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Aus der Erde gestampft: Ein McLaren-Angestellter erinnert sich

Über die "schmutzigen" Anfänge des renommierten Formel-1-Rennstalls McLaren weiß dessen dritter Angestellter Howden Ganley zu berichten

(Motorsport-Total.com) - Die hochmoderne Fabrik in Woking ist im Motosportumfeld einzigartig, die rund 660 Mitarbeiter wissen, was zu tun ist, und auf den Böden sieht man keinen Schmutzfleck: Trotz momentaner Krise bleibt McLaren eine Hausnummer in der Formel 1. Das weiß man nach außen hin auch stets zu präsentieren. Doch auch die britische Motorsport-Elite fing einmal ganz "dreckig" an. Daran erinnert sich der dritte Angestellte, der für Bruce McLarens ambitioniertes Projekt herangezogen wurde.

Titel-Bild zur News: McLaren 1966

Das McLaren-Team bei seinem Grand-Prix-Debüt in Monaco 1966 Zoom

Der Gründer und Namensgeber des Formel-1-Teams war Anfang der 1960er-Jahre bestrebt, sich sein eigenes Auto für seine Rennfahrer-Träume zu stellen. Dafür holte er sich die Mechaniker Wal Willmott und Tyler Alexander an Bord und ließ sich von den Journalisten Eoin Young beraten. Dieser bestellte auch Howden Ganley in sein "Büro" - das erste Treffen fand in Youngs Wohnzimmer in New Malden, nahe London statt. "Beeindruckender" als die zu Verhandlungen dienenden Privaträume muss nur die erste Werkstatt gewesen sein, in der McLarens Motorsportträume umgesetzt werden sollten.

"Ich hatte in England zuvor schon viele einfache Werkstätten gesehen, aber dies muss die am spärlichsten eingerichtete gewesen sein", berichtet Ganley aus seinen Erinnerungen. "Es war ein recht großes Fertighaus, das voller Erdbaumaschinen stand. Wenn man sich seinen Weg durch die Geräte erkämpft hatte, erreichte man einen höchsten zehn Meter langen Bereich. Der Boden bestand aus nichts als Erde."

Einfache Verhältnisse

"Es gab eine etwa 2,5 Meter lange Werkbank, die mit einer kleinen Standbohrmaschine, einem Schraubstock und ein paar Sauerstoffflaschen für den Schweißbrenner ausgestattet war. Es gab kein Chassis-Gestell, aber eine Holzkiste, die den Zweck erfüllte. Das Gebäude in Wellington Crescent steht bis heute und beheimatet jetzt einen Bau-Großmarkt."

Ganley bekam im noch spärlich besetzten Team gleich zu Anfang die damals schon übliche Härte der Motorsportwelt zu spüren. Der geschickte Mechaniker kam zunächst nicht über einen Laufburschen-Status hinaus, fegte die Werkstatt und erledigte Botengänge. Einer davon brachte aber nicht nur die Wende in seiner Karriere. Es zeigt auch auf, wie einfach die Verhältnisse vor fünf Jahrzehnten noch sein konnten.

"Ich sollte zu der Fabrik von Cooper fahren, um dort einige Meter an Metallrohren zu besorgen.", so Ganley. "Ich sollte sie dort zuschneiden und dann zurück nach New Malden bringen. Dort sollte aus ihnen ein Chassis-Gestell gemacht werden, damit das Holz-Modell ersetz werden konnte. Als ich zurückkam, waren Wal und Tyler nicht mehr da. Da entschied ich, dass ich das Gestell auch gut selbst hinbekommen würde. Ich schnitt, feilte, passte an und schweißte. Das dauerte eine Weile und ich fuhr spät nach Hause. Als Bruce, Wal und Tyler am nächsten Morgen meine Arbeit sahen, folgte auf ihre gründliche Überprüfung nur die Frage: 'Wer hat das gemacht?'"


Fotostrecke: Weiß, Orange, Chrom: McLaren F1-Designs

Vom Laufburschen zum akzeptierten Teammitglied

Seiner Akzeptanz als vollwertiges Mitglied in dem Team, das später einmal große Erfolge feiern sollte, stand ab da nichts mehr im Weg: "Nachdem ich sie überzeugen konnte, dass es meine eigene Arbeit gewesen war, hieß es: 'Du hast uns nie gesagt, dass du so gut schweißen kannst'. Danach war ich nicht länger der Laufbursche, sondern Konstrukteur."

Ganley war aber mehr als das - er war auch Rennfahrer. Von 1971 an trat er selbst in der Formel 1 an, konnte in 35 Rennen aber nur 10 WM-Punkte einfahren.

Howden Ganley

Howden Ganley ist heute noch ab und zu bei McLaren anzutreffen Zoom

Das Team McLaren nahm 1966 zum ersten Mal an einem Formel-1-Grand-Prix teil. Es dauerte drei Jahren, bis der erste Sieg eingefahren wurde. Team-Gründer Bruce McLaren kam 1970 bei Testfahrten ums Leben und konnten den ersten WM-Titel seines Teams, eingefahren von Emerson Fittipaldi, nicht mehr miterleben. Es sollten noch sieben weitere Konstrukteurs- und 11 zusätzliche Fahrertitel folgen. Anfang Januar 2016 verstarb auch Tyler Alexander.