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  • 05.10.2014 10:05

  • von Dominik Sharaf & Fabian Hust

Hamilton triumphiert im Regen-Chaos von Suzuka

Der WM-Führende sichert sich beim abgebrochenen Großen Preis von Japan den Sieg vor Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg und Sebastian Vettel im Red Bull

(Motorsport-Total.com) - Viel Regen, ein Start hinter dem Safety-Car, rote Flaggen und zwei Mercedes-Piloten nach einem Rennabbruch ganz oben auf dem Podium: Der Japan-Grand-Prix am Sonntag in Suzuka hielt alles, was sich die Formel-1-Fans von ihm versprachen und erlebte noch eine Überraschung im negativen Sinne: Die Ungewissheit über den Gesundheitszustand des Marussia-Piloten Jules Bianchi, der kurz vor Schluss verunglückte, trübte nicht nur die Freude des Rennsiegers Lewis Hamilton.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Lewis Hamilton

Nico Rosberg und Lewis Hamilton duellierten sich um den Sieg in Suzuka Zoom

Dabei hatte der WM-Führende eine Galavorstellung unter den durch die Vorboten des Taifuns Phanfone erwartet kniffligen Bedingungen abgeliefert. "Es war großartig. Was für ein Tag!", jubelt Hamilton und resümiert: "Es war ein schwieriges Wochenende. Mit dem vielen Regen wurde es sehr schwierig." Er vergleiht seine Fahrt mit dem ersten Japan-Sieg 2008, damals noch auf der Bahn in Fuji und für McLaren, aber bei ähnlichem Wetter. "Ich hatte einen guten Lauf. Vom Gefühl her war es beinahe wie 2008", so Hamilton.

Bei Nico Rosberg war die Stimmung nach einem Start von der Pole-Position, aber nur Rang zwei im Ziel, eher gedämpft: "Ich habe ich mich heute insgesamt schwer getan im ganzen Rennen, hatte einfach keine Balance im Auto, einfach zu viel Übersteuern", klagt der Wiesbadener und räumt ein, dass er dem Stallrivalen, der ihn auf der Stecke überholte, nichts entgegenzusetzen hatte: "Die Bedingungen waren echt hart, von daher sind der zweite Platz und die sieben Punkte, die ich auf ihn verloren habe noch im Rahmen. Für uns als Team ist es natürlich wieder ein gigantisches Rennen."

Silberpfeile kraulen allen davon

Sebastian Vettel leistete sich weder taktische noch fahrerische Fehler schob sich an der hausinternen Konkurrenz sowie den restlichen Kontrahenten auf Rang drei: "Es war sehr, sehr schwierig da draußen. Es war unheimlich einfach, einen Fehler zu machen, weil es eben so rutschig war. Ich glaube, wir kamen sehr gut zurecht und hatten von Anfang an einen guten Speed, den wir gehen konnten", beschreibt der Deutsche sein Rennen, bei dem er die Mercedes nur mit dem Feldstecher beobachten konnte: "Sie waren allgemein schon in einer anderen Liga. Alles in allem war es für uns ein sehr guter Tag. Damit bin ich natürlich sehr zufrieden - auch auf meiner Lieblingsstrecke wieder auf dem Podium zu stehen."

Der Reihe nach: Bei starkem Regen ging es zunächst hinter dem Safety-Car los, was für Marcus Ericsson sogar zu schnell war. Der Caterham-Pilot drehte sich und provozierte so eine rote Flagge. "Meiner Meinung nach wurde das Rennen zu früh gestartet", beklagt Felipe Massa. "Anfangs waren die Bedingungen wirklich nicht so, dass man ein Rennen hätte fahren können." Nach drei absolvierten Runden und rund 15 Minuten Standpause in der Boxengasse ging es weiter, erneut hinter dem Führungsfahrzeug. Fernando Alonso musste seinen Ferrari wenige Hundert Meter später mit einem technischen Defekt abstellen, als viele Piloten im Funk schon die Rennfreigabe forderten.

