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  • 14.02.2016 17:40

  • von L. Barretto und A. Peacock (Haymarket)

Minardi, der Underdog aus der ersten Reihe

Vor zehn Jahren verließ der Name Minardi die Formel 1: Sein Gründer Giancarlo Minardi und Langzeit-Pilot Pierluigi Martini erinnern an große Taten

(Motorsport-Total.com) - Giancarlo Minardi lächelt, wenn er an den Großen Preis der USA 1990 zurückdenkt. Es war das einzige Rennen in 340 Formel-1-Starts, wo eines seiner Autos in der ersten Startreihe stand. "Ich hatte die größte Befriedigung im Starterfeld", sagt er. "Vor uns stand kein einziges Auto. Alles war frei."

Titel-Bild zur News: Pierluigi Martini

Sternstunde in Phoenix: Pierluigi Martini fährt den Minardi auf Startplatz zwei Zoom

Es war ein beeindruckender Erfolg für den Privatier, als der loyalste Fahrer des Teams, Pierluigi Martini, die Qualifying-Reifen von Pirelli ausnutzen konnte und Zweiter wurde. "Es gab einige gute Zeiten", sagt Martini. "Jeder erinnert sich daran, dass wir in Phoenix 1990 in der ersten Startreihe standen. Zwar sagen einige, dass die Qualifying-Reifen von Pirelli einen Anteil daran gehabt hätten, doch viele andere Fahrer und Teams hatten diese ebenfalls."

"Ich mochte diese amerikanischen Strecken, weil sie eher Stadtkurse waren, was dabei half, den Unterschied zwischen den Topautos und uns zu minimieren. Damals hatten wir ungefähr 150 PS weniger zur Verfügung als die Spitzenjungs. Wir hatten eigentlich keine Chance, auf Augenhöhe zu fahren." Martini konnte die Performance nicht in das Rennen retten und landete knapp außerhalb der Punkte auf Rang sieben - trotzdem war es bemerkenswert. Minardi hatte ein Ausrufezeichen gesetzt.

Während seiner 21-jährigen Formel-1-Zeit kämpfte das Team aus Faenza in den Sub-Apenninen von Emilia-Romagna hart, um das Beste aus den limitierten Ressourcen zu machen. Das Team rühmte sich damit, jungen Piloten eine Chance zu geben - Fernando Alonso, Giancarlo Fisichella, Jarno Trulli und Mark Webber sind nur eine Handvoll davon. Auch räumte man jungen Ingenieuren die Chance ein, in die Formel 1 einzusteigen. Viele von ihnen sind heute immer noch in der Serie aktiv.

Sternstunden Ende der 80er-Jahre

Nachdem man der Formel 2 entwachsen war, ging Minardi 1985 das Risiko Formel 1 ein. Die ersten Jahre waren schwierig, doch mit der Zeit fasste man Fuß und konnte 1988 ein gutes Chassis bauen. Mit Rang sechs verschaffte Martini dem Team in Detroit seinen ersten Punkt, somit war das Team auf Rang zehn erstmals im WM-Klassement gelistet.

Die Saison 1989 war ein weiterer Schritt nach vorne, denn dort gelang Minardi seine erste doppelte Punkteankunft. Schlüssel der Form war ein gewitzter Deal als Pirellis offizielles Team, weil man so viele Testkilometer für den Hersteller abspulen konnte. "In Silverstone waren wir Fünfter - eine Überraschung, weil wir dort nie schnell waren -, dann konnten wir in Portugal führen und beendeten die Saison mit Rang sechs in Australien", sagt Martini.

Ayrton Senna

Adelaide 1989: Martini hinter den McLaren, doch am Ende nur Rang sechs Zoom

"Es war ein verrücktes, vom Regen beeinflusstes Rennen, das das einzige in meiner ganzen Minardi-Karriere war, bei dem ich ehrlich sagen kann, dass wir eine echte Chance auf den Sieg hatten." Rückblickend fühlt Minardi, dass es auch eines war, das aus den Händen glitt. "Wir hatten wichtige Resultate, und mit ein bisschen mehr Glück hätten sie so sensationell wie Adelaide '89 werden können, wo wir die drittschnellste Zeit hinter (Nigel) Mansell und (Ayrton; Anm. d. Red.) Senna hatten", sagt er.

"Leider fing es an zu regnen, und die Regenreifen von Pirelli waren nicht konkurrenzfähig. Wir fielen auf Rang sechs zurück und holten lediglich einen Zähler. Daher bleibt auch das Bedauern über eine verlorene Möglichkeit, weil wir wirklich konkurrenzfähig im Trockenen waren."

