der Punkt, ab dem im Falle einer Roten Flagge die volle Punktzahl vergeben wird. Ich hatte also eine Strategie im Kopf, die uns zu diesem Zeitpunkt so weit wie möglich nach vorne bringen würde.

Safety-Car

Dank des Starts hinter dem Safety-Car konnte Fisichella früh nachtanken Zoom

Es regnete wie verrückt und das Rennen wurde hinter dem Safety-Car gestartet. Nach fünf Runden riefen wir Giancarlo Fisichella zum Boxenstopp. Er wollte nicht reinkommen und weiterfahren, falls die Grüne Flagge kam. Also musste ich ihm im Funk erklären, dass er definitiv reinkommen muss. Nach einigen Diskussionen passierte das nach sieben Runden dann auch.

Eine Runde später wurde das Rennen freigegeben und "Fisi" und Ralph Firman lagen ganz hinten. Ralph hätte auch ein gutes Ergebnis holen können und war zu Beginn der 18. Runde hinter "Fisi", als sein vorderer Querlenker versagte. Er dreht sich, und zum Glück sah "Fisi" ihn und wurde in Kurve 1 nicht mitgerissen. Günstigerweise nahm Ralph noch den Toyota von Olivier Panis mit, der "Fisi" aufgehalten hatte!

Zittern nach dem Unfall von Ralph Firman

Dann waren es einige aufreibende Minuten, denn ich musste mich entscheiden, ob ich "Fisi" trotz des potenziellen Problems mit dem Querlenker weiterfahren lasse. Wir checkten das Alter der Teile und Ralphs Querlenker war neu, während der von "Fisi" bereits mehr als 2.000 Kilometer drauf hatte und am Wochenende zuvor getestet wurde.

Ich entschied mich, ihn weiterfahren zu lassen, denn wir gingen davon aus, dass beim Zusammenbau des Querlenkers etwas schiefgegangen war. Es stellte sich später heraus, dass er mechanisch nicht korrekt fixiert war. "Fisi" fuhr in diesem chaotischen Rennen sehr gut. Fahrer schieden aus und machten Boxenstopps, und wir behielten alles im Auge. Niemand schien sein Auto vollzutanken, folglich planten alle anderen weiterhin zwei Stopps.

In Runde 53 leg er nur noch eine Sekunde hinter Kimi Räikkönens McLaren. Nach einem Fehler von Räikkönen ging er als Führender in Runde 54. Nachdem Mark Webber seinen schweren Unfall hatte und Fernando Alonso gegen eines der Räder des Jaguar gekracht war, wurde das Rennen mit der Roten Flagge abgebrochen.

Siegerehrung mit zwei Wochen Verspätung

Giancarlo Fisichella

Beim Rennen in Imola übergab Räikkönen den Pokal an Fisichella Zoom

Jetzt wurde es unübersichtlich. Wir dachten, wir hätten gewonnen, aber die Sportkommissare entschieden, dass nach Abzug der zwei Runden Runde 53 gewertet werden soll. Sie dachten, "Fisi" wäre noch in Runde 55 gewesen, als die Rote Flagge rauskam.

So ging die Sache nach Paris, wo dann am Freitag nach dem Rennen bewiesen wurde, dass er schon in Runde 56 gestartet war. Daher wurde nach Runde 54 gewertet und "Fisi" gewann das Rennen. Der Siegerpokal wurde ihm beim nächsten Rennen in Imola im Rahmen einer seltsamen Zeremonie auf der Start- und Zielgerade übergeben.

Man kann durchaus sagen, dass es in jüngster Zeit das schlechteste Auto war, dass einen Grand Prix gewonnen hat. Es schien fast so, als wüsste das Auto das, denn als "Fisi" es am Ende des Rennens in der Boxengasse abstellte, fing es Feuer. Es war nur ein kleines Feuer, weil die Entlüftung des Ölkreislaufs zu nahe am Auspuff lag, aber das hätte einen Neustart verhindern können.

Der einzige Erfolgsmoment

Ich wurde wegen des Designs oft kritisiert, dabei habe ich lediglich versucht, das Beste daraus zu machen. Mein Hauptjob war in der Fabrik die Ausgaben für die Weiterentwicklung zu genehmigen und zu begründen, während Henri und das Design-Team damit arbeiten mussten.

Zu Beginn des Jahres hatten wir große Probleme mit der Zuverlässigkeit, und wegen der fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten standen wir im Laufe der Saison auf verlorenem Posten. Wir sind nur noch zweimal in die Punkteränge gefahren, ein siebter und ein achter Platz. Mit so einem Auto muss man das Beste aus den Möglichkeiten machen. Und genau das haben wir an diesem Tag in Interlagos gemacht.

Beim Frankreich-Grand-Prix habe ich dann entschieden, dass es reicht. Jordan war nicht mehr das Team, das es einmal war. Es ging nur noch ums Geld, sie hatten keine Vorstellung davon, wie sie in Zukunft erfolgreich sein können. Unsere Finanzabteilung fand keine Sponsoren, das Budget sank, aber wir hatten immer noch den Druck, ein schnelles Auto zu bauen. Aber so funktioniert es im Leben einfach nicht.