powered by Motorsport.com

Neues Projekt: Ein Formel-1-Bolide für Jedermann

Ex-Formel-1-Designer Nicolas Perrin arbeitet derzeit an einem eigenen Boliden, der außerhalb der Königsklasse vielfältig nutzbar wäre: Kommt der Einstieg demnächst?

(Motorsport-Total.com) - Sehen wir schon bald ein völlig neu designtes Formel-1-Auto? Aktuell bastelt Ex-Williams-Designer Nicolas Perrin an einem echten Formel-1-Boliden, den er schon bald der Öffentlichkeit vorstellen will. Der Franzose versuchte sich in den vergangenen drei Jahren schon an einem modernen LMP1-Boliden, den er mittels eines Open-Source-Projektes realisierte, jetzt möchte Perrin auch einen kompletten Formel-1-Wagen designen - allerdings diesmal auf eigene Faust.

Titel-Bild zur News: Perrinn-Formel-1-Bolide

Nicolas Perrin arbeitet derzeit an einem aktuellen Formel-1-Design Zoom

Aktuell befindet sich der Bolide, der nach den offiziellen Regularien der Saison 2015 gestaltet wird, bereits im Designprozess, in rund einem Jahr soll das Modell bereit zur Herstellung sein und auf die Strecke gehen können. Doch damit das Vorhaben auch realisiert werden kann, sucht der Franzose mit seinem Unternehmen Perrinn Limited noch nach Investoren und Sponsoren, die ihm bei der Verwirklichung helfen.

Was mit dem Boliden letzten Endes passieren wird, ist noch offen und hängt von eben jenen wirtschaftlichen Komponenten ab, doch Perrin ist davon überzeugt, dass das Projekt großen Zuspruch finden wird. Denn der Bolide wäre das einzige Formel-1-Fahrzeug, das nicht von einem Team der Königsklasse produziert werden würde, was für den ehemaligen Formel-1-Designer klare Vorteile hat.

Denn im Gegensatz zu den offiziellen Formel-1-Teams kann er mit seinem Boliden frei fahren, wann er möchte. Mit 'Motorsport-Total.com' spricht er exklusiv über seinen Plan: "Ich denke, dass es eine großartige Option für Leute wäre, die zum Beispiel jungen Fahrern helfen möchten, Zugang zu einem Formel-1-Cockpit zu bekommen. Es gibt viele junge Piloten, die sich beweisen möchten. Aber sie haben Probleme, einen Test in einem Formel-1-Auto zu bekommen", sagt er.

Offene Testmöglichkeit für Fahrer und Teams

"Noch nie zuvor gab es ein solches Projekt. Die einzigen Formel-1-Autos, die auf dieser Welt existieren, sind von Formel-1-Teams designt und gebaut wurden. Aber noch niemand hat ein Formel-1-Auto exakt nach den Regularien gebaut, wenn er nicht in der Meisterschaft war. Das ist eine Möglichkeit für das Projekt, und ich denke, es besitzt großes Potenzial für Investoren oder Leute, die dabei sein möchten."

Für diesen Plan hat sich Perrin, der zwischen 2005 und 2010 als Designer, Renningenieur und Aerodynamiker in der Formel 1 engagiert war, das Technische Reglement für die Saison 2015 geschnappt und angefangen, sein eigenes Design zu entwickeln. "Wir sind dabei bereits ziemlich weit fortgeschritten und zeigen bereits Bilder vom Auto. Wir werden schon bald mit den Simulationen anfangen - wie wir es beim LMP1-Auto gemacht haben", berichtet er stolz. Das Design deckt sich derzeit mit den Regeln für 2015 und soll mit der Entwicklung der Regularien konstant Updates erfahren.

Perrinn-Formel-1-Bolide

Erste Bilder vom Auto gibt es bereits auf der Homepage von Perrinn zu sehen Zoom

Die Einsatzmöglichkeiten für sein Design sieht Perrin als vielfältig an. Neben Testchancen für Nachwuchspiloten könnte sein Bolide auch für Reifen- oder Motorenhersteller interessant sein. "Es ist ein Auto, bei dem ich mir sicher bin, dass es in Zukunft benutzt werden wird", erzählt Perrin, der insgeheim aber davon träumt, irgendwann mit seinem Unternehmen in der Formel 1 zu fahren. "Wenn ich einen Sponsor oder Investoren finden könnte, dann würde ich gerne ein eigenes Team haben. Ich möchte, dass Perrinn (sein Unternehmen schreibt sich im Gegensatz zu seinem Namen mit zwei n; Anm. d. Red.) Rennen fährt."

