• 11.12.2016 12:46

  • von Dieter Rencken, Norman Fischer & Dominik Sharaf

Vettels Saisonbilanz: "Können auf 2016 nicht stolz sein"

Sebastian Vettel zieht Bilanz über die Formel-1-Saison 2016 und sieht Ferrari nicht dort, wo man sein wollte: In einigen Momenten "nicht mit Ruhm bekleckert"

(Motorsport-Total.com) - Ferrari war 2016 angetreten, um Mercedes in die Schranken zu weisen. Im Jahr zuvor konnte man die Silberpfeile phasenweise zumindest ärgern und drei Saisonsiege herausfahren, doch von einem Angriff auf die Spitze war in dieser Saison wenig zu sehen. Stattdessen holte man keinen einzigen Sieg und musste sich im Laufe des Jahres immer häufiger sogar Red Bull geschlagen geben. Dementsprechend ernüchternd fällt das Fazit aus.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel ist mit der Formel-1-Saison 2016 nicht zufrieden Zoom

"Wir können auf dieses Jahr nicht stolz sein", räumt Sebastian Vettel ein. Der Heppenheimer holte 56 Punkte weniger als noch im Vorjahr und landete nur auf Rang vier der Fahrerwertung. "Natürlich wollten wir in diesem Jahr etwas anderes, doch aus vielen Gründen ist das nicht passiert", sagt er. Die Gründe für den Misserfolg sind dabei vielschichtig: Zum einen war das Auto nicht so stark wie erhofft, zum anderen gab es häufig strategische Fehlentscheidungen.

Diese haben sich durch die komplette Saison gezogen und waren zeitweise ein Running Gag in Internetforen. Das ging schon beim Saisonauftakt in Australien los, als man bei Vettel in Führung liegend eine falsche Reifenstrategie wählte und ihn so um seine wohl einzige Siegchance brachte. "Es gab einfach einige Momente, in denen wir uns nicht mit Ruhm bekleckert haben", so der Deutsche.

Der Tiefpunkt war für Vettel dann gleich das zweite Saisonrennen in Bahrain. Dort konnte er nach einem Motorschaden in der Einführungsrunde überhaupt erst gar nicht starten. "Wir waren an dem Tag sehr konkurrenzfähig, doch das konnten wir am Ende nicht herausfinden", seufzt er. Es waren diese Momente, in denen man schon den Anschluss nach vorne verlor - und im weiteren Saisonverlauf sollte es noch schlimmer werden.

Eigentlich besser als Red Bull?

Denn je weiter die Saison voranschritt, desto stärker war Red Bull. Ab dem Sommer übernahm Vettels Ex-Team das Kommando hinter den Silberpfeilen und fuhr am Ende relativ ungefährdet auf Rang zwei, auch wenn Vettel meint, dass Ferrari eigentlich das bessere Paket gehabt hätte. "Eigentlich hätten wir Zweiter werden müssen", sagt er - doch dafür passierten bei den Roten zu viele Fehler.

Auch Teamkollege Kimi Räikkönen, der häufig unter den Patzern seiner Crew zu leiden hatte, ist über die Saison nicht glücklich: "Wir hatten viele kleinere Probleme. So ist Rennsport nun einmal", erklärt er nach der Saison und sagt: "Wir waren stärker, auch wenn die Ergebnisse das nicht unbedingt zeigen. Wenn ich die letzten drei Jahre vergleiche, war es von meiner Seite aus besser, aber ich bin nicht glücklich, weil es nicht das ist, was wir uns vorgestellt haben."

Max Verstappen, Sebastian Vettel

Ferrari war hinter Red Bull irgendwann nur noch die Nummer drei Zoom

Der Weltmeister von 2007 weiß, dass die Roten eigentlich in einer Liga mit Mercedes spielen wollten, das aber nicht hinbekamen. Ist das also vielleicht ein Fall von falschen Erwartungen? Vettel winkt ab: "Nein, das glaube ich nicht", so der Deutsche. "Wenn man das Vorjahr auf dem zweiten Platz in der Konstrukteurs-WM abschließt, dann ist es klar, dass man im folgenden Jahr den Schritt machen möchte."

Teamintern auf gutem Weg

Bei Ferrari hatte man auch ein gutes Gefühl und allen Grund zur Zuversicht gehabt. "Dann waren wir aber nicht so stark wie wir uns das gewünscht hätten - oder vielleicht waren die anderen um den Tick stärker", meint Vettel weiter. Als das klar wurde, kam auch Unruhe in das Team. Von interner und von externer Seite kam schnell Kritik an Teamchef Maurizio Arrivabene und auch an Präsident Sergio Marchionne auf, die es nicht geschafft haben, Ferrari eine erfolgreiche Struktur zu verleihen.

"Trotzdem weiß ich, dass sehr viel teamintern passiert ist, dass sich sehr viel getan und geändert hat - zum Guten", unterstreicht Vettel diesbezüglich. "Ich glaube, dass wir als Team deutlich weiter sind als vor einem Jahr." Trotzdem gehe der Umbau im Team im Kleinen noch weiter, was nicht immer kurzfristigen Erfolg bringe, so der viermalige Weltmeister. "Als Team sind wir dieses Jahr extrem gewachsen, auch wenn man das von außen nicht sieht und an den Ergebnissen leider nicht sehen konnte. Für die Zukunft sind wir aber auf einem guten Weg."


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Zukunft ist bei Ferrari auch das richtige Stichwort. Die Saison 2017 wird von vielen Seiten als Chance begriffen, die Vormachtstellung von Mercedes zu brechen. Durch das neue Reglement fangen alle Teams beinahe auf einem weißen Blatt Papier an, sodass Mercedes' Vorsprung hinfällig sein könnte. Bei Ferrari gibt man sich zuversichtlich, dass man die Chance nutzen kann und in der kommenden Saison stärker dastehen wird - inwiefern dass der Fall sein wird, zeigt sich aber erst im Frühjahr.

Kritik an der Atmosphäre "nicht gerechtfertigt"

Vettel fordert von seinem Team aber volle Konzentration: "Ausruhen können sich die anderen, bei uns wird über den Winter weiter Gas gegeben. Es gilt hart zu arbeiten und die Lücke zu schließen", sagt er und sieht es als wichtig an, dass sein Team das Momentum aus dem Saisonfinale mit in den Winter nehmen kann, denn in Abu Dhabi gab es noch einmal einen erfreulichen Podestplatz, bei dem man Red Bull klar schlagen konnte.

Vettel Höhepunkt war für ihn aber ganz klar das Podium in Monza, das für eine enttäuschende Saison entschädigte. "Wir haben manchmal viel Kritik einstecken müssen, ob zurecht oder nicht, aber zu sehen, dass die Tifosi gekommen waren, um uns zu unterstützen, und dass sie noch an uns glauben, war ein echter Boost", so der Deutsche, der die hinter Ferrari stehenden Tifosi als "Superkraft" des Teams beschreibt. "Das sollten wir in Zukunft öfter nutzen."

Sebastian Vettel

Das Podium in Monza gab Vettel und Ferrari viel Auftrieb Zoom

Auch der Spirit im Team sei entgegen vieler Behauptungen die größte Stärke der Scuderia. "Man hat viel Kritik gesehen, aber die war nicht gerechtfertigt", verteidigt er sich. Er betont: "Wir arbeiten hart und sind enorm engagiert." Das Ziel für die kommende Saison ist daher klar: "Hoffentlich werden wir nächstes Jahr dort sein, wo wir sein wollen", sagt Räikkönen. "Das wäre ein größerer Spaß für uns alle."

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