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Duell Mercedes gegen Ferrari: Scuderia endgültig abgehängt?

In Baku sah Ferrari keinen Stich gegen Nico Rosberg, der das Rennen an der Spitze nach Belieben dominierte - Muss Ferrari den WM-Titel 2016 endgültig abschreiben?

(Motorsport-Total.com) - Das Rennen in Baku erinnerte an einen "Rückfall" in alte Zeiten. Während Mercedes - in Form von Nico Rosberg - sowohl im Qualifying als auch im Rennen einsam das Geschehen an der Spitze kontrollierte, ging es dahinter nur noch um den inoffiziellen Titel "Best of the Rest". Anstatt mit den Silberpfeilen kämpfte Ferrari an diesem Wochenende mit Force India. Weil das natürlich nicht der Anspruch der Scuderia sein kann, hofft man dort, dass es sich lediglich um einen Ausrutscher handelt.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Kimi Räikkönen

Wird Mercedes die Nase auch in Zukunft weiterhin vor der Scuderia haben? Zoom

"Mercedes müssen wir völlig ausklammern. Nico hat mit der Konkurrenz gespielt, wie er wollte. Der hat sich das eingeteilt und einen riesigen Vorsprung rausgefahren, sogar fast für einen Boxenstopp, den er hätte extra einlegen können", urteilt 'RTL'-Experte Timo Glock erbarmungslos. Dabei hatte es vor dem Wochenende eigentlich den Anschein, dass Ferrari bereits deutlich näher an den Silberpfeilen dran ist.

Zuvor in Kanada wurde Vettel zwar ebenfalls nur Zweiter, doch dort konnte der viermalige Champion Lewis Hamilton immerhin unter Druck setzen und das Rennen einige Runden anführen. Das war in Baku nicht der Fall. Im Ziel hatte Rosberg fast 17 Sekunden Vorsprung, ohne dabei am Limit fahren zu müssen. Noch eklatanter war der Ferrari-Rückstand im Qualifying: Dort nahm Rosberg Vettel und Kimi Räikkönen mehr als 1,2 beziehungsweise 1,5 Sekunden ab - auf einer Runde.

Vettel mit Durchhalteparolen

"Ich glaube, einerseits lag es am Layout der Strecke", sucht Vettel nach einer Erklärung. "Im Qualifying haben wir ziemlich viel auf den Geraden verloren, und wir wissen, dass Mercedes den Motor auf eine Runde ziemlich aufdrehen kann. Insgesamt haben wir auch in den langsamen Kurven ein bisschen verloren." Trotzdem sieht der Heppenheimer das Baku-Wochenende nicht als kompletten Rückschlag an.

"Zu Beginn ging es ziemlich auf und ab. Aber insgesamt denke ich, dass die Performance da ist und das Auto ist besser, wie wir es schon oft gesagt haben. Hier und da hätten wir natürlich besser abschneiden können. Aber das müssen wir als Team durch. Wir werden dahin kommen, darüber mache ich mir keine Sorgen. Wir haben noch neue Sachen auf dem Weg", verspricht der WM-Dritte den Ferrari-Fans.


Fotostrecke: Formel-1-Technik: Updates in Baku

"Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Das kommt nicht über Nacht, aber man sieht, dass auch Mercedes hier und da mal Fehler unterlaufen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir uns verbessern können. Und werden auch noch Fehler passieren. Wir müssen nur sicherstellen, dass wir davon lernen und jedes Wochenende stärker werden", so der Deutsche, der noch immer auf seinen ersten Sieg 2016 wartet.

Marchionne träumt weiter vom Titel

Trotzdem ist auch die Chefetage der Scuderia bemüht, nach Baku ein optimistisches Bild abzugeben. So spricht Teamchef Maurizio Arrivabene von einem "sehr guten Job" und lobt die Fortschritte, die nach einem schwierigen Freitag am Wochenende noch gelungen sind. Auch Ferrari-Präsident Sergio Marchionne erklärt bei 'RTL': "Ich denke, es war schon unglaublich knapp."

"Natürlich gibt es noch Arbeit am Auto zu erledigen. In Österreich werden wir sicherlich schon ein anderes Auto sehen. Wenn man aber genau hinschaut, dann waren wir auf den Medium-Reifen auch hier schon auf Augenhöhe. Es ist tatsächlich eine Frage von Reifenmanagement und Abtrieb, daran müssen wir arbeiten. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir da noch hinkommen. Die Saison ist noch komplett offen", gibt sich der Italiener kämpferisch.


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Sogar den WM-Titel möchte "Il Presidente" noch nicht komplett abschreiben. "Wenn man sich das heute anschaut, scheint es schwierig zu werden. Aber wenn man sieht, wie erfolgreich wir arbeiten, dann werden wir mal sehen, wie es am Ende der Saison ausschaut. Das Team versucht sein Bestes - lasst uns einfach kämpfen", so Marchionne. Doch wie realistisch ist dieses Ziel nach den ersten acht Saisonrennen wirklich noch?

Hat Ferrari das Siegen verlernt?

Fakt ist, dass Vettel in der WM aktuell 45 Zähler Rückstand auf Rosberg hat. Noch verheerender ist ein Blick auf die Siegbilanz: Rosberg gewann fünf Rennen, gemeinsam mit Teamkollege Lewis Hamilton war Mercedes sogar in sieben der acht Saisonrennen erfolgreich. Bei Ferrari und Vettel steht in dieser Hinsicht noch immer eine dicke Null. Den bis heute letzten Sieg holte der Heppenheimer 2015 in Singapur - vor neun Monaten.

