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Wie Pokemon Go: Fahrer schicken Wünsche an Liberty Media

"Wenn es jemand schafft, Leute für Pokemons zu begeistern, die gar nicht existieren, dann werden wir es wohl schaffen, sie für die Formel 1 zu begeistern"

(Motorsport-Total.com) - Nach mehr als zehn Jahren CVC-Regentschaft bricht in der Formel 1 mit dem Einstieg von Liberty Media eine neue Ära an. Die ersten Botschaften, die die Fans vernehmen (Formel 1 soll in Europa bleiben, innovativerer Umgang mit digitalen Technologien, eventuell mehr Präsenz in den USA), stoßen bislang auf recht positive Resonanz - auch bei den Fahrern, die die Gelegenheit des Medien-Donnerstags beim Grand Prix von Singapur (Formel 1 2016 live im Ticker) genutzt haben, um eine Art Wunschliste an die neuen Chefs John Malone und Chase Carey zu schicken.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button findet nicht, dass Pokemon Go spannender als die Formel 1 ist Zoom

"Ich möchte nicht zu negativ klingen, aber es kann nur besser werden", meint etwa Toro-Rosso-Junior Carlos Sainz. Am häufigsten kommt als Bitte an Liberty Media, dass man sich doch bemühen möge, ein jüngeres Publikum zu erreichen. Jenson Button hatte diesbezüglich am Mittwoch bei einem PR-Termin in einem Einkaufszentrum ein Schlüsselerlebnis, das er mit seinem Handy gefilmt hat.

"All diese Menschen gehen in eine Richtung", sagt er und zeigt den anwesenden Journalisten dabei ein Handyvideo von der Situation. "Wisst ihr warum? Wegen Pokemon Go! Da waren 2.000 Menschen, die alle auf einen Punkt zugesteuert haben, quer über die Straße, mitten durch das Einkaufszentrum - nur weil dort ein Pokemon abzuholen war."

"Ich weiß nicht einmal, was einem das bringt. Gewinnt man Geld? Geschenke? Schokolade? Nein? Eben! Komm schon, ist die Formel 1 nicht interessanter als das? Sollte sie sein. Ist sie auch, finde ich", wundert sich der 36-jährige McLaren-Fahrer. "Wenn es jemand schafft, Leute für Pokemons zu begeistern, die in der Realität gar nicht existieren, dann werden wir es wohl auch schaffen, sie für die Formel 1 zu begeistern."

Durchschnittsalter der Formel-1-Fans ist zu hoch

"Das Durchschnittsalter", argumentiert er, "ist viel zu hoch. Wir haben einen 18-Jährigen in der Startaufstellung, aber die Fans sind durchschnittlich Ende 30, Anfang 40. Das muss sich ändern." Etwa durch spannenden Social-Media-Content. Selbst der Live-Charakter könnte im Zuge dessen in den Hintergrund gedrängt werden. Nico Rosberg vermutet: "Es gibt viele junge Leute, die sich für die Formel 1 interessieren, aber die Rennen nicht schauen."

"Junge Leute wollen heute nicht mehr zu einer fest vorgegebenen Zeit vor dem Fernseher sitzen und herausfinden müssen, wann das Rennen startet", sagt er. "Ich bin zum Beispiel MotoGP-Fan, aber ich weiß auch nie, wann der Start ist. Ich programmiere den Rekorder und schaue mir das Rennen an, wann ich will. Da haben sich die Zeiten geändert. Ich hoffe, wenn wir für solche Dinge ein Angebot schaffen, dass wir letztendlich mehr Leute erreichen können."

Die Formel-1-Fahrer sind davon überzeugt, dass ihr Sport nach wie vor ein attraktives Produkt ist, glauben aber, dass dieser in einer sich verändernden Medienwelt nicht mehr zeitgemäß transportiert wird. "Die Welt ändert sich. Manchmal tut es gut, frischen Wind und neue Ideen reinzubringen", begrüßt Rosberg die neuen Eigentümer. Und Romain Grosjean hofft: "Vielleicht kann Liberty mit ihren Plattformen was machen. Vielleicht können sie die Fans über Social Media näher ranholen."

