Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Nach dem Formel-1-Saisonauftakt 2015 in Melbourne: Warum Chefredakteur Christian Nimmervoll befürchtet, dass Nico Rosberg nie mehr Weltmeister wird

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Lewis Hamilton

Nico Rosberg gratuliert Lewis Hamilton zum Sieg beim Formel-1-Saisonauftakt 2015 Zoom

Liebe Leser,

am 3. November 2014, also am Tag nach Lewis Hamiltons Sieg beim Grand Prix der USA in Austin, habe ich in unserer traditionellen Montags-Kolumne geschrieben: "Wetten würde ich auf einen Weltmeister Rosberg jetzt nicht mehr. Nie mehr, um genau zu sein. Denn eine WM-Niederlage 2014 gegen Hamilton könnte ihn ein für alle Mal brechen. So, wie sie 2010 Mark Webber gegen Sebastian Vettel gebrochen hat."

So sympathisch mir Nico (hochintelligent, wohlerzogen, bodenständig) persönlich auch sein mag, so sehr scheint sich diese Prognose (leider) zu bestätigen. Als er am Donnerstag beim Mercedes-Medientermin davon sprach, im Winter härter als je zuvor gearbeitet zu haben, weil er den Spieß 2015 umdrehen möchte, sprach Nico mit voller Überzeugung. Und als er am Freitag zweimal Bestzeit in den Albert Park brannte, glaubte selbst ich einen Moment lang daran, dass sich das Mercedes-interne Kräfteverhältnis drehen könnte. Doch diese Hoffnung hat Lewis Hamilton am Samstag und Sonntag im Keim erstickt.

Hamilton: Immer eine Antwort auf Rosbergs Attacken

Sicher, Nico hatte Bremsprobleme im Abschlusstraining, aber die wollte er selbst nicht als Ausrede für 0,6 Sekunden Rückstand im Qualifying gelten lassen. Und auch im Rennen waren die Machtverhältnisse schnell geklärt: Hamilton erwischte den besseren Start, zog sofort aus der DRS-Sekunde davon und baute seinen Vorsprung auf bis zu fünf Sekunden aus. Brauchte dafür auch noch weniger Benzin. Jedes Mal, wenn Nico kurzzeitig mit schnellsten Rennrunden näher kam, folgte prompt der Konter. Mühelos. Weltmeisterlich.

Nico Rosberg ist ein begnadeter Formel-1-Fahrer. Im Gegensatz zu vielen Experten zähle ich ihn zu den "Big Four": Fernando Alonso, Lewis Hamilton, Sebastian Vettel. Und eben Nico. Aber während Hamilton jetzt mit dem Selbstverständnis eines (zweimaligen) Weltmeisters alles ganz locker von der Hand geht, hechelt Nico seinem ersten Titel noch hinterher.


Fotostrecke: GP Australien, Highlights 2015

Sein Pech ist, dass er zur falschen Zeit im richtigen Auto sitzt.

Hätte, wäre, wenn...

Hätte Hamilton nicht in Singapur 2012 in Führung liegend die McLaren-Technik im Stich gelassen, hätte ihn Niki Lauda wahrscheinlich nie zu Mercedes holen können. Nico hätte dann womöglich einen anderen Teamkollegen. Womöglich keinen Ausnahmekönner wie Hamilton. Und womöglich wäre er dann schon Champion, auf dem Weg zur erfolgreichen Titelverteidigung. Völlig verdient.

Hätte, wäre, wenn. Viele begnadete Formel-1-Fahrer kennen diese Situation. Gerhard Berger, an "seinem Tag" einer der schnellsten Piloten, die die Königsklasse je erlebt hat, ist am großen Ayrton Senna zerbrochen. Irgendwann war er nur noch die Nummer 2 im überlegenen McLaren. Giancarlo Fisichella galt immer als zukünftiger Weltmeister. Aber als er mit dem Renault endlich ein Siegerauto hatte, kam ihm Fernando Alonso dazwischen. Mark Webber hätte 2010 den Titel holen können. Als er in Abu Dhabi gegen Vettel verloren hatte, war klar, dass er das nie mehr schaffen würde.

Chefredakteur Christian Nimmervoll und Nico Rosberg

Chefredakteur Christian Nimmervoll ist ein bekennender Nico-Rosberg-Fan Zoom

Ich wünsche Nico von ganzem Herzen, dass ich mich irre und er doch noch Weltmeister wird. In der Geschichte der Formel 1 haben schon viel weniger talentierte Fahrer einen WM-Titel geholt. Alan Jones, Damon Hill und Jenson Button fallen mir spontan ein. Aber es haben auch schon Ausnahmekönner ohne Weltmeisterschaft ihre Karriere beendet. Stirling Moss zum Beispiel oder Jacky Ickx. Oder Gilles Villeneuve und Ronnie Peterson, die der Tod viel zu früh aus dem Leben gerissen hat.

Nur die Allerbesten werden Weltmeister

Vielleicht hat Nico letzte Nacht deswegen schlecht geschlafen. Obwohl es eigentlich kaum einen Grund dafür gibt. Er hat den zweitbesten Job der Welt gemacht. Aber WM-Titel gibt's eben nur für den besten.

Ihr

Christian Nimmervoll

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