• 19.07.2014 13:14

  • von Gary Anderson & Edd Straw (Haymarket)

Technik-Analyse: Welche Folgen hat der Verzicht auf FRIC?

Gary Anderson und Edd Straw analysieren den ersten Trainingstag der Formel 1 ohne FRIC und untersuchen, ob sich das Kräfteverhältnis verändert hat

(Motorsport-Total.com) - Die Abschaffung der FRIC-Aufhängungssysteme war vor dem Großen Preis von Deutschland in Hockenheim das große Gesprächsthema in der Formel 1. Die Freien Trainings am Freitag boten die erste Möglichkeit um zu sehen, ob der Vorsprung der Mercedes geschrumpft ist. Wie immer erzählen die reinen Rundenzeiten nur einen kleinen Teil der Geschichte. Man darf sich aber aus vielen anderen Gründen auf ein eng umkämpftes Wochenende freuen.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg

Der Vorsprung der Mercedes ist durch den Ausbau des FRIC leicht geschmolzen Zoom

Wie immer waren die Mercedes an der Spitze, gefolgt von Daniel Ricciardo. Die schnellsten Rundenzeiten wurden durchweg auf den superweichen Reifen von Pirelli gefahren, die auf einer schnellen Runde deutlich schneller als die weichen Reifen waren. Pirelli hatte erwartet, dass der Unterschied zwischen beiden Mischungen zwischen 0,6 und 0,7 Sekunden betragen würde. Durch die sehr hohe Streckentemperatur von bis zu 58°C betrug der Unterschied aber mehr als eine Sekunde.

Es gab allerdings Anzeichen dafür, dass die Mercedes hätten schneller fahren können. Trotz der stark abbauenden Reifen brach Nico Rosberg seine erste schnelle Runde ab und fuhr seine schnellste Zeit im zweiten Anlauf, wobei er nur 24 Tausendstelsekunden langsamer als die Bestzeit von Lewis Hamilton war.

Die schnellsten Rundenzeiten der einzelnen Autos:
01. Mercedes (Lewis Hamilton) - 1:18.314 Minuten
02. Red Bull (Daniel Ricciardo) +0,102
03. Ferrari (Kimi Räikkönen) +0,546
04. McLaren (Kevin Magnussen) +0,619
05. Williams (Felipe Massa) +0,683
06. Sauber (Adrian Sutil) +1,076
07. Toro Rosso (Daniil Kwjat) +1,111
08. Force India (Sergio Perez) +1,240
09. Lotus (Pastor Maldonado) +1,817
10. Marussia (Jules Bianchi) +2,987
11. Caterham (Marcus Ericsson) +3,529

FRIC-Sieger und Verlierer

"Nach nur einem Tag die Auswirkungen einer Regeländerung zu beurteilen, ist immer schwierig, aber dennoch ist es nach dem Freitagstraining sinnvoll zu betrachten, wo wer steht, nachdem alle Autos ohne FRIC gefahren sind", sagt Gary Anderson. "Um ein grobes Bild der Veränderungen zu erhalten, ermittelt man am besten das Tempo der einzelnen Autos im Verhältnis zum Schnellsten und vergleicht dies mit dem Durchschnitt der ersten neun Rennwochenenden des Jahres 2014."

"Damit dies so genau wie möglich ist, wandele ich die Zeiten in einen Prozentwert im Verhältnis zur schnellsten Rundenzeit des Wochenendes um. Dadurch erhält man einheitliche Werte, die nicht durch die unterschiedlichen Rundenlängen beeinflusst werden", erklärt der frühere Jordan-Designer Anderson seine Methode. "Das vermittelt zwar nur eine allgemeine Vorstellung davon, was sich durch den Verlust von FRIC verändert hat, aber es scheint so als habe Mercedes ein wenig verloren."

"Es zeigt sich, dass Mercedes weiterhin an der Spitze ist, allerdings haben ihre ärgsten Rivalen von Red Bull dramatisch aufgeholt, während Sauber einen großen Sprung nach vorne gemacht hat", erläutert Anderson. "McLaren hat seinen Rückstand halbiert, allerdings ist es in diesem Fall wichtig zu betonen, dass das Team auch weitere Updates eingesetzt hat. Die meisten Teams haben zwischen 0,286 (Ferrari) und 0,699 Prozent (Caterham) gewonnen."

Warum der Verlust von FRIC einen Unterschied macht

"Bei den meisten Autos sah es so aus, als seien sie schwieriger zu fahren", meint Anderson. "Der Sauber sah beispielsweise immer schon schwierig zu fahren aus. Jetzt sieht es nicht schlimmer aus, aber er ist näher am Tempo der Schnellsten dran. Ohne FRIC verliert man Stabilität beim Bremsen und muss das Auto steifer abstimmen, wodurch es schwieriger zu fahren ist."

