• 22.08.2014 14:15

  • von Dieter Rencken, Ruben Zimmermann & Dominik Sharaf

Fahrer wollen wieder schwitzen: Ist die Formel 1 zu einfach?

Kann mittlerweile auch ein Durchschnittsmensch ein Formel-1-Auto fahren? Viele Piloten kritisieren die fehlende physische Herausforderung im Cockpit

(Motorsport-Total.com) - Immer wieder neue Kritik an der Formel 1: Den Zuschauern ist die Königsklasse schon lange nicht mehr laut genug, die Überholmanöver sind zu künstlich und überhaupt stößt die "neue" Formel 1 durch die vielen Regeländerungen bei einem Großteil der Motorsportfans auf wenig Gegenliebe. Nun bringen die Piloten selbst einen neuen Kritikpunkt auf: Einige Fahrer fühlen sich im Cockpit nicht mehr ausreichend beansprucht.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Wie groß ist die Anstrengung für Nico Rosberg im Cockpit 2014 wirklich noch? Zoom

"Es ist großartig, so wie es ist, aber vielleicht wäre es noch etwas besser, wenn ich in jeder Runde wie im Qualifying fahren könnte und die Reifen ewig halten würden", erklärt beispielsweise Nico Rosberg und ergänzt: "Wenn man im Rennen in jeder Runde wie im Qualifying fahren könnte und es physisch härter wäre, dann würde es das noch etwas besser machen. Aber eigentlich denke ich nicht daran, denn es ist jetzt eben so, wie es ist, und das ist großartig."

Das Problem liegt auf der Hand: Die Fahrer müssen heutzutage während eines Rennens häufig ihre Reifen schonen und können so nicht mehr ans Limit gehen. Das macht es physisch deutlich einfacher und Bilder wie das von Ayrton Senna, der 1991 nach seinem Sieg in Brasilien völlig ausgelaugt aus seinem McLaren stieg, gehören offenbar der Vergangenheit an.

Bianchi und Hülkenberg wollen mehr Anstrengung

Zugegebenermaßen hatte der Brasilianer damals erschwerend mit einem Getriebeproblem zu kämpfen, doch auch generell sind sich die Piloten darüber einig, dass das Fahren früher anstrengender war. So würde es Jules Bianchi gut finden, wenn es im Cockpit wieder etwas härter zugehen wäre: "Ich habe kein Problem damit, wir sind am Ende eines Rennens ganz sicher nicht komplett tot. Wir haben noch immer Energie."

"Vielleicht wäre es besser, wenn die Außenstehenden sehen würden, dass wir komplett erschöpft aus dem Auto fallen, keine Ahnung was sie wollen. Momentan ist es aber ganz sicher nicht so. Wenn wir das verbessern können, dann sollten wir das auch machen", so der Marussia-Pilot. Auch Red-Bull-Neuling Daniel Ricciardo stimmt zu und erklärt: "Vielleicht sollten wir etwas mehr ins Schwitzen kommen."

Nico Hülkenberg ergänzt: "Ich habe bei Lotterer gesagt, dass es schwer für ihn werden wird, weil er lange keine Formel 1 mehr gefahren ist. Wenn ich jetzt die Zeit gerade mit meinem Einstieg 2010 vergleiche, dann glaube ich, dass es ein bisschen einfacher geworden ist. Es ist nicht mehr so schnell, die Kräfte sind nicht mehr so hoch, dadurch ist es physisch weniger anstrengender, und so weiter."


Großer Preis von Belgien

"Darum können so Leute wie Kwjat oder Magnussen auch reinkommen und sofort mehr oder weniger ihre Teamkollegen dominieren. Das ist nicht normal. Ich will die nicht schlecht reden, die können mit Sicherheit gut Autofahren und sind gute Rennfahrer. Aber der Level ist vielleicht ein bisschen runtergekommen. Ich würde mir wünschen, dass es wieder etwas schneller und dynamischer wird, aber dass müssen andere entscheiden."

Wann war es wirklich schwieriger?

Daniil Kwjat selbst behauptet allerdings, dass es für ihn kein Problem wäre, wenn die Autos wieder etwas schwieriger zu fahren sein würden: "Ich habe im Auto des vergangenen Jahres getestet, also kann ich mich ein bisschen darauf beziehen. Für mich wäre das ehrlich gesagt kein Problem, ich könnte das Auto des vergangenen Jahres sowohl vom physischen Standpunkt als auch vom Speed her fahren. Letztendlich denke ich nicht, dass die Autos dieses Jahr einfacher zu fahren sind."

"Wir haben etwas Abtrieb verloren, also müssen wir kämpfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Eau Rouge sehr interessant und wieder eine Herausforderung sein wird. In den vergangenen Jahren konnte man einfach mit Vollgas durchfahren und ich denke nicht, dass es jetzt auch so einfach sein wird. Es gibt immer positive und negative Aspekte. Jeder hat eine andere Meinung, also ist es schwierig, alle zufriedenzustellen."