Design aus der Eigenproduktion

Doch bis es so weit ist, sieht der Franzose sein Projekt als eine Art Investment. Er möchte zeigen, dass er mit seiner Expertise und seinem Wissen in der Lage ist, aus freien Stücken einen kompletten Formel-1-Boliden zu entwerfen. "Während meiner gesamten Karriere war ich in der Formel 1 oder der LMP1 unterwegs. Für mich ist es daher ein natürlicher Fortschritt, ein Formel-1-Auto zu designen. Es war immer der Fall, dass wir es irgendwann tun würden", sagt er.

"Für mich ist es sehr wichtig, ein Formel-1-Auto zu designen, weil ich mit meiner Erfahrung eine der wenigen Personen außerhalb eines Formel-1-Teams bin, das ein komplettes Auto designen kann. Wir haben einen großen Wert, den wir nutzen können", ist er überzeugt. "Mein Hauptziel ist es, Investoren zu finden, die zu uns kommen und mitentscheiden, was wir mit dem Auto machen sollen."


Windkanal erklärt: Grundlagen

Sauber-Aerodynamik-Chef Willem Toet erklärt die Funktionsweise des Windkanals Weitere Formel-1-Videos

Im Moment könnte man Nicolas Perrin als eine Art alternativen Adrian Newey bezeichnen. Der Franzose entwirft den Boliden selbst und möchte alles in seiner Hand haben: "Ich designe die komplette Architektur, und auch die großen Entscheidungen treffe ich auf traditionelle Weise. Ich verbringe viel Zeit mit den Regeln und entscheide, was ich für gut befinde. Das ist der effizienteste Weg, bevor ich mehr Leute hole, um an die Details zu gehen", erzählt er 'Motorsport-Total.com' weiter.

Vom Ingenieur zum Designer

Dafür nutzt er seine komplette Erfahrung aus dem Motorsport, die er sich in seinen Jahren in der Formel 1 und in Le Mans angeeignet hat. Da er sich nicht nur auf einen Bereich spezialisiert hat, kann er dabei viele Fähigkeiten miteinander verknüpfen. "Ich habe entschieden, dass ich die Bereiche wechseln möchte, was in der Formel 1 sonst niemand macht", sagt er über seine einstige Karriere. Dafür habe er auch Gehaltseinbußen in Kauf genommen.

"Zuerst war ich Renningenieur, dann wollte ich eine komplette Änderung und war Designer. Und wenn man das macht, dann geht man nicht mehr an die Rennstrecke sondern ins Büro. Ich war noch bei Williams, aber das Gehalt sinkt und man muss lernen, wie man mit einer CAD-Software designt. Man braucht komplett andere Fähigkeiten, aber ich hatte immer im Blick, dass ich irgendwann Autos liefern könnte, weil ich die Vorgänge verstanden habe."

Nicolas Perrin

Der von Perrin entworfene LMP1-Bolide ist für Le Mans 2015 rennbereit Zoom

Aktuell hat er bereits einen fertigen LMP1-Boliden, der nur auf Kunden wartet, die ihn bauen und mit ihm 2015 an der Langstreckenszene teilnehmen werden, nun möchte sich Perrin mit der Formel 1 ein zweites Standbein aufbauen. Wohin es ihn letztendlich verschlägt, das kommt ganz auf die Partner an: "Ich weiß nicht, wer uns als erstes mit einer kommerziellen Lösung versorgt. Die erste Lösung wird uns entweder nach Le Mans bringen - oder in die Formel 1", so Perrin.

Gleiche Leistung bei zehn Prozent Budget?

Doch irgendwann, hofft er, wird man in beiden Serien parallel unterwegs sein. Er ist überzeugt davon, dass er in beiden Fällen auch für Hersteller eine interessante Lösung sein könnte: "Wir können etwas liefern, das ziemlich einzigartig ist - und alles zu Kosten, die man nicht schlagen kann", verspricht der Franzose. "Wenn du mir zehn Prozent von dem Budget geben würdest, das die drei großen Hersteller in der LMP1 besitzen, dann weiß ich, dass wir die gleiche Performance liefern könnten!"

