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  • 28.09.2016 17:13

  • von Edd Straw (Haymarket)

Haben Fahrer in der Formel 1 zu lange Karrieren?

Elf der 22 Fahrer haben bereits über 100 Starts angehäuft: Ein Blick in die Geschichte hilft, die Frage zu beantworten, ob Fahrer heute zu lange Karrieren haben

(Motorsport-Total.com) - Es gab eine Zeit, in der 200 Grand-Prix-Starts für einen Fahrer undenkbar waren. Doch dass Nico Rosberg diesen Meilenstein in Singapur erreichen konnte, war eine kaum beachtete Fußnote. Heutzutage gehen Formel-1-Karrieren zu lange, oder? Schon bald könnten jedoch 300 Rennen zu einem häufigeren Trend werden. Jenson Button wird diese Marke am Wochenende in Sepang als dritter Fahrer hinter Rubens Barrichello und Michael Schumacher erreichen, Fernando Alonso wäre 2018 an der Reihe.

Titel-Bild zur News: Jenson Button, Felipe Massa

Jenson Button und Felipe Massa gehören zu den Oldies im Formel-1-Feld Zoom

Sieben der 25 Fahrer mit den meisten Starts sind derzeit im aktiven Starterfeld zu finden, elf haben bereits 100 Grands Prix hinter sich. Romain Grosjean stößt noch vor Ende der Saison dazu. Zumindest in Sachen Starts werden die Karrieren immer länger. Das liegt vor allem daran, dass die Anzahl der Rennen immer weiter gestiegen ist. Im ersten Jahr der Weltmeisterschaft gab es nur sieben Rennen (sechs wenn man das Indianapolis 500 herausnimmt), heute fahren wir 21.

Von daher wäre es besser, wenn man die Länge der Karrieren auf die Anzahl der aktiven Saisons bezieht, in denen ein Fahrer mindestens ein Rennen bestritten hat. Selbst mit seiner dreijährigen Pause teilt sich Schumacher den Rekord von 19 Saisons mit Barrichello.

Aktive Saisons:
Michael Schumacher 19
Rubens Barrichello 19
Graham Hill 18
Riccardo Patrese 17
Jenson Button 17
Jack Brabham 16
Jo Bonnier 16
Jarno Trulli 15
Maurice Trintignant 15
Nigel Mansell 15
Andrea de Cesaris 15
David Coulthard 15
Fernando Alonso 15

Auch wenn es sich anfühlt, als würden die Karrieren immer länger werden, so muss man doch feststellen, dass vier der genannten 13 Fahrer - Hill, Brabham, Bonnier und Trintignant - ihr Debüt in den 50ern gegeben haben. Trintignant debütierte sogar beim zweiten Weltmeisterschaftslauf der Geschichte in Monaco. Von daher ist eine lange Karriere nichts Neues.

Doch wie gut stimmen Länge und Erfolg überein? Ziemlich gut. Entgegen der üblichen Weisheit, dass die alten Hasen nur weiter herumhängen, wird gezeigt, dass man etwas tun muss, wenn man lange Zeit dabei sein will. Nun könnte man sagen, dass man um einen Sieg nicht herumkommt, wenn man lange genug dabei ist. Es gibt aber auch genügend Beispiele, die das Gegenteil beweisen.

Aktive Saisons ohne Sieg:
Andrea de Cesaris 15
Chris Amon 14
Nick Heidfeld 12
Martin Brundle 12
Derek Warwick 11
Harry Schell 11
Roy Salvadori 11
Eddie Cheever 11

Kein Fahrer ohne Podestplatz konnte bislang mehr als neun Saisons bestreiten. Pierluigi Martini (bestes Ergebnis Vierter) und Philippe Alliot (bestes Ergebnis Fünfter) waren die einzigen, die ohne Podium so lange dabei waren. Martini hat die Entschuldigung, dass er zwar schnell war, die meiste Zeit seiner Karriere allerdings bei Minardi verbrachte, für die er aber sogar ein Rennen anführen und sich in der ersten Reihe qualifizieren konnte!

Im aktuellen Feld befindet sich Nico Hülkenberg in seiner sechsten Saison ohne Podium - aber zumindest hat er eine Pole-Position. Das zeigt aber nicht, dass es einfacher ist, ohne Spitzenresultat dabei zu bleiben, auch wenn Hülkenberg große Fähigkeiten hat, die in den vergangenen Jahren allerdings häufig schwankend waren.