Michael Schumacher, Eddie Irvine, Mika Häkkinen auf dem Podium in Malaysia 1999

Legendär: Mika Häkkinen bricht 1999 in Malaysia vor Erschöpfung fast zusammen Zoom

Für Felipe Massa ist die Frage allerdings nicht, ob die Autos nur im Vergleich zu den 2013er Modellen leichter zu fahren sind. Er blickt noch ein Stück weiter zurück: "Ob es physisch härter oder leichter wird, hängt vor allem mit dem Nachtanken zusammen. Damals hatten wir außerdem viel mehr Grip an den Reifen. Ich denke, diese beiden Faktoren machen das Auto schwieriger zu fahren."

"Wenn du mehr Grip hast und wenn du maximal 60 Kilogramm Sprit im Auto haben durftest, als das Nachtanken noch erlaubt war, war es in den meisten Runden viel schneller. Darum war es von einem physischen Standpunkt aus viel schwieriger", blickt der Brasilianer auf seine Anfangsjahre in der Königsklasse zurück.

"Im Moment ist es physisch nicht so schwer wie zuvor, ein Formel-1-Auto zu fahren", erklärt auch Esteban Gutierrez und ergänzt: "Ich habe zwar keine Erfahrung von zehn Jahren in der Formel 1, aber ich kenne es von vor drei oder vier Jahren, als ich das erste Mal für BMW-Sauber getestet habe. Und selbst da hatten wir die abgespeckte Abtriebsversion. Und es wird immer weniger, weniger und weniger."

"Es ist nicht mehr so schnell, die Kräfte sind nicht mehr so hoch, dadurch ist es physisch weniger anstrengender." Nico Hülkenberg

"Wir haben versucht, die Show und das Überholen zu verbessern. Das haben wir getan, indem wir versucht haben, den Abtrieb zu reduzieren. Viel hängt aber auch am mechanischen Grip des Autos. Wenn das in den kommenden drei Jahren balanciert werden kann, dann haben wir eine gute Lösung", so der Mexikaner.

Grosjean und Sutil betonen neue Herausforderungen

"Ich denke, das liegt vor allem daran, dass die vergangenen Rennen wirklich kühl waren", bringt Romain Grosjean noch einen neuen Aspekt auf und ergänzt: "Versteht das nicht falsch, die Autos sind nicht einfach zu fahren. Sie haben noch immer eine gute Performance. Ja, physisch ist es einfach, aber es gibt andere Herausforderungen."

"Ich denke, es ist noch immer ein harter Job. Ich erinnere mich an 2009 und damals waren die Autos schwieriger zu fahren. Ich würde es so sagen: Je schneller es ist, desto mehr genießen wir es. Wir sind Rennfahrer. Wenn man uns 200 PS mehr und zusätzlichen Grip gibt, dann nehmen wir es. Aber was wir wirklich wollen, sind gute Rennen."

Adrian Sutil findet die Autos in diesem Jahr "schwieriger zu fahren, weil sie weniger Grip und mehr Leistung haben. Das macht das Ganze ein bisschen schwieriger. Hinzu kommt, dass man während der Fahrt so viel verstellen muss. Da hat man natürlich nicht immer die Ruhe, sich komplett aufs Fahren zu konzentrieren." Der Sauber-Pilot bezieht sich damit allerdings vor allem auf das Multitasking, das die Fahrer in diesem Jahr betreiben müssen.

"Die Autos sind in diesem Jahr schwieriger zu fahren, weil sie weniger Grip und mehr Leistung haben." Adrian Sutil

Rosberg will gute Show liefern

"In erster Linie sind wir für die Fans hier. Also müssen wir großartiges Racing liefern", betont Rosberg und ergänzt: "Momentan sehen wir das, was sehr positiv ist. Das ist die wichtigste Sache. Dann müssen wir am Sound arbeiten, der den Fans offenbar sehr wichtig zu sein scheint, was ich auch verstehen kann. Diese Dinge sind wichtig."

"Ich denke, von außen ist es noch immer großartig, diesen Autos zuzusehen. Sie sind in Sachen Kurvengeschwindigkeit noch immer die schnellsten Autos." Massa fügt hinzu: "Ich denke, für die Fans ist es definitiv sehr schön. Sie sehen eine Menge Überholmanöver." Trotzdem weiß der Williams-Pilot, dass es noch immer Möglichkeiten gibt, die Königsklasse noch attraktiver zu gestalten: "Der Sound ist etwas, das es noch spektakulärer macht, so wie wir das in der Vergangenheit hatten."

Nico Rosberg

Genz locker: Nico Rosberg hat auch nach Qualifying und Rennen noch Energie Zoom

"Aber trotzdem sehen sie Kämpfe. In jedem Rennen gibt es große Duelle zwischen den Autos. Ich denke, das ist für die Leute sehr interessant. Der Sound ist allerdings definitiv etwas, was uns fehlt." Rosberg ergänzt: "Ich verstehe, dass wir weiter daran arbeiten müssen, und hoffentlich werden wir eine Lösung finden. Vielleicht setzen wir einfach ein paar große Lautsprecher auf das Auto. Das ist sowieso die Richtung, in die Elektroautos in der Zukunft gehen werden."