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Rennvorschau Ungarn: Droht Hamilton ein zweites Kanada?

Hungaroring-Spezialist Lewis Hamilton geht als haushoher Favorit in das Ungarn-Wochenende, doch Nico Rosberg hat schon in Kanada die Statistiker Lügen gestraft

(Motorsport-Total.com) - In Hockenheim musste Mercedes-Star Lewis Hamilton im Titelduell gegen Nico Rosberg erneut Haare lassen - kann er nun auf seiner Glücksstrecke, dem Hungaroring, zurückschlagen? Das ist die Frage, um die sich am Sonntag beim letzten Rennen vor der Sommerpause alles drehen wird (14 Uhr im Formel-1-Live-Ticker). Der Grand-Prix-Kurs in Mogyorod, rund eine halbe Autostunde östlich der Hauptstadt Budapest, wurde stets als "Monaco ohne Leitplanken" bezeichnet. Das liegt daran, dass es sich beim ersten Kurs überhaupt, der speziell für die Formel 1 konstruiert wurde, um die langsamste permanente Rennstrecke im Kalender handelt.

Titel-Bild zur News: Nico Rosberg, Lewis Hamilton

Rosberg hat Hamilton schon in Kanada bewiesen, dass ihm die Papierform egal ist Zoom

In den 14 Kurven, die nur durch kurze Geraden verbunden sind, fühlt sich Hamilton, dem nach dem Grand Prix von Deutschland 14 WM-Punkte auf Leader Nico Rosberg fehlen, offensichtlich am wohlsten. Das beweist die Statistik: Der Brite hat auf dem Hungaroring im Qualifying noch nie ein Stallduell verloren, in seinen sieben Rennen stand er vier Mal als Sieger auf dem Podest.

Zum Vergleich: Teamkollege und Titelrivale Rosberg schaffte es in Ungarn in acht Rennen nie auf das Podest. Nach der Papierform ist der Hungaroring also ein klarer Fall für Hamilton, der dort im Vorjahr auch seinen ersten Silberpfeil-Sieg feierte. Was sein spezieller Trick auf dem winkeligen Kurs ist?

Hamilton als Hungaroring-Spezialist

"Ich habe dort keine geheimen Tricks", sagt er. "Ich hatte in diesem Rennen einfach immer viel Glück, und es ist eine Strecke, die mir sehr viel Spaß macht. Man kann dort wirklich angreifen, was einem angriffslustigen Fahrer wie mir natürlich entgegen kommt. Vielleicht kommt der Kurs also meinem Fahrstil besser entgegen."

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton feierte im Vorjahr in Ungarn seinen ersten Mercedes-Sieg Zoom

Hamilton zeigt im letzten Rennen vor der dreiwöchigen Sommerpause keine Spur von Resignation und ist voll motiviert: "Ich tue alles Mögliche, um im Titelkampf wieder auf Nicos Level zu gelangen: Ich kann mich nicht noch mehr fokussieren oder härter arbeiten als ich es jetzt schon tue. Diese Meisterschaft ist eine große Herausforderung für mich, aber so liebe ich es - und ich würde es nicht anders wollen."

Warum man Rosberg nicht unterschätzen sollte

Für Rosberg war Ungarn bislang kein guter Boden. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dies nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Auch vor dem Kanada-Grand-Prix im Frühjahr sprach alles für einen Hamilton-Sieg, auch dort hatte der Brite bis dahin nie ein Qualifying-Duell verloren und mehrere Siege eingefahren.

Doch Rosberg ließ sich dadurch nicht entmutigen, merkte bei jeder Gelegenheit an, dass er seinen Teamkollegen nicht im Vorteil sehe und besiegte ihn prompt im Qualifying. Im Rennen erwies er sich ebenfalls als stark, ehe ihm die Probleme mit dem Hybridsystem den Sieg raubten.

Dazu kommt, dass Hamilton in den vergangenen Tagen nach seinem Qualifying-Crash in Hockenheim über Rücken- und Nackenschmerzen klagte. "Mein Rücken tut mehr weh als normal. Aber ich werde daran arbeiten, und dann ist es wieder okay."

Überholmanöver als Herausforderung

Fakt ist jedenfalls, dass das Qualifying eine entscheidende Rolle spielen wird: Der Hungaroring, der immer wieder als "Mickey-Maus-Kurs" verschmäht wird, gilt mit seinem schmalen Asphaltband und seiner winkeligen Streckenführung als nicht gerade überholfreundliche Strecke. Daran konnte auch der Umbau vor einem Jahrzehnt - die Start-Ziel- und die Gegengerade wurden verlängert - nur bedingt etwas ändern.

Durch DRS - die Zonen befinden sich auf Start und Ziel und auf der kurzen Gerade nach der ersten Kurve - hat sich die Situation etwas gebessert, ein guter Startplatz ist aber auf dem Hungaroring mehr wert als auf anderen Strecken. Im Qualifying könnte also im Kampf um den Sieg schon eine Vorentscheidung fallen.