"Mercedes war beispielsweise oft in der Lage, das Auto sehr weich abzustimmen und hinterließ in Monaco und Kanada auf den Randsteinen einen hervorragenden Eindruck. Das lag an der höheren Bodenfreiheit, die durch FRIC ausgeglichen wurde", so Anderson. "Nun muss man dem Auto eine steifere Aufhängung verpassen. Die Teams werden genau wissen, wie sie ihre Aufhängungen überarbeiten müssen. Die Herausforderung besteht vor allem für die Fahrer darin, sich an ein Leben ohne FRIC zu gewöhnen."


Fotos: Großer Preis von Deutschland


Die Pace bei den Longruns

Durch die hohe Streckentemperatur war der Abbau der Reifen am Freitag ein großes Problem. Durch die Festlegung auf die superweichen und weichen Reifen werden die Optionsreifen, auf denen die Mehrheit der Top 10 das Rennen starten werden, nicht besonders lange halten, sollten die Temperaturen so hoch bleiben wie im Moment. Die folgenden Rückstände basieren auf der Auswertung von sieben Runden, wobei auffällig langsame Rundenzeiten nicht berücksichtigt wurden.

Top 5 auf superweichen Reifen:
1. Mercedes (Rosberg) - 1:22.778 Minuten
2. Red Bull (Ricciardo) +0,156
3. Ferrari (Räikkönen) +0,460
4. McLaren (Magnussen) +1,058
5. Williams (Bottas) +1,228

Besonders beeindruckend war Ricciardos Versuch, der zwölf Runden auf den supereichen Reifen fuhr und dabei auf eine durchschnittliche Rundenzeit von 1:23.285 Minuten kam. Das deutet darauf hin, dass der Red Bull mit den Reifen besonders schonend umgeht, vor allem wenn Ricciardo am Steuer sitzt.

Gary Anderson: "Wenn man sich die Red Bull in Kurve 1 ansieht, hat man bei Vettel fast den Eindruck, als müsse er zweimal einlenken. Das Heck bricht aus, er korrigiert und fährt dann weiter. Ricciardo, der eine fantastische Saison fährt, sieht wesentlich sanfter aus, wenn er in die Kurve einlenkt. Das wird der Reifen sehr gut tun, während Vettels aggressives Einlenken auf die Hinterreifen geht."

Daniel Ricciardo

Daniel Ricciardo ist wegen seines sanften Fahrstils für Anderson ein Geheimtipp Zoom

Der erste Stint wird über den weitere Verlauf des Rennens entscheiden. Wenn die Mercedes, die wahrscheinlich aus der ersten Reihe starten werden, nicht deutlich schneller sind als momentan, ist nicht garantiert, dass sie ihre Position auf der Rennstrecke nach den ersten Boxenstopps behalten. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass Mercedes noch etwas in der Hinterhand hat. Wie Ricciardo gestern sagte, hat Red Bull schon so ziemlich alles gezeigt. Daher könnten die Dinge am Sonntag völlig anders laufen.

Sauber sieht besser aus

Nachdem Sauber in diesem Jahr bisher noch keinen Punkt geholt hat, ist die Wahrscheinlichkeit dafür gestiegen, nachdem die anderen den Vorteil des FRIC verloren haben. Sauber war es nie gelungen, das System perfekt abstimmen. Nun sind sie in Hockenheim Punktekandidaten. Die Pace auf den Longruns war zwar nicht weltbewegend, aber das Auto ist näher an den Top 10 als normalerweise in dieser Saison.

Esteban Gutierrez, Adrian Sutil

Sauber konnte den Rückstand an diesem Wochenende deutlich verringern Zoom

Legt man die zuvor erwähnte Berechnung über sieben Runden zu Grunde, hatte Adrian Sutil auf den superweichen Reifen durchschnittlich 1,778 Sekunden Rückstand pro Runde. Das ist nichts Außergewöhnliches, aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Strategie

Da die superweichen Reifen nicht lange halten, erwartet Pirelli im Rennen zwei oder drei Stopps, wobei der erste Stint auf den superweichen Reifen sehr kurz sein wird. "Die Wahl der weichen und superweichen Reifen wird die Entscheidungsfindung an der Boxenmauer sehr schwierig machen", erwartet Anderson. "Die superweichen Reifen sind nur für eine Runde gut. Daher hat man im Qualifying keine Reserve, und im Rennen werden sie nicht ewig halten."

"Daher müssen die Fahrer nicht nur im Qualifying die Runde perfekt erwischen und keine Fehler machen, sondern es ermöglicht im Rennen vielleicht auch eine größere Bandbreite von Strategien, vor allem für diejenigen, die auf den superweichen Reifen starten müssen", so Anderson.

Folgen Sie uns!

Folge uns auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Motorsport-Total.com auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über den Motorsport und bleibe auf dem Laufenden!