• 01.03.2015 12:15

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Formel-1-Technik: Die Neuentwicklungen der letzten Testwoche

Für die letzte Testwoche vor dem Formel-1-Saisonauftakt haben alle Teams neue Teile im Gepäck - Technikexperte Craig Scarborough hat sie sich genauer angesehen

(Motorsport-Total.com) - Üblicherweise geht es den Teams beim letzten Test in einer Formel-1-Winterpause darum, ihre Autos zu verstehen, indem sie sowohl Renn- als auch Qualifying-Simulationen abspulen. Es ist die Gelegenheit, einen Großteil der Upgrades für das erste Rennen zu testen.

Titel-Bild zur News: Sergio Perez

Der Force India VJM08 ist das einzige neue Auto, die anderen Teams haben nachgelegt Zoom

So lassen sich in dieser Woche an jedem einzelnen Auto neue Entwicklungen erkennen. Es besteht durchaus die Chance, dass einige Teams am Schlusstag noch einmal neue Teile ans Auto schrauben werden.

Ebenso besteht - gerade bei den Topteams - die Chance, dass neue Aero-Teile direkt nach Melbourne gebracht werden.

Mercedes

Der Mercedes F1 W06 kommt in dieser Woche mit einer Reihe geschickter Modifikationen daher. Zudem sind weitere Details zur Antriebseinheit ans Tageslicht gekommen. Die Befestigungen für die vorderen Onboard-Kameras wurden verändert, um der diesbezüglichen Aufforderung der FIA Rechnung zu tragen. Das Ergebnis sind recht eigenartige senkrechte Streben, die nun die Kamerahalterungen tragen. Die Höhe der Kamerahalterungen bleibt gleich und die mindestens 150 Millimeter von der Mittellinie des Boliden werden nun eingehalten.

Lewis Hamilton

Mercedes hat am F1 W06 an der Front (Halterung für die Onboard-Kameras) und ... Zoom

Am Heck des Fahrzeugs wurden die Colaflaschenform und der Diffusor leicht überarbeitet. Zudem wurde im hinteren Bereich der Seitenkästen die Verkleidung bis nach unten gezogen, um so eine Art Flügel zu bilden. Dieser Flügel dient mutmaßlich dazu, den Luftstrom gezielter um die Colaflaschenform herum auf den Diffusor zu leiten.

In der Mitte des Diffusors wurde die ursprüngliche Konstruktion, die ihn mit der hinteren Crashstruktur verband, entfernt und durch eine noch steilere Konstruktion ersetzt. Diese setzt nun beinahe senkrecht an der Crashstruktur an. Dies sieht nach einer logischen Weiterentwicklung des U-förmigen Diffusor-Mittelteils aus, welches das Team Ende der Saison 2014 präsentierte.

Der einfache Flügel, der schon beim ersten der beiden Barcelona-Tests den sogenannten Monkey-Seat ersetzte, ist erhalten geblieben. Weil es aber nun zwei zusätzliche Einschnitte in der Crashstruktur gibt, liegt der Verdacht nahe, dass der für das Team typische größere Flügel in diesem Bereich ein Comeback feiern könnte.

Mercedes F1 W06 Hybrid

... auch am Heck nachgebessert, um die Konkurrenz auf Distanz zu halten Zoom

Von der neuen Mercedes-Antriebseinheit lassen Detailfotos noch auf sich warten. Es ist aber offensichtlich, dass das Team nun nicht mehr auf die langen und eng anliegenden Auspuffendrohre setzt, sondern bei der Gestaltung der Endrohre nun auf eine eher konventionelle 3-in-1-Lösung setzt.

Zwar ist diese Lösung im Vergleich zur vorherigen etwas sperriger, doch die Auspuffrohre scheinen immer noch dicht am Motor dran zu liegen und für die Aerodynamiker daher kein Problem darzustellen. Da zudem das neue Einlass-System, welches die Ansaugtrichter beinhaltet, etwas größer als der Vorgänger daherkommt, nimmt die Antriebseinheit im Ganzen nun zusätzlich etwas mehr Platz in Anspruch.