Fotostrecke: GP Ungarn, Highlights 2013

Auch das Wetterradar sollte man an diesem Wochenende nicht außer Acht lassen: In den vergangenen Tagen herrschten rund um den Hungaroring wechselhafte Bedingungen, nach einem brütend heißen Montag regnete es am Dienstag. In ähnlicher Tonart scheint es auch in der restlichen Woche weiterzugehen: Es werden Temperaturen an die 30 Grad erwartet, für Sonntag sind Gewitter angesagt.

Pirelli erwartet zwei Stopps

Pirelli hat auf die traditionell hohen Temperaturen beim Ungarn-Grand-Prix reagiert und bringt anders als in Deutschland (Supersoft/Soft) wie im Vorjahr die Mischungen Soft und Medium. Die langsamen Kurven wären zwar auch für die weichsten Pneus günstig, der raue Belag und die erwartete Hitze lässt die Italiener aber auf Nummer Sicher gehen.

"Wir rechnen mit der üblichen Zweistopp-Strategie, obwohl wir erst beim Freien Training am Freitag mehr wissen werden", kündigt Pirellis Motorsportchef Paul Hembery an. Zum Vergleich: Im Vorjahr siegte Hamilton mit drei Stopps, was aber auf die damals grundsätzlich weicheren Mischungen zurückzuführen war, Kimi Räikkönen wurde im Lotus mit nur zwei Stopps Zweiter.

"Die Strategie bietet eine der wenigen Möglichkeiten, seine Position auf der Strecke zu verbessern." Paul Hembery

Unterschiedliche Strategien könnten also in Ungarn das Salz in der Suppe sein, da Überholmanöver so schwierig sind. "Die Strategie bietet eine der wenigen Möglichkeiten, seine Position auf der Strecke zu verbessern", bestätigt Hembery. Force India könnte daher dank der hohen Temperaturen zum Geheimtipp werden, denn der Bolide des indischen Rennstalls geht besonders sorgsam mit den Pneus um - zudem hat man mit Sergio Perez einen anerkannten "Reifenflüsterer" in den eigenen Reihen.

Reißt die Williams-Serie ab?

Spannend wird sein, ob Williams die starke Form der vergangenen Rennen aufrecht erhalten kann. Was dagegen spricht: Der langsame Hungaroring kommt den Stärken des Boliden mit seinem starken Mercedes-Antrieb nicht unbedingt entgegen. Was dort zählt, ist Abtrieb - der FW36 besticht aber auf schnellen Strecken mit seinem niedrigen Luftwiderstand. Die Traktion, die in Ungarn sehr wichtig ist, war bislang auch nicht gerade eine Williams-Stärke.

Valtteri Bottas, Lewis Hamilton

Härtetest: Budapest beweist, ob der Williams ein komplettes Rennauto ist Zoom

Das britische Team hat aber einen Joker vorbereitet: Ein neuer Heckflügel soll dem Boliden endlich den heißersehnten Abtrieb verleihen. Davon wird abhängen, ob Williams wieder die Top-Teams ärgern kann.

Layout spricht für Red Bull

Man darf auch auf Red Bull gespannt sein. Das Weltmeister-Team will diesmal den neuen Total-Sprit, der in Hockenheim noch nicht den erwarteten Erfolg gebracht hat, besser nutzen, zudem könnte das Konzept des RB10, viel Abtrieb zu erzeugen, in Ungarn funktionieren. Auch der Nachteil durch den schwachen Renault-Antrieb sollte sich nicht wie auf den vergangenen Speed-Strecken niederschlagen.

"Wenn Red Bull die Power-Unit auf einer Strecke in den Griff bekommen, die ihrem Auto liegt, werden sie sehr schwer zu schlagen sein." Toto Wolff

"Wenn sie die Power-Unit auf einer Strecke in den Griff bekommen, die ihrem Auto liegt, werden sie sehr schwer zu schlagen sein", hat Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo auf der Rechnung.

Lauda rechnet mit Ferrari

Sein Mercedes-Partner Niki Lauda schreibt aber auch die Roten aus Maranello nicht ab: "In Budapest mache ich mir sogar Sorgen um die Ferraris, weil sie in den letzten Rennen wesentlich näher an uns heran gekommen sind, sogar vor Red Bull, die ein dynamisch perfekt abgestimmtes Auto haben und nur mit dem Motor Probleme haben. Ferrari kann uns im richtigen Moment auf dem falschen Fuß erwischen, die sind gefährlicher geworden als wir dachten."

Harte Zeiten werden hingegen auf Lotus zukommen: Der E22 funktionierte zuletzt bereits nur mäßig, der Hungaroring könnte aber die Schwächen des Boliden so richtig entlarven. Das Problem des Autos ist die Traktion, die in Ungarn besonders wichtig ist. Dazu kommt, dass die Abschaffung des vernetzten Fahrwerks FRIC Lotus bereits in Hockenheim härter traf als die Konkurrenz - auf dem Hungaroring dürfte sich der Verzicht auf die technische Innovation noch stärker niederschlagen.