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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Pirelli-Sportchef Paul Hembery kann nach dem Vettel-Reifenplatzer in Spa keine ruhige Nacht gehabt haben und sollte nun den Formel-1-Ausstieg empfehlen

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Der Reifenplatzer von Sebastian Vettel war das Thema beim Grand Prix von Belgien Zoom

Liebe Leser,

Pirelli und die Formel 1, das wird in diesem Leben wohl keine große Liebesgeschichte mehr. Beim Grand Prix von Belgien bereitete gestern Sebastian Vettel dem Sportchef des Reifenherstellers, Paul Hembery, eine schlaflose Nacht. Einerseits sicher wegen des nächsten Reifenplatzers bei mehr als 300 km/h, andererseits aber auch wegen seines anschließenden Wutausbruchs.

Die Qualität der Pirelli-Reifen sei "miserabel", tobte Vettel vor einem Millionenpublikum, und das gehe "jetzt schon seit Jahren" so: "Das kann nicht sein. Ich weiß nicht, worauf wir noch warten." Er fühle sich "verarscht". Harter Tobak ausgerechnet in einer Zeit, in der sich neben Pirelli mit Michelin noch ein weiterer Reifenhersteller um den Formel-1-Vertrag bewirbt. So hart, dass auch Bernie Ecclestones alte Weisheit, wonach jede Publicity gute Publicity ist, in diesem Fall wohl nicht mehr gilt.

Ob Pirelli nun eine falsche Empfehlung ausgesprochen hat, wie Vettel behauptet, oder ob Ferrari mit nur einem Boxenstopp einfach zu viel wollte, lässt sich von außen schwierig beurteilen. Tut in Wahrheit auch wenig zur Sache. Denn die Quintessenz von Spa-Francorchamps ist der Eindruck, der haften bleibt. Wieder einmal. Und der lautet: Pirelli kann keine guten Reifen bauen. Und noch schlimmer: Pirelli kann keine zuverlässigen Reifen bauen.

Ein unfaires Urteil, zu harsch und oberflächlich betrachtet? Sehr wahrscheinlich ja. Aber das Millionenpublikum in der Formel 1 neigt dazu, sich herzlich wenig mit Details auseinanderzusetzen, sobald das Rennen beendet und der Fernseher abgeschaltet ist. Diejenigen, die auf Fachportale wie unseres gehen und Pirellis Erklärungen interessiert wahrnehmen, sind in der Minderheit. Was eigentlich nur zu einer Schlussfolgerung führen kann.

Pirelli muss aus der Formel 1 aussteigen! Jetzt. Selbst wenn die italienische Firma die besten Reifen der Welt entwickeln würde, wäre das Engagement in der Königsklasse nicht mehr zu retten. Nach Silverstone 2013 musste man beweisen, dass es nicht üblich ist, dass Pirelli-Reifen reihenweise platzen, und somit war es nur logisch, damals zu bleiben. Das ist einigermaßen gut gegangen. Aber jetzt muss Hembery auf seine letzte schlechte Nacht reagieren und seinen Vorständen empfehlen, den Stecker zu ziehen.

Vom ersten Rennen an, Australien 2011, hatte Pirelli einen schlechten Ruf. Während die Bridgestones fast beliebig rangenommen werden konnten, bauten die Pirellis schon nach ein paar schnellen Runden teilweise dramatisch ab. Dass das ein expliziter Wunsch der Formel-1-Verantwortlichen war, um ein zusätzliches Spannungsmoment zu schaffen, interessierte die Fahrer wenig. Und auch wenn die Kritik mit der Zeit leiser wurde, ganz verpufft ist sie nie.

Paul Hembery

Pirelli-Sportchef Paul Hembery ist momentan nicht zu beneiden Zoom

In Le Mans traf ich dieses Jahr einen ehemaligen Formel-1-Fahrer. Während das 24-Stunden-Rennen lief, saßen wir zum Abendessen zusammen. Zwischendurch fragte ich, wie er den Vergleich zwischen den Formel-1-Pirellis und den Le-Mans-Michelins beschreiben würde. Früher durfte er über Pirelli nicht lästern, jetzt kann er sich alles frei von der Leber reden. Nach kurzem Nachdenken sagte er grinsend: "Weißt du, jetzt habe ich endlich wieder echte Reifen." Implizierend, dass das in der Formel 1 nicht der Fall war.

Ganz egal, was in der Formel 1 geändert werden soll: Hembery und Pirelli jammern (zumindest subjektiv betrachtet) ständig rum, sie benötigen mehr Testfahrten und mehr Zeit, um dies und jenes erreichen zu können. Verständlich. Aber der direkte Vergleich mit Michelin schmeichelt nicht. Denn die Franzosen jammern nicht, sondern wollen sich am liebsten einem direkten Wettbewerb stellen, technologische Forschung betreiben. Und ihren guten Ruf aus Le Mans in die Formel 1 mitnehmen.

Wenn man an Michelin und Le Mans denkt, dann kommen einem Reifen in den Sinn, die bis zu fünf Stints am Stück schaffen. Man denkt an den unglaublichen "Regen-Slick", eine im Motorsport einmalige Innovation. Wenn man an Pirelli und die Formel 1 denkt, fällt einem sofort Silverstone ein. Nico Rosbergs Reifenschaden am Freitag, bei Tempo 306, den sich seine schwangere Frau Vivian schockiert im Fernsehen anschauen musste. Und jetzt eben die Kritik von Vettel. Ob berechtigt oder nicht, ist sekundär. Es ist so.

Es ist an der Zeit, es gut sein zu lassen. Damit Paul Hembery wieder ruhig schlafen kann. In diesem Leben wird Pirelli sein Image in der Formel 1 nicht mehr retten können. Vielleicht im nächsten. Ich bin fest davon überzeugt, dass Pirelli ganz hervorragende Straßenreifen produziert. Aber wenn die Michelins an meinem Privat-PKW einmal runtergefahren sind, werde ich trotzdem nicht auf Pirelli wechseln. Und Sie?

Ihr

Christian Nimmervoll

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