Große Worte des Designers, der dafür seine Arbeitsweise verantwortlich macht. Sein Modell basiert nicht darauf, eine große Infrastruktur mit vielen Leuten aufzubauen, "weil das eine Menge kostet", so der Franzose. Er setzt lieber auf ein Netzwerk an Unternehmen, die hinter ihm stehen. Auch der Bau des Formel-1-Boliden soll mithilfe externer Zulieferer geschehen, die Perrin schon von seinem LMP1-Projekt kennt.

"Wenn du mir zehn Prozent von dem Budget geben würdest, dann weiß ich, dass wir die gleiche Performance liefern könnten!" Nicolas Perrin zu den Le-Mans-Herstellern

Geld verbrennen, wie es die meisten Formel-1-Teams heutzutage tun, das ist nicht Perrins Ding: "Ich besitze ein einfacheres System, das sich komplett auf mich als Designer und Führer stützt. Auch beim Design des Autos nehme ich mir viel Zeit für die Entscheidungen, bevor es an die teuren Fortschritte wie dem Windkanal oder dem Bau geht." Mit seinen privaten Investitionen hat der Unternehmer gelernt, wie man mit wenig Geld auskommt.

Der Traum vom eigenen Formel-1-Team

Doch das solche Aussagen nicht nur leere Worthülsen sind, gilt es jetzt zu beweisen. Mit dem universell einsetzbaren, externen Formel-1-Boliden soll es losgehen, doch irgendwann möchte Perrin sein eigenes Team in der Königsklasse haben. "Ich möchte gerne ein Werksrennstall werden", träumt er. "Ich habe eine Leidenschaft für Le Mans und auch für die Formel 1. Wir möchten als Spitzendesign- und -herstellerfirma gesehen werden, die sowohl Formel-1- wie auch LMP1-Fahrzeuge liefern kann."

Dass die Formel 1 für neue Teams als schwieriges Pflaster gilt, ist Perrin allerdings nicht erst seit gestern bekannt. Caterham und Marussia mussten zuletzt leidlich erfahren, wie schwierig das Haifischbecken Formel 1 ist. Die Königsklasse gilt aktuell nur als Maschinerie zum Geldverbrennen. Was könnte einen Mann wie Nicolas Perrin also in die Formel 1 treiben - außer die Leidenschaft? Doch ganz so schwarzmalen möchte der Franzose nicht.

"Ich denke, dass es für uns einen Platz in beiden Meisterschaften gibt." Nicolas Perrin

"Jeder weiß, dass die Formel 1 noch größer ist als der Langstreckensport. Das Potenzial für Investment und Interesse ist daher immer noch höher", sagt er und fängt an zu erklären: "Man muss es so sehen: Wenn man in der Formel 1 fährt, dann sind einem bestimmte Einnahmen in Höhe von 40 bis 50 Millionen Pfund pro Jahr garantiert. Das Formula One Management gibt einem Geld zurück, worüber in diesen Tagen ja viel gesprochen wird. Und dann kommen auch die Sponsoren einfacher."

Formel 1 einfacher als Le Mans?

"Ich denke, dass wir wieder in der Lage wären, mit weniger Geld als beispielsweise Ferrari zu fahren", sagt der Franzose und kommt damit wieder auf den Umstand zu sprechen, dass die großen Teams zwar mehr Einnahmen generieren, durch ihre große Infrastruktur und Personaldecke allerdings auch weitaus größere Ausgaben haben. "Das werden wir aber nicht machen", betont Perrin.

Zudem sei der Weg für ihn in der Formel 1 einfacher als beispielsweise in Le Mans - einfach, weil die Einnahmen viel höher seien. "Wenn man in Le Mans fährt, dann bekommt man hingegen überhaupt kein Geld von den Organisatoren. Und wenn man in Le Mans gewinnt, bekommt man auch nur einen kleinen Teil - und Sponsoren sind dort sowieso schwieriger zu bekommen", weiß er aus eigener Erfahrung, wovon er spricht.

Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Felipe Massa, Valtteri Bottas

Das Ziel des Franzosen ist es, irgendwann Teil des Formel-1-Feldes zu sein Zoom

Aber natürlich möchte er die Formel 1 nicht auf die leichte Schulter nehmen. "Um ehrlich zu sein: Das eine ist nicht schwieriger als das andere. In der Formel 1 gibt man zwar mehr aus, aber man bekommt auch mehr zurück. In Le Mans gibt man weniger aus, bekommt aber auch weniger." Perrin ist überzeugt: "Ich denke, dass es für uns einen Platz in beiden Meisterschaften gibt. Vor uns liegt eine strahlende Zukunft." Wie strahlend, das hängt vor allem von den Investoren ab.