• 17.02.2015 18:50

  • von Craig Scarborough (Haymarket)

Formel-1-Technik: Könnte das Ferrari-Konzept funktionieren?

Ferrari hat mit seiner Formel-1-Studie für Furore gesorgt, aber könnte sich der Sport wirklich in diese Richtung bewegen? Technikexperte Craig Scarborough analysiert

(Motorsport-Total.com) - Die FIA und die Teams diskutieren darüber, wie man die Formel 1 aufregender machen kann. Neben der plakativen Forderung nach Motoren mit 1.000 PS steht dabei vor allem die Ästhetik der Autos im Mittelpunkt. Mit der Präsentation eines Konzept-Entwurfs für ein mögliches zukünftiges Formel-1-Auto hat Ferrari dieses Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerufen.

Titel-Bild zur News: Zurück in die Zukunft - sehen so Formel-1-Boliden anno 2020 aus?

Die Ferrari-Studie sieht aufregend aus, aber ist sie auch machbar? Zoom

Das stilisierte Auto entspricht im Groben noch den aktuellen Regeln und soll zeigen, wie auch ohne radikale Regeländerungen das Aussehen der Fahrzeuge dramatisch verändert werden kann. Im wesentlichen verfügt das Auto über die gleichen Struktur- und Aerodynamik-Elemente wie die aktuellen Formel-1-Autos. Front- und Heckflügel, Diffusor und das schmale, in der Mitte platzierte Monocoque sind grundsätzlich identisch.

Rund um diese Hauptbestandteile befinden sich aber überflüssige Karosserieteile und größere Räder, durch die das Auto aufregender aussehen soll. Einige der neuen Teile könnten auch der Sicherheit dienen, so zum Beispiel die kotflügelartigen Verkleidungen der Räder, die noch jedes Mal bei Puristen für einen Aufschrei gesorgt haben, wenn über ihre Einführung in der Formel 1 debattiert wurde.

Reglement führt zum Einheitsdesign

Viele der Formen, die das Ferrari-Konzept so gut aussehen lassen, haben für die Aerodynamik keine Funktion oder könnten sie sogar stören. Wie schriebt man aber Regeln, die solch eine Ästhetik verlangen? Dazu müsste beim Technischen Reglement und der Aerodynamik-Entwicklung der Formel 1 völlig umgedacht werden.

Kimi Räikkönen, Nico Rosberg

Aktuelle Formel-1-Autos unterscheiden sich äußerlich nur in Details Zoom

Derzeit bilden unterschiedlich dimensionierte Boxen, in denen sich Karosserieteile entweder befinden oder nicht befinden dürfen, die Grundlage für das Reglement. Und selbst innerhalb dieser Boxen sollen zusätzliche Regeln die Entwicklung zu komplexer Formen verhindern. Daher entsprechen die Autos alle einem ähnlichem Muster. Die Boxen werden mit aerodynamischen Hilfsmitteln vollgepackt, um ihr Potenzial zu maximieren. Das führt an den Flügeln und dem Monocoque zu vielen rechteckigen Flächen.

Die Autos werden von Ingenieuren und nicht von Stilisten entworfen. Große Teams loten die Grenzen des Erlaubten bei der Arbeit im Windkanal und mit CFD aus. Die FIA homologiert die Aerodynamik aber nicht oder testet die Autos, um die Abtriebswerte zu ermitteln. Auch die Anzahl der Updates pro Jahr ist nicht limitiert.

Wie schriebt man Regeln für gutes Design?

Daher sind die Formel-1-Autos optisch nicht besonderes aufregend. Es gibt auch keine Verbindungen zu den Straßenautos der Hersteller. Die Formel 1 ist zu einer Art Aerodynamik-Formel geworden, weil es in diesem Bereich vergleichsweise wenig Einschränkungen gibt. Andere Schlüsselfaktoren wie Gewicht, Fahrwerke, Elektronik, Reifen oder Antrieb sind deutlich stärker reglementiert.