Ferrari

Ferrari hat für den letzten Barcelona-Test eine neue Frontpartie mitgebracht. Diese könnte durchaus das letzte Update vor Melbourne in diesem Bereich sein. Die lange Nase ist geblieben, aber der Frontflügel ist grundlegend neu. Die zahlreichen Flügelelemente sind nun anders zwischen dem Hauptflügelelement und den dahinterliegenden Flaps verteilt. Der gesamte Flügel lässt sich jetzt klar in drei Teile gliedern: das Hauptflügelelement, die Flaps und die äußeren Anbauteile.

Ferrari SF15-T

Der Ferrari SF15-T kommt mit modifizierter Frontpartie daher Zoom

Die rot lackierten Hauptflügelelemente machen einen größeren Teil der Innenweite aus. Die weiß lackierten Flaps sind auf zwei Elemente beschränkt. Die in Schwarz gehaltenen äußeren Anbauteile kommen als siebenstufige Kaskade daher. Diese Gesamtlösung bedeutet, dass der Großteil der aerodynamischen Last nun von den aggressiv gestalteten, äußeren Anbauteilen getragen wird.

Im Zusammenhang mit dem veränderten Frontflügel wurden auch die vorderen Bremsbelüftungen leicht modifiziert. Sie ragen nun weiter heraus als es vorher der Fall war. Darüber hinaus musste Ferrari ähnlich wie Mercedes einen Großteil der Trägerkonstruktion für die vorderen Onboard-Kameras neu gestalten. Im Sinne des Reglements sind diese nun eher senkrechte Flügel, die weit genug von der Mittellinie des Autos entfernt liegen.

Williams

Abgesehen von drei oder vier Teilen tritt der Williams FW37 in dieser Woche in seiner finalen Spezifikation für Melbourne auf. Diese wird vor allem in Form der neuen Befestigung für den Heckflügel deutlich. In der Saison 2015 halten sich dank kreativer Lösungen im Bereich des Diffusors die Risiken der Störung des Heckflügels in Grenzen. Somit erkennt man nun auch am Williams die Y-förmige Trägerkonstruktion für den Heckflügel, die im Fahrlager als "Y-lon" bekannt ist.

Felipe Massa

Der Williams FW37 wurde vor allem im Heck auf Melbourne-Spezifikation gebracht Zoom

Diese Konstruktion ist am Getriebe befestigt und umschließt zunächst den Auspuff, um in Form eines umgedrehten Ypsilons in eine schmale Stütze für den Heckflügel überzugehen. Wie bei den meisten Teams sitzt diese Stütze kurz vor dem Heckflügel und windet sich in Form eines Schwanenhalses nach unten.

Weitere Details, die am Williams in dieser Woche auffallen, sind unter anderem die überarbeiteten Flügelelemente im hinteren Bereich der Seitenkästen. Diese Lösung erinnert dank der vertikalen Flügel nun an jene von Red Bull. Es handelt sich nur um eine Veränderung im Detail, aber um eine, die den Luftstrom im hinteren Bereich der Motorenabdeckung verbessert.

Im Bemühen, Mercedes einzuholen, setzt Williams auch bei der Antriebseinheit an. Wenngleich man dieselbe Spezifikation wie das Werksteam fährt, so gibt es doch Unterschiede. Man verwendet anderes Benzin und man kühlt den Turbolader auf andere Art und Weise.


Fotos: Testfahrten in Barcelona


Williams setzt seit Mitte 2014 auf einen speziell auf das Team abgestimmten Sprit von Petrobras. Technikchef Pat Symonds glaubt durchaus, dass man ein im Vergleich zum Mercedes-Werksteam leistungsstärkeres Gemisch brauen kann.

Darüber hinaus lässt sich Leistung gewinnen, indem man die vom Turbolader kommende Luft stärker gekühlt dem Motor zuführt. Das Mercedes-Team setzt beim F1 W06 auf einen Wasser-Luft-Kühler. Dieser ist im Sinne der Aerodynamik die bessere Lösung, weil er in den Seitenkästen weniger Platz wegnimmt. Der Kühleffekt ist jedoch nicht der gleiche wie bei einem konventionellen Luft-Luft-Kühler. Bei Williams setzt man weiterhin auf einen Luft-Luft-Kühler, hat es aber geschafft, diesen in sehr kleine Seitenkästen zu packen.

Red Bull

Es ist offensichtlich, dass der Red Bull RB11 ein Auto mit jeder Menge Potenzial ist. Im Verlauf der Wintertestfahrten wurde hier und da noch nachgebessert. In dieser Woche stellt eine überarbeitete Endplatte am Heckflügel die auffälligste Neuerung dar. Durch die Camouflage-Lackierung lassen sich die Veränderungen aber nicht sofort auf den ersten Blick erkennen.