Ferrari-Deal ein kostspieliges Wagnis

Durch die Ergebnisse von 1989 bot Ferrari Minardi einen Motorendeal für die Saison 1991 an. Minardi akzeptierte ihn, doch leider war im Deal nicht das semi-automatische Getriebe enthalten. "Das verursachte fundamentale technische Probleme, weswegen wir leider häufig durch kaputte Kupplungen ausfielen - auch wenn wir gerade erst aus der Box gefahren waren", sagt Martini.

"Trotzdem konnten wir zweimal Vierter werden, was Minardis bestes Ergebnis war. Das gibt einen Eindruck, was man mit dem Ergebnis vielleicht hätte erreichen können, denn der V12 von Ferrari war ein sehr guter Motor." Trotz der vielen technischen Defekte reichten die Ergebnisse, um am Ende die Bestmarke von Gesamtrang sieben von 19 Teams zu erreichen. Wäre das heutige Punktesystem bereits aktiv gewesen, dann wäre man zehnmal in die Punkte gefahren statt nur zweimal.

Für ein Privatteam mit begrenztem Budget war Minardi beeindruckend. Aber die Ferrari-Power hatte ihren Preis und trieb Minardis Motorenrechnung von 1,5 Milliarden Lire auf 11 Milliarden (von umgerechnet rund 800.000 Euro auf rund 5,7 Millionen). Im folgenden Jahr wechselte man zu Lamborghini, was allerdings einen Leistungsabfall und ein Fallen aus dem Mittelfeld mit sich brachte. Weil die Zukunft in der Formel 1 gefährdet war, ging man mit der BMS Scuderia zusammen.


Fotostrecke: Legendäre Formel-1-Teams a. D.

"Das war unvermeidbar. Wir waren zwei wichtige Teams", sagt Minardi. "Das Minardi-Team war technologischer, weil man seine Autos selbst herstellte." Aber die Partnerschaft hielt nicht lange. "Es hätte eine profitablere Hochzeit werden können, da die Scuderia Italia wichtiges Personal besaß, aber sie waren weniger leidenschaftlich als ich." Die Scuderia trat zurück und Flavio Briatore kam an Bord. "Bernie Ecclestone hatte das vorgeschlagen", sagt Minardi. "Wir erledigten gute Arbeit, bis er entschied, seine Anteile an Gabriele Rumi zu verkaufen, den ich sehr schätzte."

Minardi unter Druck: Paydriver und das Ende

Mittlerweile wurde der finanzielle Druck ziemlich groß und Punkte kamen nur noch sporadisch. Teams mit größerem Budget konnten das kleine italienische Team in der Entwicklung überflügeln und auch das Personal weglocken. Minardi hatte große Probleme mitzuhalten. "Es war unglaublich, gegen die Giganten zu kämpfen", sagt er. "Aber es war eine schwierige Phase. Meine Ingenieure, Mechaniker und Fahrer wurden regelmäßig von der Konkurrenz weggekauft, was uns das Leben ziemlich erschwerte."

Letztlich wurde die Belastung zu groß. Trotz seiner finanziellen Einschränkungen wollte das Team wenn möglich die Verpflichtung von Paydrivern vermeiden, doch 2000 knickte man ein und holte Gaston Mazzacane. Es sollte die letzte Saison mit Minardi an der Spitze werden, bevor der Italiener die Mannschaft an den Geschäftsmann Paul Stoddart verkaufte. Er blieb allerdings als Geschäftsführer an Bord. "Mir tat es leid, weil ich wusste, dass sich alles ändern würde", sagt er. "Aber ich hatte die moralische Verpflichtung, mich um meine 130 Angestellten und ihre Familien zu kümmern."

Minardi fuhr noch weitere sechs Jahre, bevor die Rollläden ein letztes Mal heruntergelassen wurden. "Ich bin stolz, weil es ein wundervolles Abenteuer war", meint sein Gründer. "Das Team hat seine Identität immer bewahrt. Auch heute haben wir noch aller zwei Jahre ein Treffen mit allen ehemaligen Mechanikern. Sie mögen mich sehr, und einige Ingenieure nutzen immer noch 'Die Minardi-Methode' in ihren Teams."

Jörg Haider, Patrick Friesacher und Paul Stoddart

Paul Stoddart verkaufte Minardi nach der Saison 2005 an Red Bull Zoom

Auch zehn Jahre nach der letzten Ausfahrt eines Minardi ist die italienische Mannschaft immer noch in bester Erinnerung. Und dass es drei der vier neuen Teams, die 2010 in die Formel 1 einsteigen wollten, sechs Jahre später nicht mehr gibt, unterstreicht, was Minardi geschafft hat. Martini sagt: "Minardi war nie ein Spitzenteam, aber es war ein sehr beliebtes, und ich fühle mich für all die Unterstützung ziemlich dankbar. Dass wir nach all den Jahren noch darüber reden, sagt doch einiges aus, oder?"