Ferrari-Konzept

Das Ferrari-Konzept beinhaltet auch größere Räder Zoom

Freizügigere Aerodynamik-Regeln zu schaffen, stellt die Regelhüter vor ein Rätsel: Wie formuliert man Regeln, unter denen ein Auto aufregend aussehen muss? Wie schafft man es, dass große Teams von Aerodynamik-Designern die neuen Freiheiten nicht dazu nutzen, mehr Abtrieb oder weniger Luftwiderstand zu erzeugen, und das möglicherweise auf Kosten der Ästhetik, die diese neuen Regeln verbessern sollte?

Würde man Form und Position der aerodynamischen Hilfsmittel freigeben, würden die Teams unter der derzeitigen FIA-Philosophie der unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten die Karosserie so formen, dass der Abtrieb erhöht und der Luftwiderstand reduziert wird. Die Folge wären höhere Geschwindigkeiten auf den Geraden und in den Kurven - zu Lasten der Sicherheit.

Funktion bestimmt das Formel-1-Design

Die Autos würden dadurch nicht besser aussehen, weil ihr Design der Funktionalität und nicht dem Aussehen folgt. Es würde ein technischer Wettlauf beginnen, bei dem die Teams mit großen Summen versuchen würden, diese neuen Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen. Die Rundenzeiten würden fallen, und bei jedem Rennen würde es neue Karosserie-Updates geben. Das ist eine Situation, die die FIA verhindern will.

Würde man das Design einem Stilisten überlassen, würde dieser zusätzliche Karosserieteile anbringen, die nur dem Aussehen und keiner Funktion dienen. Das Resultat wären langsamere Rundenzeiten, weil die Aerodynamik-Performance sinkt. Außerdem würde das Gewicht steigen, und Kühlung und Sicherheit könnten auch beeinträchtigt werden.

Einigen Straßenautos gelingt dieser Kompromiss zwischen gutem Aussehen und Performance, allerdings nur deshalb, weil die Hersteller an einem einheitlichen Design und hohen Verkaufszahlen interessiert sind. In einem Sport wie der Formel 1 geht es aber nur um das Tempo.

Radikal neues Reglement notwendig

Eine mögliche Lösung wäre die Formulierung eines völlig anderen Technischen Reglements, welches die funktionalen Aerodynamik-Flächen des Autos (Flügel und Diffusor) isoliert und den Rest der Karosserie freigibt. Mit eng eingegrenzten (oder sogar standardisierten), funktionalen Aerodynamik-Teilen könnte die Performance der Autos begrenzt werden.

Zurück in die Zukunft - sehen so Formel-1-Boliden anno 2020 aus?

Damit Formel-1-Autos so aussehen, wären völlig neue Regeln erforderlich Zoom

Die restliche Karosserie, die ansprechender gestaltet werden dürfte, könnte von der FIA im Windkanal oder mittels CFD getestet und homologiert werden, um sicherzustellen, dass durch sie keine zusätzliche Performance generiert wird. Nach der Homologierung könnte die Weiterentwicklung für die gesamte Saison eingefroren oder auf wenige Updates pro Jahr begrenzt werden.

Die Einschränkung der Aerodynamik-Performance könnte auch zur Einführung einer aktiven Aerodynamik genutzt werden, bei der Flügel und Kühler auf Geraden und Kurven unterschiedlich funktionieren. Das würde auch dem Streben nach Effizienz in der Formel 1 entsprechen, da Abtrieb auf der Geraden nicht benötigt wird und der Luftwiderstand den Benzinverbrauch ansteigen lässt.

Spielen die Teams mit?

Eine solche Entscheidung würde die von der Aerodynamik bestimmte und langweilig aussehende Formel 1 von heute völlig verändern. Das würde zwar nicht allen Teams mit ihren spezifischen Stärken und Ansätzen in den Kram passen, aber nur bei einem solch radikalen Umdenken könnte eine neue Ästhetik eingeführt werden.

Das Potenzial für aufregender aussehende Autos ist da. Ob der Sport aber für eine solch große Veränderung bereit ist, muss sich noch zeigen.

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