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Lewis Hamilton: Brasilien-Grand-Prix muss im Kalender bleiben

Lewis Hamilton ist sich mit seinen Fahrerkollegen einig: Der Grand Prix von Brasilien muss trotz Krise auch 2017 stattfinden - "Herz & Seele des Kalenders"

(Motorsport-Total.com) - Der Grand Prix von Brasilien sorgte 2016 wieder einmal für eines der spannendsten und abwechslungsreichsten Rennen im Formel-1-Kalender. Die Zutaten für das Chaosrennen am Sonntag: Regen, Unfälle, gelbe Flaggen, Dreher und Unterbrechungen. Ob die Königsklasse solche Thriller allerdings auch in Zukunft in Sao Paulo austragen wird, steht noch in den Sternen. Zwar ist das Rennen im provisorischen Kalender für die Saison 2017 mit Datum am 12. November eingetragen, allerdings noch unter Vorbehalt.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Hamilton fuhr in Brasilien mit Spezialhelm als Hommage an Ayrton Senna Zoom

Nicht ohne Grund waren am Sonntag auch die Minister für Tourismus, Marx Beltrao, und für Sport, Leonardo Picciani, in Interlagos zu Gast. Wie das brasilianische 'Metro Jornal' berichtet, hat die Regierung nun ihre Unterstützung für eine weitere Zukunft des Brasilien-Grand-Prix ausgesprochen. "Das Ministerium hat vergangene Woche Gelder zu diesem Zweck freigegeben", wird Beltrao zitiert.

Picciani hat außerdem angemerkt: "Die Fortführung des Rennens ist sehr wichtig und hat die Unterstützung der Regierung." Das 'Jornal de Brasilia' zitiert den Minister außerdem mit den Worten: "Das ist ein Event für Sao Paulo und Brasilien. Gemeinsam daran zu arbeiten, ist sehr wichtig, um sicherzustellen, dass die Rennstrecke im bestmöglichen Zustand für die weitere Austragung der Formel 1 ist."

Die Organisatoren des Rennens sprachen unlängst von einer "Bestätigung bis zum Jahre 2020", trotzdem hat sich Formel-1-Chefpromoter Bernie Ecclestone in der Vorwoche mit dem brasilianischen Präsidenten Michel Temer getroffen, um sich über die ungewisse Zukunft des Brasilien-Rennens zu unterhalten. Durch die wirtschaftlich angespannte Lage im Land gerät die Regierung in Bedrängnis, ob man tatsächlich zusätzliche Finanzmittel für das Autodromo Jose Carlos Pace, das vor dem diesjährigen Rennen renoviert wurde, zur Verfügung stellen sollte. Der zukünftige Bürgermeister von Sao Paulo, Joao Doria jun., kündigte außerdem an, die Strecke privatisieren zu wollen.


Fotostrecke: Formel-1-Strecken 2016: Interlagos

Auch im Fahrerlager war die Zukunft der Strecke Thema. Könnte das spektakuläre Rennen 2016 der Schlussakt der Königsklasse auf brasilianischem Boden gewesen sein? Weder Teams noch Fahrer würden dieses Szenario gutheißen. "Natürlich nicht. Ich bin mir der Situation hier bewusst, die Leute kämpfen mit der wirtschaftlichen Lage. Hoffentlich erholt sich die Situation", so Weltmeister Lewis Hamilton. Der Mercedes-Pilot, der am Sonntag mit einem Spezialhelm als Hommage an die brasilianische Rennlegende Ayrton Senna gefahren ist, betont: "Dieser Grand Prix muss bleiben, es ist ein Teil der Formel-1-Tradition."

Räikkönen: "Leider dreht sich alles ums Geld"

Der Brite, der in Interlagos 2007 den WM-Titel knapp verpasste und ihn ein Jahr darauf zum ersten Mal in einem ebenso packenden letzten Saisonrennen gewinnen konnte, schwärmt vom 4,3 Kilometer langen Kurs: "Es ist eine dieser ursprünglichen Strecken, die wir nicht verlieren dürfen. Die Fans machen einen Grand Prix aus. Manchmal fahren wir Rennen vor nicht einmal einem Drittel der Fans, die hierherkommen. Das ist sehr wichtig für mich. Ich verstehe natürlich auch, dass es sehr viel Geld braucht, um so ein Event auszutragen." Hamilton konnte am Sonntag zum ersten Mal erleben, wie es sich anfühlt, in Brasilien zu gewinnen.

WM-Kontrahent Nico Rosberg schließt sich seinem Teamkollegen an: "Ich würde mir wünschen, dass wir zurückkommen, weil es eine tolle Strecke ist. Es gibt immer großartige Rennen und die Fans lieben es, also müssen wir zurückkommen." Auch Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen erlebte in Sao Paulo bereits viele Emotionen - vom knappen Titelgewinn 2007 bis zu seinem heftigen Unfall 2016. "Es liegt nicht in unserer Macht. Würden die Fahrer entscheiden, würden wir zurückkommen", glaubt der "Iceman". "Aber so ist das bei vielen Orten. Leider dreht sich alles nur ums Geld. Die größte Summe bekommt das Rennen zugesprochen."