Nico Hülkenberg

Nico Hülkenberg schaffte es in sechs Jahren nie auf das Podium Zoom

Die durchschnittliche Länge der Grand-Prix-Karrieren hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zumindest in Sachen Jahren nicht dramatisch verändert. Es ist tatsächlich sogar ein wenig zurückgegangen, wenn man es mit dem Bestwert vergleicht: jenen Fahrern, die zwischen 1980 und 1984 ihr Debüt gaben.

In den Anfängen der Meisterschaft ab 1950 haben die Nachwehen des Zweiten Weltkrieges noch den Pool der Fahrer beeinflusst, von daher ist es nicht überraschend, dass die Karrieren zu Beginn relativ kurz waren.

Durchschnittlich aktive Saisons nach Debütjahren:
1950-54 - 3,0
1955-59 - 3,5
1960-64 - 3,1
1965-69 - 3,7
1970-74 - 4,1
1975-79 - 3,7
1980-84 - 5,4
1985-89 - 4,5
1990-94 - 4,9
1995-99 - 4,8
2000-04 - 5,3
2005-09 - 4,1
2010-14 - 3,0

Gegen Ende der Liste werden die Zahlen unweigerlich weniger akkurat, weil es immer noch aktive Fahrer gibt, die schon im Jahr 2000 dabei waren. Trotzdem gibt es kein Anzeichen, dass die Grand-Prix-Karrieren im 21. Jahrhundert länger werden. Einzig die größer werdende Anzahl an Rennen drückt die Zahlen nach oben, wie sich in der Entwicklung der Startrekorde ablesen lässt.

Der erste bedeutende Rekordhalter war Juan Manuel Fangio, der 1958 in Frankreich zum 51. Mal an den Start ging. Trintignant brach ihn 1959 in Zandvoort und schraubte die Zahl bei seinem letzten Start 1966 in Italien auf 82 hoch. 1969/1970 wechselten sich Jack Brabham und Graham Hill häufiger ab, bevor Letzterer 1971 in Monaco die alleinige Führung übernahm. Als er 1975 in Monaco an der Qualifikation scheiterte, wollte Hill es ein 177. Mal auf den Grid schaffen.

Es wird häufig vergessen, dass Jacques Laffite Hills Rekord in Großbritannien 1986 einstellte, bevor seine Karriere bei einem heftigen Startunfall beendet wurde. Als Riccardo Patrese den Rekord mit seinem 177. Rennen 1989 in Brasilien brach, schien dessen Nummer unschlagbar zu sein: 256 Starts hatte er in seiner Karriere zwischen 1977 und 1993 angehäuft.


Jenson Button vor seinem 300. Grand Prix

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Doch natürlich wurde er gebrochen: 2008 fuhr Rubens Barrichello sein 257. Rennen und schraubte den Rekord bis zu seinem letzten Rennen 2011 auf 322 hoch. Sollte Max Verstappen, der übermorgen 19 Jahre alt wird und bereits 34 Grands Prix hinter sich hat, mit Barrichello mithalten und bis zu seinem 40. Lebensjahr fahren, dann hätte er bei durchschnittlich 21 Rennen pro Saison am Ende 469 Grands Prix auf dem Buckel!

Man hört, dass die Anzahl der Rennen noch steigen könnte, von daher sehen wir vielleicht bald Fahrer mit NASCAR-typischen Startzahlen. Den Rekord im NASCAR-Oberhaus hält Richard Petty mit 1.185 Starts, und selbst in der modernen Ära kommt der temporär wiedergekehrte Jeff Gordon auf 803 Rennen.

Rubens Barrichello

Rubens Barrichello stellte 2008 einen neuen Rekord auf Zoom

Zwar gehen diese Zahlen wohl nach oben, dennoch wäre es falsch zu sagen, dass Karrieren länger als früher gehen - oder zumindest zu lang, wenn man bedenkt, dass die langlebigen Fahrer auch effektive Performer sind. Die alten Gefahren von ernsthaften Verletzungen oder Todesfällen sind glücklicherweise ziemlich rar, und der Durchschnittsfahrer hängt auch nicht länger herum als früher.

Wie eine alte Weisheit sagt: Es ist schwierig, in die Formel 1 zu kommen, und noch schwieriger, dort zu bleiben. Denk daran, wenn du dich dabei ertappst, dass du dich darüber beschwerst, dass es zu einfach sei, einen bestimmten Meilenstein zu erreichen. Denk vielleicht ein wenig darüber nach, was ein Fahrer wie Button gemacht hat, um seinen dreifachen Hunderter zu erreichen.