Die alte Frage: Ist die Formel 1 wirklich Sport?

"Menschen, die die Formel 1 nicht kennen, betrachten sie nicht als Sport. Die fahren halt ein Auto, na und?", philosophiert der Haas-Fahrer. "Aber es ist so viel mehr als das: Mut, hohe Temperaturen, körperliche Anstrengung. Das im Fernsehen greifbar zu machen, ist schwierig. Vielleicht gibt es da neue Technologien und neue Ideen, mit denen man zeigen kann, dass die Fahrer im Cockpit Hochleistungssportler sind."

"Wenn ich 300 Kilometer am Tag mit dem Rad fahre und 1.000 Kilometer im Jahr jogge, dann mache ich das nicht aus Spaß. Die Formel 1 ist ein echter Sport", unterstreicht er. "Kein Mensch kann sich vorstellen, was 5g beim Bremsen bedeuten. Ein Straßenauto schafft nur 1g. Es ist wie eine Ski-Abfahrt: Wenn du es im Fernsehen siehst, sieht es cool aus, aber na ja. Wenn du aber in Kitzbühel neben der Strecke stehst, haut es dich einfach um! Das müssen wir irgendwie rüberbringen."


Fotostrecke: Formel-1-Strecken 2016: Singapur

Sainz' Freunde schauen keine Formel-1-Rennen

Denn dass die Formel 1 ein Vermarktungsproblem hat, haben inzwischen auch die letzten Alteingesessenen erkannt. "Ich sage meinen Freunden immer, dass sie Formel 1 schauen sollen. Das tun sie aber fast nie, weil es auf Social Media kaum Angebote gibt", meint Sainz. Genau da soll Liberty Media vieles besser machen, was CVC Capital Partners jahrelang verschlafen hat. Fernando Alonso: "Die Sportarten, die sie jetzt schon machen, präsentieren sie im Fernsehen ziemlich gut."

Was das Sportliche angeht, erwarten die Fahrer durch die neuen Eigentümer keine dramatischen Veränderungen. Dennoch äußern sie auch da den einen oder anderen Wunsch: "Wir sollten die historischen Strecken schützen. Die sind das Herz und die Seele der Formel 1", meint etwa Button, und Sebastian Vettel grinst: "Ich hätte gern doppelt so viele Zylinder und weniger kompliziertes Equipment. Und hier in Singapur vielleicht eine Klimaanlage!"

Sein ehemaliger Teamkollege Daniel Ricciardo tut sich beim Ausfüllen seiner Wunschliste relativ schwer: "Mir fällt nichts ein, was man nicht in der einen oder anderen Form schon mal gehört oder gelesen hätte. Aber Samstagsrennen wären eine schöne Idee, finde ich. Wenn wir am Sonntag nicht fahren müssen, können wir am Samstagabend länger Party machen! Das wäre lustig", lacht der Red-Bull-Fahrer.

Mehr Teams sollen Siegchancen haben

Sergio Perez wünscht sich (stellvertretend für viele seiner Kollegen) in erster Linie ein ausgeglichenes Starterfeld, "damit auch die mittleren Teams mal die Chance haben, ein Rennen oder eine WM zu gewinnen. Vielen Fans würde es gefallen, mal einen Williams ganz vorne zu sehen, oder dass mal ein Force India gewinnt. Dafür müssen wir aber die Geldverteilung ändern, denn momentan gibt es da ein gewaltiges Gefälle."

Demnächst soll es zu einem Treffen zwischen Liberty-Vertretern und der Fahrergewerkschaft GPDA kommen, "auch wenn die GPDA in erster Linie eine Sicherheitsorganisation ist", wie Alonso einwirft. "Solange die Autos so sicher bleiben wie heute und noch sicherer werden, sind wir zufrieden", sagt er. "Aber wir werden uns sicher früher oder später mit den neuen Eigentümern treffen. Wir sind auf jeden Fall dazu bereit, ihnen zu helfen, wenn das gewollt wird."