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  • 09.08.2014 15:09

Telemetrie unter der Lupe: Was die Kurven verraten

Ferrari-Dateningenieur Giuliano Salve erläutert eine typische Telemetrie-Grafik und erklärt, weshalb die Aufzeichnungen der Werte in der Formel 1 so wichtig sind

(Motorsport-Total.com) - Ohne sie geht in der modernen Formel 1 so gut wie gar nichts mehr: Die Telemetrie. Hunderte von Sensoren an den Autos erfassen permanent sämtliche Parameter und senden sie an die Box, wo sie von Heerscharen von Ingenieuren überwacht und ausgewertet werden. Neben der Überwachung der Fahrzeugfunktionen werden die gewonnen Daten vor allem zur Steigerung der Performance genutzt.

Ein gängiges Verfahren ist hierbei der Vergleich der Werte der beiden Fahrer eines Team. Dabei wird schnell klar, welcher Fahrer an welcher Stelle des Kurses schneller ist und wie sich auch die letzten Hundertstelsekunden herausholen lassen. Doch wie funktioniert das genau? Das erklärt Giuliano Salve, Dateningenieur am Ferrari von Kimi Räikkönen anhand zweier Telemetrie-Grafiken, die 2013 am Hungaroring aufgezeichnet wurden:

"Bevor ich den Vergleich erkläre, schauen wir uns zunächst einmal an, welche Parameter auf der Grafik dargestellt werden (Klicken Sie hierzu auf das zweite Bild der Fotostrecke). Die erste Linie von oben zeigt an, welcher Gang eingelegt ist. Die zweite zeigt die Lenkung: Ist sie stabil, bedeutete dies, der Fahrer fährt geradeaus. Geht die Linie nach unten, lenkt der Fahrer nach rechts und umgekehrt.

Die dritte Linie zeigt den Einsatz des DRS an. Der Heckflügel darf im Training, Qualifying sowie im Rennen aufgeklappt werden, dort allerdings nur, wenn der Abstand zum vorausfahrenden Auto nicht mehr als eine Sekunde beträgt. Wie man anhand der Grafik erkennen kann, gibt es auf dieser Rennstrecke eine DRS-Zone auf der Start- und Zielgeraden und eine weitere nach der ersten Kurve.

Die vierte Linie zeichnet den Einsatz des Beschleunigungspedals auf. Sie besteht im Grunde aus zwei Linien und erfasst sowohl die Eingabe, die vom Fahrer kommt, als auch die des elektronischen Kontrollsystems. In diesem Fall beginnt der Fahrer die Runde mit Vollgas, weil er sich auf einer Geraden befinden. Dann erkennt man, dass die Leistungskurve des Motors absinkt, weil der Drehzahlbegrenzer erreicht wird. In diesem Fall reduziert die Elektronik unabhängig vom Einfluss des Fahrers die Leistung, um den Motor zu schützen.


Mercedes erklärt die Telemetrie

Darunter befinden sich zwei Linien, die sich mehr oder weniger entgegengesetzt zueinander bewegen. Geht die eine nach oben, geht die andere nach unten und umgekehrt. Diese zeichnen die Geschwindigkeit und die Betätigung des Bremspedals auf. Im zweiten Teil der Runde erkennt man einige Punkte, an denen die Geschwindigkeit nicht so steil ansteigt wie an anderen.

Im unteren Teil der Grafik finden sich weitere wichtige Informationen. Die gezahnte Linie zeichnet die Werte eine Kraftmesssonde auf. Dieser Referenzpunkt ist vor allem dann nützlich, wenn man den Unterschied zwischen den Fahrlinien der beiden Fahrer erkennen und Aspekte korrigieren will, die das Auto im Verlauf der Runde einbremsen. Die nächste Linie zeigt die Windrichtung. Diese muss ständig überwacht werden, damit das Auto auf die Wetterbedingungen abgestimmt werden kann, je nachdem, ob der Wind von vorne oder von der Seite kommt.

Die grüne Linie zeichnet die Ausschläge einer Kraftmesssonde auf, die entstehen, wenn die Holzplatte am Unterboden des Fahrzeuges den Boden berührt. Zu guter Letzt folgt die Anzeige des KERS, das in diesem Jahr Bestandteil des ERS ist und heute nicht mehr vom Fahrer gesteuert werden kann. Bei dieser Grafik erkennt man, wann es eingesetzt und wann es aufgeladen wurde."

Der Vergleich der beiden Fahrer

"In der Vergleichsgrafik (Klicken Sie hierzu auf Bild drei unserer Fotostrecke) erkennt man die unterschiedlichen Fahrstile der beiden Fahrer. Der blaue und der rote Fahrer produzieren nahezu identische Grafiken, die im Verlauf der Runde nur minimal voneinander abweichen. Wenn man sich allerdings den Einsatz von Gaspedal und Bremse sowie die Geschwindigkeitskurve genauer ansieht, erkennt man interessante Unterschiede.

Anhand des ersten Teils der Brems- und Geschwindigkeitskurve erkennt man, dass der rote Fahrer härter bremst, dafür aber früher wieder aufs Gaspedal tritt, nachdem er den Scheitelpunkt der Kurve passiert hat. Der blaue Fahrer hat einen etwas sanfteren Fahrstil. Er bremst etwas früher und mit weniger Kraft, weshalb er beim Bremsen weniger Geschwindigkeit abbaut.

Bei der Grafik für Gaspedal und Bremse gibt es eine zusätzliche Linie, welche die Rundenzeiten der beiden Fahrer miteinander vergleicht. Die Ingenieure vergleichen die Werte der beiden Fahrer ständig miteinander, um so das bestmögliche Resultat zu erzielen. Es geht dabei um Tausendstelsekunden, aber so verbessert man sich, kann Lücken schließen, die vielleicht sogar in Sekunden gemessen werden und hilft einem Fahrer dabei, an die Spitze zu kommen."