Nach zehn Runden war es soweit - kurz darauf pokerten schon die ersten Fahrer auf Intermediates, schließlich hatte die FIA einen Rennstart auf Regenreifen verfügt und diesem Vabanque-Spiel so Tür und Tor geöffnet. Unter den Zockern befand sich auch Chaos-Spezialist Jenson Button, der im Mittelfeld auf Anhieb das Tempo der beiden Mercedes-Piloten an der Spitze mitging. "Es ist bei diesen Bedingungen immer ein schmaler Grat. Weil es so viel Spray gibt, kann man nicht genau sehen, wie viel Wasser auf der Strecke steht", erklärt der McLaren-Routinier.

Rosberg räumt ein: "Lewis war einfach schneller"

Rosberg und Hamilton kontrollierten die Szenerie bis zur Serie der ersten Boxenstopps souverän, fuhren jedoch am Limit. Bester Beweis war ein Ausritt des Briten in der Spoon-Kurve. Für die Action sorgte Red Bull: Vettel arbeitete sich vorbei an den im Regen wehrlosen Williams auf Rang drei, Daniel Ricciardo zog in seinem Windschatten mit. Der Australier düpierte sowohl Massa als auch Valtteri Bottas in den S-Kurven auf der Außenbahn. Als die beiden Bullen in die Box kamen, um frische Reifen zu fassen, war allerdings plötzlich ein McLaren vor ihnen: Button hatte von seiner riskanten Strategie profitiert und sich so abseits der TV-Kameras nach vorne gearbeitet.

Die große Show spielte sich an der Spitze ab: Hamilton entfachte auf frischen Pneus hinter Rosberg enormen Druck, schob sich an den Teamkollegen heran und in Runde 29 vor der ersten Kurve mit der Hilfe von DRS neben den zweiten Silberpfeil. Auf der Außenbahn schnappte er sich mit einem beherzten Manöver die Führung und war fortan wie entfesselt unterwegs. Binnen zwei Umläufen betrug die Lücke bereits 3,9 Sekunden. "Lewis war einfach schneller und hat mich dann in Kure 1 erwischt. Das war natürlich ärgerlich, aber es ist halt so", kommentiert Rosberg seine Schlappe.

Beim zweiten Boxenstopp nützte ihm der frühere Zeitpunkt nichts. Hamilton blieb vorne und gab die Zügel nicht mehr aus der Hand, bis das Rennen nach 44 Runden hinter dem zuvor ausgerückten Safety-Car durch die zweite rote Flagge beendet wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren die Sorgen bereits groß: Nachdem Adrian Sutil in seinem Sauber bei einem eher harmlosen Abflug in die Reifenstapel gekracht war und unverletzt ausstieg, kollidierte Bianchi unbeobachtet von den TV-Kameras mit dem ausgerückten Bergungsfahrzeug - unter gelber Flagge. Das Medical-Car war sofort zur Stelle.

Ricciardo oder Vettel: Verwirrung um Platz drei

Hinter den silbernen Speedbooten hatte sich zuvor Vettel Rang drei von Button zurückgeholt, als der Brite beim zweiten Reifenwechsel 6,9 Sekunden lang bei der Crew parkte. Ricciardo löste das Problem anschließend auf der Strecke und blieb Vierter, während Button als Fünfter zu Ende fuhr. Als die Autos nach dem Abbruch bereits in der Boxengasse parkten gab es nochmal Verwirrung um die Red Bull: Weil Vettel im Falle einer Wiederfreigabe mit frischen Pneus einen Taktikcoup landen wollte, wechselte er hinter dem Safety-Car und fiel hinter Ricciardo zurück. "Zum Schluss hätte es mit unserer Entscheidung, in die Box zu fahren, noch einmal interessant werden können", sagt Vettel. "Ich dachte zunächst, dass ich den Platz auf dem Podium verloren hätte."

Im offiziellen Endergebnis jedoch gebührte ihm Platz drei, weil die Wertung vor dem Boxenstopp erfolgte. Die Punkteränge komplettierten Button als Fünfter, die Williams-Piloten Bottas und Massa (6. und 7.), der sonst unauffällige Nico Hülkenberg (8.), Jean-Eric Vergne (9.) und Sergio Perez (10.). In der WM-Gesamtwertung baute Hamilton seinen Vorsprung auf Rosberg bei vier noch ausstehenden Rennen auf zehn Punkte aus und hat die Nase mit 266 zu 256 Zählern vorne. Ricciardo (193) ist weiter Dritter und komfortabel vor Vettel (133).