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  • 22.08.2015 21:37

  • von Dieter Rencken, Roman Wittemeier & Dominik Sharaf

Rosberg Reifenschaden: Indizien, Theorien und kein Beweis

Pirelli hat den Reifenplatzer an Nico Rosbergs Mercedes im Formel-1-Training in Spa genau analysiert: Es gibt eine Theorie, aber keine Gewissheit - Fahrer mit leichten Sorgen

(Motorsport-Total.com) - Nico Rosberg erlebte im zweiten Freien Training zum Formel-1-Grand-Prix in Belgien am Freitag eine Schrecksekunde. Der Mercedes-Pilot war mit Tempo 306 km/h auf der Zufahrt zur schnellen Blanchimont-Kurve, als plötzlich der rechte hintere Reifen regelrecht explodierte. Sofort war die Szene an Silverstone 2013 erinnert, wo damals reihenweise fragile Pirelli-Pneus kollabierten. Der italienische Reifenlieferant startete eine genaue Analyse des Rosberg-Zwischenfalls.

Titel-Bild zur News: Pirelli

Pirelli nahm sich nach dem Zwischenfall alle Reifen vor: Keine Auffälligkeiten entdeckt Zoom

Pirelli-Spezialisten schauten sich nicht nur den defekten Rosberg-Reifen an, sondern sie untersuchten auch alle anderen Pneus, die von den Formel-1-Teams am Freitag in Spa-Francorchamps gefahren worden waren. Das Ergebnis: An keinem einzigen waren Beschädigungen an Lauffläche oder Struktur zu erkennen. Am Ende zog man den Schluss, dass ein äußerer Einfluss eine Vorschädigung des Reifens verursacht haben muss. Dafür sprechen zahlreiche Indizien, Beweise dafür gibt es aber nicht.

Weil es keine belegbare Erklärung für den Zwischenfall gibt, haben die Piloten leichte Sorgen bezüglich der Sicherheit. Sebastian Vettel brachte das Thema bei der Fahrerbesprechung vor. "Ich wollte einfach wissen, was los ist. Darum habe ich meine Hand gehoben und nachgefragt. Die Antwort, die wir heute Morgen von Pirelli und Mercedes bekommen haben, ist in Ordnung. Wir müssen damit leben. Natürlich hoffen wir alle, dass morgen alles gut geht", so der Heppenheimer.

Kein Schleifen am Mercedes-Bodywork

"Pirelli hat über Nacht mit unseren Ingenieuren zusammengearbeitet, um zu verstehen, was los war. Das Ergebnis war, dass ein kleines Teil in den Reifen gekommen sein muss", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Wir haben die Reifen in der Session am Morgen überprüft. Wir haben verschiedene Bereiche des Bodyworks markiert, um zu schauen, ob es den Reifen berührt. Doch wir konnten nicht erkennen, dass so etwas der Fall war."

"Es gibt die Theorie, dass irgendwas von außen in den Reifen geschnitten hat. Das ist aber nicht bewiesen. Es gibt noch Ungewissheit. Daher ist das schon für uns alle noch eine Sorge. Ich hoffe, dass so etwas nicht noch einmal passiert", sagt Rosberg, der nur durch großes Glück nirgends eingeschlagen war. "Wenn ich im Auto sitze, dann habe ich keine Sorge. Wenn ich aber nicht im Auto bin, dann denke ich noch daran. Ich werde schauen, ob wir noch weitere Vorkehrungen treffen können, um mehr Sicherheit zu haben. Zum Beispiel über Kameras."

Nico Rosberg

Nico Rosberg hatte Glück: Trotz Tempo 306 km/h ist beim Unfall nichts passiert Zoom

"Gestern hat man auf einer Onboard das Problem erkennen können, sogar schon lange bevor der Reifen explodiert ist. Mal schauen, ob wir da nicht noch mehr machen können", sagt der Mercedes-Pilot. "Die Drähte sind an der Seite herausgekommen, ohne dass ein Loch im Gummi war. Da fehlte nicht irgendwie ein großes Stück oder so - man sah nur die Drähte. Das war sehr verwunderlich. Es deutet alles darauf hin, dass irgendetwas derart tief in den Reifen geschnitten hat, sodass diese Fäden durchtrennt wurden."

McLaren unterstützt bei Ursachensuche

"Es ist nie schön, so etwas mit ansehen zu müssen", meint Jenson Button. "Wir hatten in der Vergangenheit schon mal Probleme mit den Reifen (Silverstone 2013; Anm. d. Red.). Ich glaube, er hatte extrem viel Glück, dass er nicht in die Barrieren eingeschlagen ist. Wäre der Reifenplatzer nur ein wenig früher oder später passiert, wäre es ganz anders ausgegangen." Rosberg wurde von dem Reifendefekt "komplett überrascht" und war nur noch Passagier.

"Anhand der Informationen, die uns vorliegen, hat man bei Pirelli sehr gute Arbeit geleistet, um der Sache auf den Grund zu gehen. Den Informationen des Reifenlieferanten müssen wir natürlich vertrauen. Wir hoffen, dass es eine externe Ursache war. Welche, wissen wir aber nicht", sagt Button, dessen Team McLaren Pirelli bei den Untersuchungen am Samstagabend unterstützte. "In diesem Zusammenhang bieten wir ihnen auch unsere Hilfe an, soweit das möglich ist. Schließlich gibt es auch in unserer Firma Reifenspezialisten", erklärt McLaren-Teamchef Eric Boullier.


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Belgien


Die Formel-1-Vollgashelden werden die Gedanken an mögliche weitere Schäden im Rennen verdrängen. "Es gibt keine angezogene Handbremse. Beim Fahren denke ich überhaupt nicht daran", stellt Rosberg klar, dass der Freitag im Getümmel des Rennens keine Rolle mehr spielen wird. Mercedes hat unterdessen Sturzwerte und Reifendrücke angepasst, um noch mehr Sicherheit zu erzeugen. "Das ist für das Qualifying schlechter, aber für das sogar Rennen besser. So hat man weniger Verschleiß", erklärt Rosberg.