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  • 23.05.2015 20:55

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Williams-Debakel analysiert: Selbst Reifen-Trick nützt nichts

Rob Smedley verzweifelt trotz Dutzender Lösungsversuche: Der FW37 bringt die Pneus zwar auf Temperatur, generiert aber keinen Grip: "Alles hat keine Wirkung"

(Motorsport-Total.com) - Haben Sie schon einmal das Wort "Hysterese" gehört? Falls nicht, dann arbeiten Sie sicher nicht bei Williams und haben im Qualifying zum Monaco-Grand-Prix am Samstag ihr Waterloo erlebt. Denn der physikalische Fachausdruck spielt eine gewichtige Rolle im Rätsel um den schwächelnden FW37. Auf Deutsch ausgedrückt bedeutet der Begriff: "Zurückbleiben einer Wirkung hinter der sie verursachenden veränderlichen Kraft." Hilft Ihnen nicht weiter? Kein Problem, denn Williams auch nicht.

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas

Der Williams FW37 stellt das Team in Monaco vor ein unlösbares Rätsel Zoom

Rob Smedley und Co. stehen vor einem Rätsel, wenn es um den ausbleibenden Grip der Autos von Felipe Massa und Valtteri Bottas geht. Im Gegensatz zu den Schwierigkeiten vieler Konkurrenten, die bei kühlen Bedingungen in Monaco ihre Pneus nicht auf Temperatur bringen, sind die Williams-Probleme nicht mit dem Thermometer messbar. "Wir kommen in das richtige Fenster - und wir haben an diesem Wochenende viele davon durchgemacht. Aber es änderte sich nichts", klagt der Chefingenieur.

Es war nicht die einzige Variable, mit der Williams experimentierte. "Es liegt nicht am Reifendruck. Wir waren damit ganz oben und ganz unten im Spektrum", berichtet Smedley. "Wir haben auch die Gewichtsverteilung und die mechanische Balance in Betracht gezogen." Alles ohne Erfolg. "Wenn das Auto die Reifen nicht anknipsen kann, dann wird es schwierig." Es zeigt sich Session für Session das gleiche Bild: Beim Herunternehmen der Heizdecken haben die Pneus noch genügend Temperatur.

Probleme von 2014 und anderen Strecken bekannt

Sie müssten funktionieren, doch die Gripentwicklung ist bei Williams schnell verflogen. Etwas Verkehr reicht aus, um den Energiefluss zu hemmen. "Ein Teufelskreis", flucht Smedley, zumal das Lastenheft sonst erfüllt ist. Das Team ist überzeugt, die Autos einigermaßen fahrbar gemacht zu haben, schließlich traten weder Massa noch Bottas mit konkreten Beschwerden an die Ingenieure heran. "Es liegt nicht am Setup, sondern der Art und Weise, wie wir mechanischen Grip aufbauen", sagt der Chefingenieur.

Weitere Indizien: Das Problem ist von 2014 (wenn auch in weniger krasser Form) bekannt. "Und wir haben das auf langsameren Abschnitten anderer Strecken erlebt", fügt Bottas hinzu. Warum die Lage eskaliert? "Monaco ist besonders, weil es überall langsam ist. Auf anderen Kursen gibt es dazu Kurven mit sehr viel höherem energetischen Aufwand", meint Smedley über einige ausgleichende Variablen. Und hier kommt der Begriff "Hysterese" ins Spiel. Bei Williams verformt sich der Pneu nicht stark genug.


Fotos: Williams, Großer Preis von Monaco


Weitere Lösungswege stehen offen

Dabei versuchen die Briten wie alle anderen Teams auch, Hitze aus den Bremsen in die Reifen zu leiten und so zusätzlich für Temperatur zu sorgen. Es ginge aber weniger um die Energie, die in diese Richtung fließe, sondern die Energie, die vom Auto selbst in die Gummimasse gehen würde, sinniert Smedley. "Deshalb erreichen wir die richtige Temperatur, generieren aber keinen Grip." Da hilft auch kein Abtrieb über den Heckflügel: Wir hätten - wenn wir gedurft hätten - noch vier oder fünf Prozent draufgepackt. Aber in unserem Fenster hatte alles nicht viel Wirkung", verzweifelt Smedley.

Valtteri Bottas

Betretene Gesichter bei Williams: Lösungen sind in weiter Ferne Zoom

Die Hoffnung gibt der frühere Ferrari-Mann nicht auf, schließlich war der FW37 im Qualifying mit wenig Benzin unterwegs: "Vielleicht erfahren wir im Rennen mit mehr Sprit etwas. Da haben wir rund 80 Kilo mehr." Hinzu kommt, dass trotz aller Ratlosigkeit weitere Lösungswege offen stehen. "Es gibt Bereiche, die wir nicht ausgekundschaftet haben", meint Smedley fast erleichtert. "Das Wochenende hat nur drei Freie Trainings und das Qualifying, da bleibt nicht so viel Zeit. Und das Gute ist: Es ist nur eines von 19 Rennen."