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Tag der Entscheidung: Steigt Renault als Herstellerteam ein?

Wie Cyril Abiteboul und Alain Prost Renault-Boss Carlos Ghosn vom Formel-1-Comeback überzeugen wollen und warum eine Entscheidung nun fallen muss

(Motorsport-Total.com) - Kehrt Renault als Herstellerteam in die Formel 1 zurück, oder steigt man aus? Diese Frage steht heute beim Gipfeltreffen der Renault-Granden Carlos Ghosn (Konzernboss), Cyril Abiteboul (Formel-1-Geschäftsführer) und Alain Prost (Berater) im Mittelpunkt. Und dann könnte alles ganz schnell gehen, denn die FIA hat die Deadline für eine Einschreibung für die Saison 2016 oder 2017 vom 30. Juni auf den 30. Juli verschoben.

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Die Lotus-Finanzprobleme bringen auch Renault unter Zeitdruck

Abiteboul und Prost sind die Initiatoren der Werksteam-Idee. Sie werden Ghosn einen Plan vorlegen, wieso die Übernahme des Lotus-Rennstalls Sinn ergibt. Und in welcher Art und Weise. Auch hier drückt die Zeit, denn das Team aus Enstone hat wieder einmal massive finanzielle Probleme. In Ungarn stand man am Freitagmorgen sogar ohne Reifen da, weil man zahlungsunfähig war. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' hat Genii-Manager Eric Lux die Rechnung dann mit seinem Privatgeld beglichen. Zudem hat Lotus-Geschäftsführer Matthew Carter bei Bernie Ecclestone um Vorauszahlungen der TV-Gelder angefragt.

Warum Renault mit seiner Rolle als Antriebshersteller unzufrieden ist, ist klar: Die Franzosen hinken seit der Reglement-Revolution im Vorjahr bei den V6-Turboantriebseinheiten in Sachen Entwicklung und Zuverlässigkeit deutlich hinterher und mussten harte Kritik von Partner Red Bull einstecken.

Renault muss Image aufbessern

"Man muss sicherstellen, dass die Gewinne größer sind als die Risiken und all das Negative", spielt Abiteboul gegenüber 'Motorsport.com' auf die Schelte durch den Partner an. "Deswegen müssen wir unsere Herangehensweise verändern: Die Balance von Gewinn und Verlust - finanziell, aber auch in Sachen Image - ist nicht gut genug."

Carlos Ghosn

Renault-Boss Carlos Ghosn entscheidet über die Formel-1-Zukunft des Konzerns Zoom

Selbst in den Erfolgsjahren mit Red Bull fühlte sich der französische Konzern zu wenig wahrgenommen - damals sorgten das Wunderteam um Adrian Newey sowie Senkrechtstarter Sebastian Vettel für die Schlagzeilen.

"Bei allem, was wir in Zukunft in der Formel 1 machen wollen, werden wir viel mehr Kontrolle haben", kündigt Abiteboul an.

Lotus-Übernahme: Bleibt Genii an Bord?

Tatsächlich haben Abiteboul und Prost in den vergangenen Wochen Pakete geschnürt, die Renault in der Formel 1 wieder zum Erfolg führen sollen. Auch wenn Abiteboul gegenüber 'Sky Sports F1' kryptisch bleibt: "Wenn Lotus eine Option ist, dann warum nicht? Aber es ist nicht die einzige Option." Laut 'auto motor und sport' soll als zweite Option die Neugründung des Teams sein. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' soll ein möglicher Deal erst im September bekanntgegeben werden.

Ghosn gilt generell als Sparmeister. Eine Strategie, die sich schon bei den Antriebseinheiten rächte, denn Mercedes hat sich die heutigen Erfolge auch mit deutlich höheren Investition als die Franzosen erkauft. Übernimmt man Lotus, würde Genii-Boss Gerard Lopez gerne an Bord bleiben. Der Plan: Der Luxemburger behält bis 2020 20 Prozent der Anteile am Rennstall. Renault müsste allerdings den Schuldenberg, der Großteils auf Genii-Krediten basiert, abzahlen.

"Wenn Lotus eine Option ist, dann warum nicht? Aber es ist nicht die einzige Option." Cyril Abiteboul

Daher gilt auch die Variante, zwar die Einrichtungen in Enstone, nicht aber die Firma selbst zu übernehmen, als Option. Zudem erhofft man sich Sonderzahlungen durch Ecclestone - und einiges deutet darauf hin, dass der Formel-1-Boss diese gewähren würde. Diesbezüglich "würden sie die gleichen Bedingungen vorfinden wie Mercedes", sagt der Brite gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

Renault hofft auf Ecclestone-Gelder

Durch die zwei WM-Titel 2005 und 2006 durch Fernando Alonso würden laut 'auto motor und sport' zusätzliche zwölf Millionen Dollar in die Teamklasse gespült werden, holt man in den kommenden Jahren zwei aufeinanderfolgende WM-Titel, dann gäbe es dazu noch 33 Millionen Dollar extra. Auch Piloten wie Pastor Maldonado oder Sergio Perez, die viel Mitgift mitbringen, gelten bei Renault als durchaus attraktive Möglichkeit, etwas Geld zu sparen.

Doch würde Renault die Zusatzgelder vom FOM-Anteil der Formel-1-Einnahmen oder vom Team-Anteil beziehen? "Von unserem Stück", stellt Ecclestone klar. Einen Fixplatz in der Strategiegruppe, in der derzeit Teamvertreter von Ferrari, Mercedes, Red Bull, McLaren Williams sowie dem besten verbleibenden Team in der Konstrukteurs-WM des Vorjahrs sitzen, würde man aber nicht erhalten. "Das hängt davon ab, wo sie in der Meisterschaft liegen", spielt der 84-Jährige darauf an, dass man sich nur über den variablen Platz qualifizieren könnte.

Was wird aus Red Bull?

Noch ist nicht komplett klar, wann Renault als Werksteam in die Formel 1 zurückkehren würde - bereits 2016 oder erst 2017? Bis Ende des kommenden Jahres ist man vertraglich als Motorenlieferant an Red Bull und Toro Rosso gebunden. "Die Lösungen, die wir entwickeln, drehen sich eher um 2017 als um 2016", meint Abiteboul. "Aber wenn 2016 ein Übergangsjahr sein muss, dann müssen wir etwas dafür entwickeln. Wir sollten aber 2017 nicht verspielen, indem wir übereilt auf 2016 reagieren."

Cyril Abiteboul, Christian Horner

Abiteboul und Red-Bull-Teamchef Horner: Konfliktpotenzial ist weiterhin gegeben Zoom

Damit gerät man erneut in Konflikt mit Red Bull, denn das einstige Weltmeisterteam fährt nach eigenen Ambitionen schon viele zu lange der Spitze hinterher. "Sie hätten gerne gestern Erfolg", spürt der Franzose die Ungeduld des österreichischen Partners. "Wir denken aber langfristig."

Ein vorzeitiges Ende der Partnerschaft - Red Bull wurde für die kommende Saison bereits mit einem Wechsel auf Mercedes-Motoren in Zusammenhang gebracht - wird laut Abiteboul nicht angedacht: "Unser Vertrag läuft bis nächstes Jahr, wir müssen also miteinander leben, auch wenn es schwierig ist. Ich hoffe, dass wir auf Basis unserer gemeinsamen Errungenschaften der vergangenen Jahre klüger als zuletzt sind und die Trennung auf cleverer Art und Weise hinkriegen."