Allerdings will der 28-Jährige nichts davon wissen, dass sein Team das Siegen verlernt hat. "Ich kam im vergangenen Jahr zum Team, und ich denke, dass es ein sehr starkes Team ist. Am Ende entscheidet die Mentalität darüber, ob man gewinnt oder nicht", erklärt Vettel, laut dem die Scuderia "ein Team voller Gewinner" ist. "Natürlich hat jeder die Ambition zu gewinnen. Manche schaffen es und manche nicht."


Fotostrecke: F1 Backstage: Baku

"Was dich wirklich zu einem Gewinner macht ist nicht nur der Fakt, dass du ein schnelles Auto hast. Es sind die Leute, die das Auto betreiben, und ich denke, dass wir in dieser Hinsicht ein sehr, sehr starkes Team haben", lobt der viermalige Weltmeister. Trotzdem muss sich Ferrari Kritik gefallen lassen. So gab es in dieser Saison durchaus bereits Chancen, ein Rennen zu gewinnen, doch im entscheidenden Moment konnte man nie zugreifen.

Mercedes kaum unter Druck

TV-Experte Glock glaubt trotzdem, dass die Roten Mercedes in dieser Saison noch einmal schlagen können. "Wenn Mercedes patzt oder man auf einer Rennstecke ist, wo Mercedes Probleme bekommt, zum Beispiel die Reifen auf Temperatur zu bekommen, wie das bei Ferrari gerade der Fall ist, das kann immer passieren", so der ehemalige Formel-1-Pilot, der allerdings trotzdem weiß, dass es nicht einfach werden wird.

"Gefühlt hat Mercedes in den letzten Jahren so viel gelernt, wo man Strecken hatte, wo man die Reifen nicht in das Temperaturfenster bekommen hat. Momentan kommt man zu den Strecken und ist perfekt vorbereitet. Von der ersten Runde an war Mercedes hier überlegen. Da hat Mercedes den Vorteil, man hat so viel in der Hinterhand. Nico ist heute eine Sekunde schneller gefahren als Ferrari und der Rest, da kann man sich das gut einteilen."


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"Man ist nie diesem Druck ausgesetzt, man müsse unbedingt etwas tun. Man hat immer genug in der Hinterhand, um einen Schritt nachzulegen. Daher wird sich Ferrari sehr schwer tun, dieses Loch bis Ende des Jahres aus eigener Kraft zu schließen", sagt Glock, der ein großes Problem aktuell im Qualifying sieht. Nur wenn man sich dort steigere, könne man "Mercedes vielleicht mal in der einen oder anderen Situation mehr ärgern."

Ferrari-Chassis deutlich zu schwach?

Teamchef Arrivabene weigert sich trotzdem, die aktuelle Saison bereits abzuhaken. "Es wäre verrückt, jetzt schon über das nächste Jahr zu sprechen", wehrt der Italiener Spekulationen ab, Ferrari würde sich bereits jetzt komplett auf 2017 konzentrieren. Ebenfalls interessant: Als aktuell größte Stärke nennt Arrivabene den Motor. Das wirft umso mehr die Frage auf, warum Ferrari auf der Powerstrecke Baku so klar das Nachsehen hatte.

"Wenn man sich die Topspeeds anschaut, dann kommt unser Vorsprung nicht von der Geschwindigkeit auf der Geraden. Dort gehören wir nicht zu den schnellsten Teams", bestätigt Mercedes-Teamchef Toto Wolff indirekt Arrivabenes Aussage. Der Österreicher erklärt, dass der Vorsprung in Baku "größer als erwartet" gewesen sei. Die von Arrivabene bestätigten Defizite an Chassis und Aero scheinen dementsprechend doch noch relativ groß zu sein.


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Europa


"Wir haben sicher noch etwas Arbeit vor uns, wenn wir sie auf jeder Strecke bei allen Bedingungen herausfordern wollen", gesteht daher auch Kimi Räikkönen. Der Finne hatte in Baku "nicht das einfachste Wochenende", das er am Ende mit Rang vier aber noch halbwegs gerettet hat. Der Finne, der in den ersten fünf Saisonrennen dreimal auf dem Podium stand, wartet mittlerweile seit drei Rennen auf einen weiteren Platz auf dem Treppchen.

In Österreich wieder stärker?

Die kommende Strecke in Spielberg dürfte ein ziemlich guter Indikator dafür sein, wie nah Ferrari mit seinem Antrieb tatsächlich an Mercedes dran ist. In den vergangenen beiden Jahren dominierte die Marke mit dem Stern in Österreich und fuhr jeweils einen Doppelsieg mit dem Werksteam ein, während Rang drei an das Kundenteam Williams ging. Kann die Scuderia in diesem Jahr dank dem verbesserten Motor ein Wörtchen mitreden?

"Wir hatten im vergangen Jahr ein gutes Rennen dort und haben uns nur am Ende ein bisschen die Zähne an den Williams ausgebissen und das Podium knapp verpasst", erinnert sich Vettel an 2015 zurück. "In dem Sinne haben wir noch etwas gutzumachen. Ich glaube, die Strecke sollte uns liegen. Ich freue mich ganz besonders, weil es in meiner Geschichte noch eine ganz besondere Rolle spielt", so der ehemalige Red-Bull-Pilot.

"Was das Auto angeht, haben wir da auch noch ein bisschen was Neues dabei und können Mercedes hoffentlich ordentlich unter Druck setzen", so der Deutsche. Niki Lauda erklärt derweil: "Das Wichtigste ist, dass da alles wieder neu startet. Ich fürchte, dass der Abstand, den Nico heute rausgefahren hat, dort nicht so groß sein wird. Das Rennen wird interessant." Wie interessant es wird, das hängt letztendlich zu einem großen Teil von Ferrari ab.

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