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  • 19.01.2016 15:03

  • von Ian Parkes (Haymarket)

Wieso Haas beim Formel-1-Debüt punkten kann

Nur eine Handvoll von neuen Formel-1-Teams konnte gleich bem Debüt punkten, und davon träumt auch Haas: Warum dieser Wunsch in Erfüllung gehen kann

(Motorsport-Total.com) - Es ist einfach, die Bestrebungen von Haas-Teamchef Günther Steiner zu schätzen. Als er neulich nach den Teamzielen für das Formel-1-Debüt in Australien am 20. März gefragt wurde, wich er nicht auf eine Sicherheitsantwort aus, sondern zielte direkt hoch an. "Wir würden es gerne in die Punkte schaffen", sagte Steiner. "Wenn wir es im Qualifying in Q2 schaffen, dann haben wir eine Chance auf Zähler. Das ist unser Ziel."

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Romain Grosjean und Gene Haas wären über Punkte sicher nicht unglücklich Zoom

Natürlich sind Steiners Worte mehr Hoffnung als wirkliche Erwartung. Doch selbst so einen Appetit zu versprühen, setzt das Team bereits unnötig unter Druck, bevor sich überhaupt ein Rad gedreht hat. Sicherlich ist es besser, nicht zu viel zu erwarten und dann mehr zu erreichen, als hochtrabende Ansprüche zu stellen und nicht heranzukommen, oder? Wenn es um Scheitern geht, dann gibt es keine rauere Sportwelt als die Formel 1, um die Schwäche eines Teams bloßzustellen.

Es genügt ein Blick in die Geschichte der Formel 1 um zu verstehen, wie schwierig die Aufgabe für einen Konstrukteur ist, einen Punkt bei seinem Debüt zu ergattern. Wenn man die 500-Meilen-Rennen von Indianapolis herausrechnet, bei denen es Formel-1-Punkte gab, und die Teams abzieht, die beim ersten Grand Prix 1950 angetreten waren, dann kommt man gerade einmal auf elf Mannschaften.

Punkte beim Debüt: Nur acht schafften es

Bedenkt man, dass Wolf, Red Bull und Brawn aus Hesketh, Jaguar und Honda hervorgegangen waren, dann bricht man die Liste auf nur jene acht Teams herunter, die wirklich von Null angefangen haben und punkten konnten. Übrig bleiben damit Ferrari (die nicht am ersten Rennen 1950 teilgenommen haben), BRM, Mercedes (die von 1954), March, Shadow, ATS, Sauber und Toyota. Letztere waren vor mittlerweile 14 Jahren die letzten, denen das gelungen war.

Das ist wirklich ein ziemlich elitärer Kreis, wenn man die Anzahl der Konstrukteure bedenkt, die es versucht haben und in den vergangenen sechseinhalb Jahrzehnten nicht zu Beginn glänzen konnten. Bei den letzten drei Anwärtern - Lotus, HRT und Virgin - hat das erste Rennen in Bahrain 2010 die Schwierigkeiten aufgezeigt. Nur eines von sechs Autos hatte überhaupt das Glück, die Zielflagge zu sehen - Heikki Kovalainen hatte am Ende zwei Runden Rückstand.

Mika Salo

Vor 14 Jahren war Toyota der letzte Neuling, der im ersten Lauf punktete Zoom

Doch die Probleme waren für das Trio damit nicht zu Ende. HRT stieg nach drei Saisons ohne Punkte wieder aus, und auch bei Lotus war die Geschichte ähnlich. Mit dem Namenswechsel zu Caterham schaffte man fünf Jahre, bevor man Ende 2014 gegen die Wand fuhr. Auch Virgin, später Marussia und Manor, konnte in seinen 111 Grands Prix über sechs Saisons nur einmal in die Punkte fahren.

Personell gut aufgestellt

In dieser harten Formel-1-Welt kämpft im Grunde jedes Team für sich, und häufig ist das einzig Entscheidende, wie viel Geld ein Team in sein Projekt schmeißen kann. Welche Chance besteht also, dass Steiners Hoffnungen wahr werden?

Zumindest gibt es mit Gene Haas einen Mann am Steuer, der den Motorsport versteht, auch wenn er in Sachen Formel 1 ein Neuling ist. Der 63-jährige Kalifornier stampft nicht zum ersten Mal ein Team aus dem Boden. Bereits 2002 hat er es mit seinem eigenen NASCAR-Team getan, bevor er im Jahr darauf in den Sprint-Cup einstieg. Er kennt die Fallen und Gefahren, selbst wenn sich NASCAR und Formel 1 am jeweils anderen Ende des Motorsport-Spektrums befinden. Haas hat zumindest das Wissen und die Erfahrung und kommt mit offenen Augen.


