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Klien: Den Traktor hat Bianchi gar nicht gesehen

Der Unfall von Jules Bianchi wirft mehrere Fragen auf: Christian Klien versucht, die Eindrücke aus Fahrersicht wiederzugeben: "Es ist eine heikle Kurve"

(Motorsport-Total.com) - Die Umstände, die zu dem schweren Unfall von Jules Bianchi in Suzuka geführt haben, werden intensiv diskutiert. Hätte man das Rennen wegen des Regens früher abbrechen müssen? Hätte das Safety-Car früher auf die Strecke geschickt werden müssen? War es schon zu dunkel und die Fahrer konnten nicht mehr genug sehen? Als es in der Schlussphase des Rennens stärker zu regnen begann, rutschte zunächst Sauber-Pilot Adrian Sutil von der Strecke. An dieser Stelle wurden doppelte gelbe Flaggen geschwenkt, was bedeutet, dass ein Fahrer jederzeit anhalten können muss.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Lewis Hamilton

Für Christian Klien und Helmut Marko waren die Verhältnisse noch regulär Zoom

Doch beherzigen Fahrer wirklich diese Vorgabe? "Man sollte natürlich etwas vorausschauender und vorsichtiger fahren, aber man will auch keine Zeit verlieren", sagt Ex-Formel-1-Pilot Christian Klien bei 'ServusTV' und gibt zu: "Deswegen geht man nicht wirklich vom Gas. Bianchis Unfall ist in einer sehr schwierigen Kurve passiert, es geht links den Berg hoch. Man sieht die gelben Flaggen, aber wahrscheinlich hat man den Traktor nicht gesehen."

"Für den Fahrer ist die Stelle nicht wirklich einsehbar, wo der Traktor gestanden ist. Dazu läuft dort auch ein kleiner Bach über die Strecke, wenn es regnet. Somit herrscht Aquaplaninggefahr. Es ist eine sehr heikle Kurve. Kommt der Traktor in einer anderen Kurve heraus, passiert wahrscheinlich gar nichts. Es war eine Verkettung von sehr, sehr ungünstigen Situationen", meint der Österreicher. Klien fuhr in den Jahren 2004 und 2005 den Grand Prix in Suzuka.

Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko lässt eine Kritik an der Rennleitung nicht gelten, denn für ihn waren die Verhältnisse schwierig, aber regular: "Beim Start um 15:00 Uhr herrschte sehr starker Regen. Deswegen war es wichtig, dass hinter dem Safety-Car gestartet wurde. In der Folge hat der Regen nachgelassen und hat dann überhaupt aufgehört. Es war dann ein normales Regenrennen", so der Österreicher. "Erst gegen Ende, was auch genau vorhersehbar war, kam wieder stärkerer Regen."

Dennoch war für Marko ein vorzeitiger Abbruch nicht notwendig: "Als der Unfall passierte, hat Sebastian keine extremen Regenreifen gefordert. Es war also zumutbar. Die Dunkelheit kommt in Japan sehr schnell, und die Kamera ist ja lang draufgeblieben. Im normalen Rennverlauf war es berechtigt, das Rennen zu Ende zu fahren." Vor allem Williams-Pilot Felipe Massa meinte im Anschluss an das Rennen, dass er über Funk gefordert hatte, das Rennen vorzeitig abzubrechen.


Fotostrecke: Unfall von Jules Bianchi

Fahrer in der Verantwortung, aber...

Noch einmal die Einschätzung aus Fahrersicht von Klien: "Im Endeffekt ist schon der Fahrer in der Verantwortung. Es hängt natürlich davon ab, ob du schon mit abgefahrenen Intermediates unterwegs bist, wenn die Rillen schon abgefahren sind und man mehr Aquaplaning hat. Das ist von Fahrer zu Fahrer verschieden. Der eine fühlt sich im Regen wohler als der andere. Deshalb gibt es unterschiedliche Meinungen, das ist ganz klar. Ich denke aber schon, dass es noch gerechtfertigt war, wie die Verhältnisse gegen Rennende waren. Es war weniger Wasser auf der Strecke als am Anfang des Rennens. Von der Sicht her war es okay."

Deswegen gibt es auch die Rennleitung, denn man kann nicht immer auf die Wünsche der Fahrer reagieren. Marko verweist auf den Wettbewerb auf der Strecke: "Massa war am Anfang hinter dem Safety-Car an der vierten Stelle. Er hat gesagt, dass das Rennen gestartet werden kann. Als er dann gesehen hat, dass sein Williams nicht liegt und der Reifenverschleiß höher ist, gab es dann eine Meinungsänderung. Man muss schon immer die individuelle Situation des Fahrers sehen. Läuft alles gut, dann ist alles himmelblau. Wenn es nicht läuft, dann besser aufhören, bevor man noch zwei Plätze zurückfällt."

Christian Klien

Christian Klien bestritt in seiner Karriere zwei Formel-1-Rennen in Suzuka Zoom

Eine weitere Frage ist, ob das Safety-Car nicht schon direkt nach dem Sutil-Unfall auf die Strecke geschickt hätte werden müssen. Jacques Villeneuve hat beispielsweise gefordert, dass wie im US-Rennsport das Feld nach jedem Zwischenfall neutralisiert werden müsste. Mika Häkkinen, selbst zweifacher Formel-1-Weltmeister, sieht die Sache gemischt: "Wenn in einer Hochgeschwindigkeitskurve ein Unfall passiert ist und ein Rinnsal über die Strecke läuft, und zusätzlich ein Bergefahrzeug am Kurvenausgang steht, dann sollte automatisch das Safety-Car auf die Strecke geschickt werden."

Allerdings gibt es für die Rennleitung immer mehrere Prozesse zu überblicken und dann Entscheidungen zu treffen. "Es ist aber eine sehr komplizierte Situation", weiß auch Häkkinen. "Ich sitze nicht da und treffe diese Entscheidungen. Deshalb wäre es für mich jetzt unfair, diese Situation zu beurteilen, ob sie richtig oder falsch war. Die Logik sagt, dass in dieser Situation sofort reagiert werden muss. Es ist jetzt aber sehr schwierig, Kritik zu üben." Nach dem Unfall von Bianchi wurde sofort das Safety-Car und Medical-Autos auf die Strecke geschickt.