• 15.04.2015 19:06

  • von Sven Haidinger & Dieter Rencken

Franz Tost: Warum Max Verstappen wie ein alter Hase fährt

Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost erklärt, warum Max Verstappens Alter von 17 Jahren trügt, er das Zeug zum Champ hat und die Formel 1 heute nicht einfacher ist

(Motorsport-Total.com) - Bei Red Bull läuft diese Saison nicht viel zusammen. Beeindruckend ist aber nach wie vor das von Helmut Marko geleitete Nachwuchsprogramm. Nach vielen Jahren der Dürre gelang es zunächst, Sebastian Vettel zum viermaligen Weltmeister zu machen, seit dem Vorjahr sitzen in allen vier Red-Bull-Cockpits Piloten aus dem hauseigenen Nachwuchskader. 2015 konnte man sogar Vettels Abgang verschmerzen, denn der erst 17-jährige Max Verstappen ist bislang die Sensation der noch jungen Saison.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen, Daniil Kwjat

Wie ein Routinier: Max Verstappen verblüfft derzeit die Formel 1 Zoom

Nur technische Defekte hinderten den Sohn von Ex-Formel-1-Pilot Jos Verstappen daran, in allen drei Rennen in die WM-Punkte zu fahren - mit Platz sieben in Sepang hält er derzeit bei sechs Zählern. Für viele Experten gilt er als kommender Weltmeister. Daran hat auch sein Teamchef Franz Tost keinen Zweifel. "Wenn er so weitermacht und wenn er dann im richtigen Team ist, das richtige Umfeld hat, dann kann er sicher die Weltmeisterschaft gewinnen", prophezeit er gegenüber 'Sky.de'.

Tatsächlich brillierte Verstappen bislang mit viel Tempo und tollen Überholmanövern, bei denen er wie ein abgezockter Rennroutinier und nicht wie ein Teenager agierte. Tost ist der Ansicht, dass Verstappens Alter für Missverständnisse sorgt: "Man darf derzeit vielleicht nicht so sehr auf sein Alter schauen. Er ist auf dem Papier 17 Jahre alt, aber in Wirklichkeit ist er viel reifer. Man darf nicht vergessen, dass er bereits mit sechs, sieben Jahren begonnen hat, Kart zu fahren, und das hilft ihm jetzt."

Warum man Verstappen die Jugend nicht anmerkt

Verglichen mit vergangenen Rennfahrer-Generation entspricht Verstappen laut dem Österreicher "eher einem 25- oder 26-Jährigen. Früher machte man mit 18 den Führerschein, und dann durfte man erst Autorennen fahren. Jetzt ist das völlig anders, man hat ganz andere Voraussetzungen. Diese jungen Fahrer kommen auf einem wesentlich höheren fahrerischen Niveau in die Formel 1", erklärt Tost seine These.

Für den Mann, der bereits Sebastian Vettel zum Top-Piloten formte, zählt Verstappen zur vierten Kart-Generation, die seit frühen Kindheitstagen mit dem Motorsport aufgewachsen ist. Dass der Youngster so gut zurecht kommt, hat für Tost nur wenig damit zu tun, dass die Boliden aus physischer Sicht keine so große Herausforderung mehr darstellen wie in der Vergangenheit.


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Tost: Formel 1 heute nicht einfacher

"Die Formel 1 ist nicht einfacher geworden als sie es damals war, sondern die Voraussetzungen sind völlig anders als damals", sieht er bloß eine Verlagerung der Prioritäten. Heute sind rasche Strategieentscheidung gefragt, die Piloten müssen absolut Multitasking-fähig sein und zahlreiche Details bedenken, um konkurrenzfähig zu sein.

Franz Tost, Max Verstappen, Helmut Marko

Franz Tost und Helmut Marko können auf ihre Entdeckung stolz sein Zoom

"Wenn man ein Formel-1-Auto am Limit bewegt, dann ist es immer schwierig zu fahren", meint Tost. "Da muss man schon sehr gute Fähigkeiten mitbringen, da muss man schon Erfahrung haben, und das hat diese junge Kart-Generation." Zudem sei die Lernkurve Verstappens auch über den Winter noch "sehr steil" gewesen, was auf weitere Fortschritte schließen lässt.

Horner: Kwjat aus dem gleichen Holz wie Ricciardo

Doch Verstappen ist nicht Red Bulls einziges Eisen im Feuer. Daniel Ricciardo hat schon im Vorjahr an der Seite Vettels mit drei Saisonsiegen beeindruckt und führt nun das Red-Bull-Quartett an. Auch sein neuer Teamkollege Daniil Kwjat, der erst im Vorjahr seine Debütsaison für Toro Rosso bestritten hat, hält bislang, was er versprochen hat.

Sein Nachteil: Durch die Probleme bei Red Bull und Renault konnte er sein Potenzial noch nicht voll entfalten. Nach den Wintertests hatte Chefrenningenieur Guillaume Rocquelin bereits vom 20-jährigen Russen geschwärmt, der sich doppelt so schnell wie erwartet an die Abläufe beim einstigen Weltmeisterteam gewöhnt habe.

Daniil Kwjat, Daniel Ricciardo

Kein Respekt: Daniil Kwjat legte sich in China mit Ricciardo an Zoom

"Ich bin sehr beeindruckt von ihm", hält der positive Eindruck bei Teamchef Christian Horner an. "Wenn man bedenkt, dass er es nicht gerade einfach hatte, hat er eine tolle Reife und einen guten Speed gezeigt. Ich denke, dass er noch besser werden wird." Kwjat habe "die gleichen Attribute" wie Ricciardo: "Er ist sehr detailverliebt und hat eine großartige Einstellung."

Was einen Spitzenfahrer ausmacht

Dass die Red-Bull-Piloten schon in jungen Jahren so reif sind, führt er auf das Nachwuchsprogramm zurück, das Marko mit harter Hand führt: "Wenn sie das überstehen, dann sind sie ziemlich geerdet, wenn sie hierher kommen. Darum funktioniert das Programm so gut." Die hervorragende Auslese gibt der Philosophie recht.

Doch wie erkennt Tost, der laut eigenen Angaben alle Nachwuchsserien verfolgt und Verstappen bereits vor vier Jahren im Kart sah, ob ein Fahrer das Zeug um Spitzenmann hat? "Jeder Spitzenfahrer hat gewisse Ähnlichkeiten", holt Tost aus und nennt drei entscheidende Faktoren.

"Erstens Talent - ohne Talent geht nichts. Zweitens die Leidenschaft: Was all diese Spitzenfahrer auszeichnet, ist, dass sie für ihren Sport leben, dafür die 100-prozentige Leidenschaft aufbringen, sonst sind Spitzenleistungen nicht möglich. Drittens: All diese Spitzenfahrer, auch Spitzensportler allgemein, müssen sehr diszipliniert sein. Sie müssen Pläne haben, sie müssen Visionen haben, sie müssen wissen, wie sie ihren Teamkollegen und später die anderen Teilnehmen in der Formel 1 hinter mir lassen."