Fotostrecke: GP Brasilien, Highlights 2016

Wie Räikkönen sicherte sich auch Jenson Button 2009 seinen Titelgewinn mit BrawnGP in Brasilien. "Diese Strecke beherbergt viel Geschichte. Viele Weltmeisterschaften wurden hier entschieden - meist weil das Rennen am Ende der Saison ausgetragen wurde. Die Leute, die Weltmeisterschaften gewonnen haben, haben gute Erinnerungen an die Strecke. Natürlich weil sie ihre Titel hier geholt haben, aber auch weil das Layout viel Spaß beim Fahren macht." Außerdem unterstreicht auch der McLaren-Fahrer die tolle Atmosphäre und die Begeisterung der patriotischen Fans. "Aus Fahrersicht wäre es traurig, wenn das Rennen nicht mehr im Kalender ist. Aus sportlicher Sicht würde es keinen Unterschied machen", gibt Button jedoch zu.

Massa: "Bernie macht Druck"

Auch Toro-Rosso-Pilot Daniil Kwjat schwärmt vom Streckenlayout: "Ich genieße jede Runde in Brasilien. Die Kurven sind alle unterschiedlich. Nicht nur 90-Grad-Kurven wie in Abu Dhabi. Jede Kurve hat hier einen eigenen Charakter", erklärt der Russe. "Im zweiten Sektor brauchst du einen guten Rhythmus, weil eine Kurve auf die nächste folgt. Das brauchst du aber auf jedem Kurs. Auch die Höhenunterschiede sind nett." Er plädiert ebenfalls für einen Verbleib des Rennens: "Es wäre gut; ich würde mir wünschen, dass das Rennen bleibt. Ich mag auch das Land an sich." Auch das Essen und die Damenwelt habe einen gewissen Reiz, lässt er wissen.

Das weiß vor allem auch Lokalheld Felipe Massa. Der Williams-Pilot, der mit Saisonende seine Karriere in der Formel 1 beenden wird, sorgte mit emotionalen Szenen nach seinem Crash am Sonntag für einen besonderen Moment in der Geschichte der Königsklasse in Brasilien. Bereits im Sommer warnte der 35-Jährige: "Dem Land fehlt Geld. Die Situation ist nicht einfach. Ich weiß, wie es in Brasilien läuft. Wir sind nicht besonders organisiert."

Im Rahmen seines letzten Heimrennens äußerte sich der zweifache Interlagos-Sieger erneut über die prekäre Lage: "Ich bin mir sicher, dass Bernie Druck ausübt, wie er das eben immer macht bei Strecken, die kein Geld oder keinen Vertrag haben. Wir wissen, wie Bernie ist. Im Moment haben wir in Brasilien eine Krise. Ich hoffe natürlich, dass die Formel 1 in Sao Paulo bleibt. Es gibt eben Risiken, wodurch sich die Dinge ändern könnten aufgrund der Krise. Ich hoffe, das kann man lösen und wir können dieses tolle Rennen weiterhin haben", gibt er sich zweckoptimistisch.

Felipe Massa

Felipe Massa nahm nach seinem Unfall emotional Abschied von seinen Fans Zoom

Wolff: Interlagos "Herz & Seele des Kalenders"

Mit seinem Abschied aus der Formel 1 verlieren die Veranstalter vor Ort außerdem ein Zugpferd in der Promotion. 2017 könnte sogar die traurige Situation drohen, dass gar kein Brasilianer in der Formel 1 fährt. Auch die Zukunft von Felipe Nasr ist noch ungewiss. Er könnte womöglich bei Sauber bleiben, nachdem er am Sonntag sensationell auf den neunten Platz gefahren ist. "Es wäre sehr negativ für Brasilien. Die Brasilianer unterstützen ihre Fahrer besonders. Fährt im nächsten Jahr kein brasilianischer Fahrer, wäre das für die Formel 1 in Brasilien nicht gut. Ich hoffe, dass Felipe bleibt", so Massa. Brasilianische Formel-1-Fahrer haben eine lange Tradition, bisher versuchten sich insgesamt 31 Piloten aus dem südamerikanischen Land in der Königsklasse.

Nicht nur die Piloten sind sich einig, auch bei den Teams scheint man Interlagos besonders zu schätzen. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff stellt klar: "Ich denke, das Problem ist sehr komplex. Wie auch in jeder anderen Firma auch erwartest du, dass Umsatz und Gewinn ansteigen. Aus dieser Perspektive musst du Entscheidungen treffen. In der Formel 1 ist das vielleicht etwas anders, weil die traditionellen Grands Prix wie Interlagos sehr bedeutend sind. Das ist das Herz und die Seele unseres Kalenders", betont der Österreicher, dessen Piloten einen weiteren Doppelerfolg in Brasilien einfahren konnten.


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Brasilien

Er versteht jedoch auch die Gegenseite: "Bernie streckt sich schon sehr weit, damit das Rennen weiterhin stattfinden kann. Nicht nur in Interlagos, sondern auch bei manchen europäischen Rennen. Ich denke, dass er in keiner einfachen Situation steckt. Auf der einen Seite muss er die Firma weiter aufbauen, auf der anderen Seite muss man diese Rennen im Kalender behalten." Aus der Sicht des Teams würde man es "lieben", nach Interlagos zu kommen - "wie auch zu anderen traditionellen Rennen, wie Monza, Spa oder Hockenheim. Leider ist das nicht unsere Entscheidung."