Daniel Ricciardo

Der Red Bull RB11 überrascht mit einer eigenwilligen Lösung am Heckflügel Zoom

Inzwischen zeichnet sich fast jede Heckflügelendplatte in der Formel 1 durch eine Reihe von Schlitzen oberhalb des Flügel und einen zusätzlichen senkrechten Einschnitt aus. Bei Red Bull hat man die einzelnen Schlitze nun zusammengeführt. So reicht der vertikale Einschnitt jetzt bis zum obersten Schlitz des Flügels.

Die Auswirkungen dieser Lösung lassen sich noch schwer abschätzen. Sehr wahrscheinlich geht es aber eher darum, mehr Abtrieb zu produzieren als darum, den Luftwiderstand zu verbessern. Durch die neue Lösung wirkt die ansonsten flache Endplatte bezogen auf den Luftstrom noch ausgeprägter. Die Durchflussmenge der Luft wird erhöht. Der Flügel produziert somit im Ganzen mehr Abtrieb. Es ist eine ungewöhnliche Lösung, aber eine, die durchaus Nachahmer finden könnte.

McLaren

Da die Konzentration bei McLaren bis dato vor allem darauf liegt, die Honda-Antriebseinheit zum Laufen zu bringen, wurde die Chassis-Entwicklung bisher weitestgehend vernachlässigt. In dieser Woche sah man das Team erstmals mit einem Y100-Monkey-Seat ausrücken. Es kein Teil, dass einen massiven Performance-Sprung erwarten lässt, aber es ist dennoch ein Zeichen, dass man sich nun wieder verstärkt dem Chassis widmet.

Jenson Button

Am McLaren MP4-30 gibt es nun einen neuen Monkey-Seat Zoom

Im Bereich des Frontflügels wurden Detailveränderungen getestet. So gibt es nun zusätzliche Flügelelemente unterhalb des Flügels, um auf beiden Seiten vier Kanäle zu bilden. Die Auswirkungen hinsichtlich Tempo und Zuverlässigkeit lassen sich derzeit noch schwer ausmachen, aber das Potenzial des sogenannten "Size Zero"-Konzepts ist nach wie vor gewaltig.

Force India

Der Force India VJM08 ist zwar eine Evolution des 2014er-Modells, doch das Team hat im Toyota-Windkanal in Köln ein neues Aero-Programm laufen. Ursprünglich wurde der Force India in der Fabrik in Silverstone und im Windkanal in Brackley konzipiert. Die neuen Verkleidungsteile für das Auto stellen nun einen Einschnitt dar, bevor die Früchte des in Köln laufenden Aero-Programms ab dem Grand Prix von Spanien geerntet werden sollen. Ungeachtet dieser Einschränkungen ist der VJM08 ein ordentliches Auto mit einigen interessanten Detaillösungen.

Das Design der Nase folgt dem Prinzip einer Daumenkuppe. Die Nase ist insgesamt niedriger als am Williams, aber deutlich kürzer als am Ferrari oder McLaren. Eine noch kürzere Nase befindet sich in der Entwicklung. Diese ist dem Vernehmen nach aber noch nicht soweit, um den Crashtest zu bestehen.

Nico Hülkenberg

Der Force India VJM08 hat einen S-Duct und interessante Detaillösungen Zoom

Zudem kommt der Force India VJM08 mit einem S-Duct daher. Ein Briefkastenschlitz unterhalb der Nase, lässt Luft in einen Kanal strömen, dessen Ausgang sich auf der Oberseite der Nase befindet. Red Bull ist das einzige weitere Team, das in diesem Jahr auf einen S-Duct (ursprünglich eine Idee von Sauber) setzt. Auch in anderen Bereichen hat man sich beim VJM08 an anderen Autos orientiert. Die beiden unteren Querlenker, die nun als ein aerodynamisch geformtes Bauteil daherkommen, wurden im vergangenen Jahr bereits am Mercedes gesichtet.

