powered by Motorsport.com

2014: Ein Russland-Grand-Prix für die Ewigkeit

Historisches erstes Formel-1-Rennen in Russland: Mercedes macht eine Woche nach dem schweren Unfall von Jules Bianchi seinen ersten WM-Titel perfekt

(Motorsport-Total.com) - Der 12. Oktober 2014 ist ein historisches Datum in der Geschichte der Königsklasse: Nachdem 1913 und 1914 jeweils ein Grand Prix in Sankt Petersburg ausgetragen wurde, macht genau 100 Jahre später die Formel 1 erstmals Station in Russland - genauer gesagt in Sotschi. Rund 260 Millionen Euro hat sich Präsident Wladimir Putin die von Hermann Tilke entworfene Piste kosten lassen, die auf dem Gelände der Olympischen Winterspiele 2014 entstanden ist.

Titel-Bild zur News: Mercedes

Job erledigt: Mercedes krönt sich erstmals zum Konstrukteurs-Weltmeister Zoom

Während im Februar des Jahres noch Athleten aus aller Welt in Sotschi zu Gast waren, begrüßt die Region acht Monate später erstmals den Formel-1-Zirkus am Schwarzen Meer. Unter einem guten Stern steht der erste Besuch der Königsklasse allerdings nicht: Die Ukraine-Krise und die damit verbundene Kritik an Staatschef Putin sorgen dafür, dass Kritiker im Vorfeld eine Absage des Rennens fordern.

Bernie Ecclestone macht die öffentliche Kritik an der "Propagandaveranstaltung", wie sie teilweise bezeichnet wird, allerdings wenig aus. "Ich sehe kein Problem, wir haben mit Politik nichts zu tun", winkt der Formel-1-Boss im Vorfeld des Rennens bereits ab. "Herr Putin hat uns enorm unterstützt und war sehr hilfsbereit. Jetzt werden wir das Gleiche tun. Unseren Vertrag werden wir zu 100 Prozent einhalten."

In Gedanken bei Bianchi

Weil auch die Teams mitziehen und größere Proteste ausbleiben, kann die Premiere letztendlich wie geplant über die Bühne gehen. Trotzdem ist die Stimmung extrem gedrückt, als Teams, Fahrer und Journalisten in der Woche vor dem Rennen an der neuen Strecke eintreffen. Noch immer steckt der Schock über den Unfall von Jules Bianchi beim Großen Preis von Japan den meisten Beteiligten in den Knochen.

Jules Bianchi

Emotional: Die Piloten versammeln sich um den Helm von Jules Bianchi Zoom

Der Franzose ist nur wenige Tage zuvor in Suzuka schwer verunglückt und ins Koma gefallen. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnt: Bianchi wird nie wieder aufwachen. Während das Marussia-Team sein Auto aus Respekt gegenüber dem 25-Jährigen für dieses Rennen nicht neu vergibt, zeigt sich auch der Rest der Formel-1-Welt solidarisch mit Bianchi und seiner Familie.

An vielen Autos und Helmen befindet sich Botschaften, die an Bianchi erinnern, und vor dem Start des Rennens versammeln sich alle Piloten in einem emotionalen Moment auf der Start/Ziel-Geraden um den Helm von Bianchi herum. Auch die Fans denken in diesen schweren Tagen an Bianchi. Die Botschaft "#ForzaJules" ist nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch an der Strecke allgegenwärtig.

"Wenn ich mich ins Auto gesetzt habe, dann dachte ich an Jules und seine Familie." Lewis Hamilton

Mercedes gnadenlos

Obwohl der sportliche Aspekt angesichts der Umstände teilweise in den Hintergrund gerät, müssen die Fahrer auch an diesem Wochenende wieder ganz normal ihren Job machen. Schließlich markiert der Große Preis von Russland das viertletzte Rennen der Saison 2014, die sich damit bereits auf der Zielgeraden befindet. Ein besonderes Wochenende kann es für Mercedes werden: Die Silberpfeile liegen nach einem weiteren Doppelerfolg in Suzuka in der Konstrukteurs-WM satte 190 Punkte vor Red Bull.

