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  • 02.02.2015 13:57

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Mercedes unter Druck: Letzte Ausfahrt Zuverlässigkeit

Mit den Erfolgen ist bei den Silberpfeilen die Erwartungshaltung gestiegen: Die Weiterentwicklung des Autos zum W06 war deshalb eine ständige Risikoabwägung

(Motorsport-Total.com) - In einer beinahe makellosen Saison 2014 gab es Mercedes fast nichts anzukreiden. Fast nichts. Denn wenn sich die Silberpfeile im vergangenen Jahr eine Schwäche leisteten, dann ging es dabei um die Zuverlässigkeit der tempomäßig konkurrenzlosen Autos. In den kommenden Monaten gewinnt das Kriterium an Relevanz: Die Anzahl der verfügbaren Antriebskomponenten wird im neuen Reglement verknappt: "Das heißt, dass sie jetzt 25 Prozent mehr leisten müssen", warnt Andy Cowell.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Hamilton vertraut wieder auf schnelles Material - aber auch auf zuverlässiges? Zoom

Mercedes' Motorenchef weiß, dass die Konkurrenz im Winter enger zusammengerückt sein könnte und Strafversetzungen in der Startaufstellung doppelt bitter wären. "Wir wollen deshalb keine Punkte mehr verlieren", verweist Cowell auf die akribische Arbeit in Brackley und Brixworth. "Wir haben uns nicht zurückgelehnt und uns für die Besten gehalten, die überhaupt nichts mehr tun müssten." Das Rezept mit neu entwickeln Teilen ist eine gezielte Weiterentwicklung mit Blick auf Standfestigkeit.

695 abgespulte Kilometer und erledigte 17 Boxenstopps waren so gesehen ein guter Start in den Jerez-Test am Sonntag. "Das ist mehr, als wir geplant hatten", meint Technik-Teamchef Paddy Lowe. "Es gibt immer Details, die Arbeit verlangen und für die Zuverlässigkeit ist es wichtig, Kilometer abzuspulen. Leistung steht auf einem anderen Blatt." Die Tage des Colin Chapman, dessen fragile Konstruktionen sich nach einem Rennen sanktionsfrei austauschen ließen, sind in der Formel 1 gezählt.

Druck als Weltmeister noch größer

Sechs Rennen mit ein und demselben Getriebe sind eine der neuen Übungen: "Man versucht, mit dem Auto genau diese Erfahrung zu machen und so die Schwächen zu identifizieren", sagt Lowe und lobt das Team für die erzielten Fortschritte. Dabei arbeitet es sich als amtierender Champion und haushoher Favorit keineswegs einfacher: "Die Erwartungen sind hoch. Wir fühlen, dass der Druck von außen wächst und was die Anteilseigner verlangen. Damit müssen wir intern erst malklarkommen."

Die Formel 1 sei eine Branche, in der Verzeihen ein Fremdwort sei. "Ganz schnell ist es passiert, dass man im Winter seinen Vorsprung einbüßt. Das haben wir in der Vergangenheit mehrmals erlebt", meint Lowe. "Unsere Gegner sind stark und hassen es, zu verlieren. Aufgesteckt haben sie bestimmt nicht." Bei Mercedes fand deshalb eine Risikoabwägung statt: Einerseits musste weiterentwickelt werden, andererseits birgt jede Veränderung die Gefahr, unter dem Strich ein Rückschritt zu sein.


Präsentation des Mercedes F1 W06 Hybrid

Sicherheit und Ästhetik verlangten Anpassungen

Mit einem guten Auto auf der Habenseite war gezieltes Verbessern mit vielen kleinen Schritten die Maßgabe. Beispiel Kühlung: 2014 einer der Kernaspekte, wurde für den W06 an den Stellschrauben gedreht. Wegen des neuen Reglements legten die Designer auch an der Nase Hand an. "Dass sie so hässlich waren, war in dieser Presserunde vor einem Jahr das Thema. Gut, dass sich das geändert hat", kommentiert Lowe. Dritte Baustelle: die Aerodynamik. "Jede Veränderung an der Front hat Auswirkungen auf den Rest des Wagens."

Paddy Lowe

Paddy Lowe beäugte die Entwicklung des neuen W06 ganz genau Zoom

Auch in puncto Sicherheit drehte sich die Welt weiter: Bessere Crashstrukturen und eine Elektronik, die auf die Bedürfnisse des Virtuellen Safety-Cars abgestimmt ist, mussten implementiert werden. Zugabe: Mercedes hat sich zum Schonen der Antriebsstränge einen besonderen Clou ausgedacht. Es gibt ein System speziell für die Runden auf dem Weg zur Box, mit dem sich die Belastungen der einzelnen Komponenten genau steuern und anpassen lassen. Insbesondere im Qualifying könnte das relevant sein.