Interessant ist beim neuen Force India, wie man das Problem der Kühlung im Heck des Autos gelöst hat. Man setzt sowohl auf Kühler in den Seitenkästen als auch auf Kühlluft, die über zwei Einlässe links und rechts des Überrollbügels zugeführt wird. Sowohl die Kühlluft als auch die Auspuffgase treten durch eine Y-förmige Heckflügelhalterung nach außen. Dabei setzt man einmal mehr auf das Prinzip eines Schwanenhalses.

Direkt dahinter verrichtet ein Y-100-Monkey-Seat seinen Dienst. Diese Doppeldecker-Konstruktion, die sowohl oberhalb als auch unterhalb des Auspuffs verläuft, bündelt die Auspuffgase, um sie im Bereich zwischen Diffusor und Heckflügel aerodynamisch effizienter ausströmen zu lassen.

Toro Rosso

Toro Rosso ist mit einem umfangreichen Upgrade-Paket zum letzten Test angerückt. Der STR10 ist von der Nase bis zum Heck aerodynamisch generalüberholt worden. Auf auffälligsten ist die neue Nase, die dem Williams-Prinzip einer ultrakurzen Daumenkuppe folgt. Überraschenderweise gibt es anders als beim 2014er-Boliden aber keinen S-Duct mehr. Im Zusammenspiel mit der Nase wurden der Frontflügel und die seitlichen Zusatzflügel überarbeitet.

Max Verstappen

Der Toro Rosso STR10 glänzt durch ein aerodynamisches Formel-1-Novum Zoom

In einem anderen Bereich glänzt der neue Toro Rosso durch ein Formel-1-Novum: kleine Planken entlang des Monocoques. Bezüglich der Breite des Autos ab dem Cockpit setzt das Reglement enge Grenzen, aber an den Kanten des Monocoques bietet sich ein wenig Freiraum. Toro Rosso hat in diesem Bereich kleine Planken angebracht, die ähnlich wirken wie die kleinen Zusatzflügel, die man oft in unmittelbarer Nähe der Rückspiegel beobachten kann. Die Planken generieren einen Sog, der den Luftstrom im weiteren Verlauf der Seitenkästen dicht an der Verkleidung hält. Das Ganze ist ein geschickter Trick, den sich andere Teams sehr wahrscheinlich genau ansehen werden.

Dank der überarbeiteten Seitenkästen sind die zusätzlichen Lufteinlässe links und rechts des Überrollbügels verschwunden. Dennoch ist der Einlass, der den Überrollbügel beherbergt, noch immer geteilt. Zum einen wird die Airbox des Motors angeströmt, zum anderen die Ölkühler, die sich auf beiden Seiten des Motors befinden. Das Heck des Toro Rosso STR10 besticht durch einen Y-100-Monkey-Seat, der die Abgase in Form einer Dreifachdecker-Konstruktion weiter nach oben lenkt als die bisherige Doppeldecker-Konstruktion.

Lotus

Bei Lotus hat man schwer gearbeitet, um die kleine Verzögerung im Testplan aufzuholen. Der E23 tritt jetzt in der Konfiguration an, die ursprünglich bereits für den Testauftakt vorgesehen war. In dieser Woche ist lediglich ein Y-100-Monkey-Seat hinzugekommen.

Romain Grosjean

Auch am Lotus E23 gibt es nun einen neuen Mokey-Seat am Heck Zoom

Wenngleich man in der Saison 2014 ein neues Lenkrad mit einem größeren Display getestet hatte, so setzt das Team beim diesjährigen Auto eigenartigerweise weiterhin auf das alte, kleinere und einfacher gehaltene Display.

Der E23 ist als Gesamtpaket augenscheinlich besser als das schwierige 2014er-Modell. Lotus sollte mit dem diesjährigen Boliden aller Wahrscheinlichkeit nach gut im Mittelfeld mitfahren können.

Sauber

Nach den für Schlagzeilen sorgenden Rundenzeiten bei den beiden vorangegangenen Tests hat sich Sauber mit dem C34 in dieser Woche auf realistischeren Positionen eingefunden.

Felipe Nasr

Der Sauber C34 läuft solide und zuverlässig und ist für den Saisonauftakt bereit Zoom

Das Chassis ist im Vergleich zu 2014 deutlich verbessert worden. Hinzu kommt eine verbesserte Antriebseinheit von Ferrari.

Sauber geht mit Gewissheit in die Saison, dass man das Tempo halten und die Rennen zuverlässig zu Ende fahren kann.

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