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Unschlagbar: Mercedes feiert bereits den neunten Doppelerfolg der Saison 2014 Zoom

Damit steht fest: Mercedes kann bereits an diesem Wochenende den Titel unter Dach und Fach bringen - trotz der doppelten Punkte, die im letzten Saisonrennen in Abu Dhabi vergeben werden. Tatsächlich läuft für die Silberpfeile alles nach Plan, vor allem für Lewis Hamilton. Der WM-Spitzenreiter muss Teamkollege Nico Rosberg im ersten Training zwar noch den Vortritt lassen, anschließend entscheidet er aber jede weitere Session des Wochenendes für sich.

Erwartungsgemäß gehen Hamilton und Rosberg von den Positionen eins und zwei ins Rennen, während die Red-Bull-Piloten Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel nicht über die Startplätze sechs und zehn hinauskommen. Ohnehin haben die Bullen nur noch eine mathematische Chance auf den WM-Titel. Für Aufsehen sorgt stattdessen ein anderer Pilot aus dem Red-Bull-Lager.


Fotostrecke: Track-Run in Sotschi

Putin überreicht die Pokale

Lokalmatador Daniil Kwjat, in Suzuka offiziell als Nachfolger von Vettel bei den Bullen für die Saison 2015 bestätigt, rast in seinem Toro Rosso im Qualifying auf einen sensationellen fünften Startplatz und lässt damit beide Red Bulls hinter sich. Für den 20-jährigen Rookie ist es ausgerechnet bei seinem Heimspiel der beste Startplatz seiner noch jungen Formel-1-Karriere.

Wladimir Putin

Chefsache: In Russland ist Präsident Wladimir Putin natürlich mit auf dem Podium Zoom

Im Rennen kann der Russe seine starke Position allerdings nicht halten. Unter den Augen von Putin wird er bis auf Rang 14 durchgereicht. Der russische Präsident gibt sich am Renntag persönlich die Ehre, um sein Prestigeprojekt einmal aus der Nähe zu betrachten. Der umstrittene Staatschef sieht sich gemeinsam mit Ecclestone das Rennen an und überreicht später auf dem Podium auch die Siegerpokale. Sein öffentlicher Auftritt sorgt für überdurchschnittlich hohe Sicherheitsmaßnahmen rund um die Anlage.

Auf der Strecke wird schnell klar, dass Putin an diesem Tag wohl Hamilton gratulieren wird. Der Brite gewinnt den Start gegen Rosberg und legt in den folgenden 53 Runden einen klassischen Start-Ziel-Sieg hin. Für Hamilton ist es bereits der vierte Erfolg in Serie, Rosberg bleibt wieder einmal nur Rang zwei. In der Fahrer-WM liegt der Deutsche nun bereits 17 Punkte hinter seinem Teamkollegen.

"Herr Putin hat uns enorm unterstützt und war sehr hilfsbereit. Jetzt werden wir das Gleiche tun." Bernie Ecclestone

Marussia und Caterham verabschieden sich

Viel wichtiger ist der neunte Mercedes-Doppelerfolg des Jahres aber aus einem anderen Grund: Mit nun 223 Punkten Vorsprung auf Red Bull haben die Silberpfeile den Titel in der Konstrukteurs-WM bereits drei Rennen vor Saisonende in der Tasche. Für das Traditionsteam ist es der erste Herstellertitel in der Königsklasse überhaupt. Zwar wird in der Mercedes-Box anschließend gefeiert, wirklich gelöst ist die Stimmung allerdings nicht.

Max Chilton, Jules Bianchi

Marussia fährt in Sotschi für Jules Bianchi - und zum vorerst letzten mal in der Formel 1 Zoom

"Natürlich ist das Team froh und glücklich, aber immer, wenn ich mich ins Auto gesetzt habe, dann dachte ich an Jules und seine Familie", verrät Hamilton nach seinem Sieg, den er Bianchi widmet. Für die Mitarbeiter des Marussia-Teams wird es in den Tagen nach dem Rennen sogar noch dicker kommen: Rund zwei Wochen später meldet das finanziell angeschlagene Team Insolvenz an.

Für Marussia ist damit ausgerechnet das Heimspiel der vorerst letzte Grand Prix. Erst 2015 kann das Team von einem neuen Geldgeber gerettet werden und unter dem Namen Manor-Marussia wieder an den Start gehen. Ein Abschied auf Raten beginnt nach dem Rennen in Sotschi auch beim zweiten Hinterbänklerteam: Caterham geht zwar nach zwei Rennen Pause beim Saisonfinale in Abu Dhabi noch einmal an den Start, anschließend ist allerdings endgültig Schluss mit der Formel 1.