Haas-Team: Fortschritte beim Personal

Teamchef Günther Steiner freut sich über Fortschritte bei der Personalakquise und spricht darüber, was er von einem Mitarbeiter erwartet. Weitere Formel-1-Videos

Ihm zur Seite steht ein starkes technisches Aufgebot, das von Teamchef Günther Steiner, dem ehemaligen Technikchef bei Jaguar, angeführt wird. Der ehemalige Jaguar- und Red-Bull-Chefdesigner Bob Taylor hat auch die gleiche Rolle bei Haas inne, während Ben Agathangelou zum Chefaerodynamiker ernannt wurde. Wie Taylor hat auch Agathangelou zuvor bei Red Bull und Jaguar gearbeitet, sowie bei Renault, McLaren und Tyrrell. Das mögen zwar nicht die ganz großen Starnamen sein, wie etwa Adrian Newey oder Ross Brawn, aber zumindest gibt es einen bewiesenen Stammbaum, der unterstreicht, dass Haas zumindest auf einer verlässlichen Personalplattform beginnt.

Ferrari-Verbindung ein Plus

Der größte Coup war aber mit Sicherheit die Verbindung zu Ferrari, durch die Haas die aktuellen Power-Units der Scuderia bezieht. Im Gegensatz dazu wird Mit-Kunde Toro Rosso die Systeme der vergangenen Saison im STR11 fahren. Wenn man jetzt noch ein Ferrari-Getriebe sowie andere nicht gelistete Teile der Scuderia hineinwirft, die Haas clever für seine Zwecke ausgenutzt hat, dann muss man sich nicht wundern, wieso häufig vom Ferrari-B-Team gesprochen wird.

Diesen Spitznamen haben Haas und Steiner aber schnell abgelehnt, doch das werden sie in den kommenden Monaten wohl noch des Öfteren machen müssen. Mit so viel Ferrari an und im Auto wird Haas bei den Testfahrten in Barcelona wohl viele Blicke auf sich haben. Der potentielle Schlüssel zum Erfolg wird die Integration der Ferrari-Komponenten und des Chassis von Dallara, einem weiteren italienischen Hersteller, sein.

Gene Haas

Haas kann sich einer guten Verbindung zu Ferrari sicher sein Zoom

Damit hat Haas zumindest eine wichtige Hürde bereits genommen, als man am 8. Januar bekannt gab, dass das Auto den vorgeschriebenen Crashtest der FIA bestanden hat. Somit konnte man auch sicherstellen, dass es mit dem Chassis nicht in letzter Minute noch zu Kopfschmerzen kommt, bevor es zu den Testfahrten geht.

Zeitspiel könnte aufgehen

Ein weiterer wichtiger Faktor, der zugunsten von Haas gearbeitet hat, ist die Verzögerung des Einstiegs um ein Jahr, obwohl man von der FIA bereits im April 2014 grünes Licht bekommen hatte. Virgin, Lotus und HRT hatten jeweils nur sechs Monate Zeit, um fertig zu werden, was ein wichtiger Knackpunkt für die Probleme der drei Teams werden sollte. Vom Konzept bis zur ersten Ausfahrt auf die Strecke vergingen bei Haas 22 Monate. Selbst Haas sagte kürzlich, dass man noch freie Zeit zur Verfügung hatte, so lang war die Periode vor dem langersehnten ersten Auftritt des Teams.

Und schließlich wären da noch die Fahrer, bei denen Haas eher auf Erfahrung als auf einen großen Geldbeutel setzt, auch wenn nicht verschleiert werden kann, dass auch Romain Grosjean und Esteban Gutierrez beträchtliche Sponsoren mitbringen. Und obwohl beide jung und hungrig sind, sind beide doch bereits in der Formel 1 versiert - auch wenn Gutierrez nach seinem Jahr auf dem Abstellgleis und zwei schwierigen Jahren bei Sauber noch mehr zu beweisen hat.

Wenn man alle genannten Zutaten zusammenmischt, dann könnte sich Steiners Hoffnung auf Punkte beim Debüt doch als mehr als nur ein Luftschloss erweisen.