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Ein Drink mit Eddie Irvine: Niki Lauda vereinfacht zu sehr

Eddie Irvine analysiert die Mercedes-Kollision in Österreich, spricht über Niki Lauda und sagt: "Nico ist einfach kein so natürlicher Racer wie Lewis"

(Motorsport-Total.com) - Der ehemalige Formel-1-Fahrer Eddie Irvine findet, dass Mercedes-Boss Niki Lauda als Manager in der Königsklasse nicht so kompetent ist, wie der Österreicher früher als Rennfahrer war. Das erklärt der 50-Jährige in der zehnten Folge unserer Kult-Videoserie "Ein Drink mit Eddie Irvine", deren Konzept lose von der legendären Interviewreihe "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" in der Wochenzeitschrift 'Die Zeit' inspiriert ist.

"Niki ist ein bewundernswerter Charakter, aber ich bin nicht hundertprozentig überzeugt von seinem Entscheidungsfindungsprozess", sagt Irvine, der 2001 und 2002 bei Jaguar mit Lauda zusammengearbeitet hat. Die simplifizierten Aussagen des Mercedes-Aufsichtsratschefs seien "toll für die Zeitungen", lacht Irvine, "aber im echten Leben funktioniert es nicht". Schon gar nicht bei technischen Angelegenheiten, aber auch nicht beim Schlichten von Fahrer-Auseinandersetzungen wie etwa zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton nach dem Grand Prix von Österreich.

"Ich habe immer gefunden, dass Niki alles ziemlich vereinfacht. Und meistens vereinfacht er zu sehr, sodass es keinen Sinn mehr ergibt", erinnert sich Irvine im Gespräch mit Chefredakteur Christian Nimmervoll an seine Jaguar-Zeit. "Da hat er manchmal Schlüsse gezogen, bei denen die Ingenieure nur den Kopf geschüttelt haben. Nikis Zeit liegt so lange zurück. Er ist sehr gut darin, Entscheidungen zu treffen, aber er vereinfacht die Dinge viel zu sehr."

Die Kollision in Spielberg sei indes "keine große Sache" gewesen, relativiert Irvine: "Nico hat nicht eingelenkt, wo er einlenken hätte sollen, aber wenn du zu spät bremst und Schwierigkeiten hast abzubremsen, dann lenkst du halt nicht ein, bis du auf der Geschwindigkeit runter bist, die du brauchst, um die Kurve zu schaffen", unterstellt er dem Deutschen keine Absicht, es auf eine Kollision angelegt zu haben. Und er hält fest: "Für mich war es ein Rennunfall."

Dass Rosberg im Nachhinein mit einer Zehn-Sekunden-Strafe und einer Verwarnung belegt wurde, bringt den Vizeweltmeister von 1999 zum Kopfschütteln: "Das war der einzige Teil des Rennens, bei dem es sich gelohnt hat, es zu schauen. Und dann bestrafen sie den Kerl, der die Szene verursacht hat, damit es nicht wieder passiert und damit es gar keinen Grund mehr gibt, Formel 1 zu schauen! Das ergibt nicht den geringsten Sinn. Es war marginal mehr Nicos Schuld, aber was soll's? Wenn wir anfangen Haare zu spalten, dann sollten wir es gleich lassen, die Rennen zu starten..."

Für Irvine ist klar, was in der letzten Runde des Rennens passiert ist: Rosberg wollte den Sieg trotz seiner Bremsprobleme ins Ziel retten und wusste, dass er sich in der zweiten Kurve nur zuverlässig verteidigen kann, wenn er Hamilton auf der Außenbahn verhungern lässt. Das sei hartes Racing, aber keineswegs verwerflich: "Ich finde nicht, dass Nico etwas falsch gemacht hat. Und ich hätte an seiner Stelle auch nichts anders gemacht", analysiert er.

Trotzdem bleibt wieder mal stehen, dass Hamilton bei solchen Rad-an-Rad-Duellen meistens das bessere Ende für sich hat. Für Irvine hat das mit dem berühmten Killerinstinkt zu tun: "Nico ist einfach kein so natürlicher Racer wie Lewis. Er denkt viel darüber nach. Er hat dieses Jahr einen verdammt guten Job gemacht, aber Lewis hat einfach dieses Quäntchen Talent extra, und das hat Nico glaube ich nicht", sagt er.