Lowdons Erinnerungen an Bianchi: "Unglaubliche Zeit"

Manor-Marussia-Geschäftsführer Graeme Lowdons emotionaler Auftritt bei der FIA-Pressekonferenz am Ungarn-Freitag: "Nicht auf den Verlust konzentrieren"

(Motorsport-Total.com) - Die Pressekonferenz der Teamverantwortlichen am ersten Trainingstag zum Grand Prix von Ungarn war eine emotionale Angelegenheit. Anstelle des angekündigten Ferrari-Teamchefs Maurizio Arrivabene war es Manor-Marussia-Geschäftsführer Graeme Lowdon, der in der ersten Reihe zwischen Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und Red-Bull-Teamchef Christian Horner Platz nahm. Aufgrund des Ablebens des ehemaligen Marussia-Piloten Jules Bianchi musste Lowdon Rede und Antwort stehen und rang dabei um Fassung.

Titel-Bild zur News: Graeme Lowdon

Graeme Lowdon während der FIA-PK am Ungarn-Freitag: Erinnerungen an Bianchi Zoom

"Es war eine schwierige Woche", leitete Lowdon, der als Zeichen der Trauer um Bianchi am linken Arm eine schwarze Binde trug, seine emotionalen Ausführungen ein. In der Nacht von Freitag auf Samstag der vergangenen Woche hatte Bianchi seinen Kampf verloren. Die Kopfverletzungen, die er sich beim schweren Unfall in der Schlussphase des Grand Prix von Japan 2014 in Suzuka zugezogen hatte, waren zu schwer. Aus dem Koma wachte der nur 25 Jahre alt gewordene Franzose neun Monate lang nicht mehr auf.

Am vergangenen Dienstag fand in Bianchis Heimatstadt Nizza die Trauerfeier statt. Dabei war nicht nur der letzte Arbeitgeber des Franzosen, das heutige Manor-Marussia-Team, anwesend. Auch zahlreiche Fahrerkollegen erwiesen Bianchi die letzte Ehre und trugen den Sarg. Die Betroffenheit vom Dienstag war auch während der Pressekonferenz am Freitag noch spürbar, allen voran bei Lowdon.

Nicht auf den Verlust konzentrieren

"Um ehrlich zu sein, waren die zurückliegenden neun Monate schwierig. Jetzt dieses Wochenende, das ungelogen schwieriger ist als ich dachte... Doch ich muss sagen, dass es ein Stück weit einfacher ist, weil es die Formel-1-Familie gibt. Jules wurde von allen im Fahrerlager gemocht und die Unterstützung, die dem Team entgegengebracht wurde, war fantastisch", so der Manor-Marussia-Geschäftsführer.

"Wenn ich an den Dienstag zurückdenke, dann waren da so viele Leute in der Kathedrale, die alle auf die eine oder andere Art jemanden verloren hatten", ließ Lowdon die Geschehnisse noch einmal Revue passieren. "Seien es die Fahrer, die einen Kollegen verloren hatten, gegen den sie gefahren waren. Oder die Mechaniker, die ihren Fahrer verloren hatten. Oder die Medienvertreter, die einen Menschen verloren hatten, den sie kannten und interviewt hatten. Doch ich denke, es war allen klar, dass niemand einen größeren Verlust zu beklagen hatte als die Bianchi-Familie."

"ich muss sagen, dass es ein Stück weit einfacher ist, weil es die Formel-1-Familie gibt." Graeme Lowdon

In diesem Zusammenhang gab sich Lowdon zwischen Wolff und Horner sitzend alle Mühe, der Tragik etwas Versöhnliches abzugewinnen. "Ich glaube, die Gefahr ist wie immer die, dass man sich auf den Verlust konzentriert anstatt darauf, was wir gewonnen haben, indem wir Jules kannten. Es war eine unglaubliche Zeit mit ihm."

"Eines der Erlebnisse, das mir am stärksten im Gedächtnis geblieben ist", so Lowdon weiter, "war der Tag, an dem er das erste Mal zu uns in die Box kam, um einen Sitz für die Formel 1 anpassen zu lassen. Er kam als Ferrari-Entwicklungsfahrer. Das allein war schon ein Zeichen, was er drauf hatte. Doch er trat uns mit leuchtenden Augen gegenüber. Er konnte es einfach nicht erwarten, dieses Formel-1-Auto zu fahren. Derartige Emotionen sieht man heutzutage leider selten. Es war einfach ein Ausdruck dessen, wie unglaublich dankbar er für die Chance war, in der Formel 1 zu fahren."


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Wie wird Lowdon Bianchi in Erinnerung behalten? "Von dem Moment an, als er in unsere Box kam bis zu dem Moment, als wir Abschied nahmen, war es eine absolute Freude, mit ihm zu arbeiten. Jetzt, da er nicht mehr da ist, vermisse ich ihn schmerzlich", so der Geschäftsführer des Manor-Marussia-Teams.