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  • 24.07.2014 18:34

  • von Dieter Rencken, Markus Lüttgens & Dominik Sharaf

Massa-Magnussen-Unfall: Viele Meinungen, keine Schuldigen

Auch vier Tage nach dem Startunfall von Hockenheim wird über die Schuldfrage diskutiert - Felipe Massa kann die Untersuchung gegen ihn nicht nachvollziehen

(Motorsport-Total.com) - Die spektakulärsten Bilder lieferte der Große Preis der Formel 1 von Deutschland schon wenige Sekunden nach dem Start. In der ersten Kurve gerieten Felipe Massa und Kevin Magnussen aneinander. Massa berührte den innen fahrenden McLaren von Magnussen, woraufhin der Williams ausgehebelt und in einen Überschlag geschickt wurde. Glücklicherweise blieb Massa bei der Rolle, nach der das Auto wieder auf den Rädern landete, unverletzt.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Felipe Massas spektakulärer Unfall endete glimpflich Zoom

Daher rückte schnell die Schuldfrage in den Mittelpunkt des Interesses. Und hier entschied die Rennleitung, dass es sich um einen Rennunfall gehandelt habe, für den keiner der beteiligten Fahrer zu bestrafen sei. "Das Auto mit der Startnummer 19 (Massa) fuhr nicht absichtlich in das Auto mit der Startnummer 20 (Magnussen; Anm. d. Red.). Das rechte Hinterrad des Autos mit der Startnummer 19 traf das Vorderrad des Autos mit der Startnummer 20", heißt es dazu in der Mitteilung der Rennleitung.

Mit diesem Urteil ist Massa allerdings alles andere als zufrieden. Der Brasilianer wundert sich vor allem über die Tatsache, dass nur er bei den Rennkommissaren erscheinen musste und somit als potenziell Schuldiger angesehen wurde, während die Rennleitung mit Magnussen keinen Gesprächsbedarf hatte.

Massa wundert sich über die Rennkommissare

"Wie man sieht, gibt es noch einiges zu verbessern, selbst bei der FIA", meint Massa heute im Vorfeld des Ungarn-Grand-Prix auf dem Hungaroring. "Wenn die Stewards so denken, weiß ich nicht, wenn man für diesen Job noch nehmen soll", spricht der Williams-Pilot den Rennkommissaren rund um Le-Mans-Legende Tom Kristensen die nötige Kompetenz ab. "Ich verstehe nun, dass man nicht nur für sich selbst fahren, sondern auch darüber nachdenken muss, was andere tun werden", spöttelt Massa.

Deutlich entspannter blickt hingegen Magnussen auf den Startunfall zurück. "Es ist passiert, und glücklicherweise hat sich keiner verletzt, vor allem er nicht, denn es sah schlimm aus", sagt der Däne. "Es liegt nicht an mit zu beurteilen, wer Schuld daran hatte. Die Rennkommissare mussten das entscheiden. Er wurde zu ihnen gerufen, ich nicht. Aus ihrer Sicht habe ich nichts falsch gemacht", zeigt sich Magnussen zufrieden.


Fotostrecke: Felipe Massas Überschlag

Massa hingegen will die Sache nicht auf sich beruhen lassen und vertritt nach wie vor die Ansicht, dass wenn überhaupt Magnussen Schuld an dem Zusammenstoß hat. "Ich denke, er war etwas zu aggressiv. Er war nicht auf der richtigen Linie, um die Kurve so schnell zu nehmen, denn er war innen", erklärt der Williams-Pilot und stellt die Frage: "In wie viele Zwischenfälle in der ersten Runde war er schon verwickelt?"

Kollegen erkennen keine Schuld bei Magnussen

Doch hier reagiert Magnussen nordisch kühl: "Es tut mir leid, aber ich kann mich nur an einen erinnern. Und das war mit Lewis", blickt der Däne auf sein Tête-à-tête mit Hamilton in Malaysia. An die ersten Meter in Hockenheim erinnert sich der 21-Jährige so: "Ich hatte einen großartigen Start und war schon neben Valtteri Bottas, allerdings nicht weit genug, damit mir die Kurve gehört. Ich musste deshalb vom Gas gehen, und dann passierte es", sagt Magnussen. "Ich wüsste nicht, was ich anders machen sollte."

Kevin Magnussen

Kevin Magnussen ist sich keiner Schuld bewusst Zoom

Ähnlich sieht es auch Force-India-Pilot Sergio Perez. "In Hockenheim können solche Unfälle passieren. Ich denke, Kevin hat alles getan, um den Zusammenstoß mit Felipe zu verhindern, aber letztlich kam es zur Berührung", sagt der Mexikaner. "Für Felipe war es ein schwerer Unfall. Es ist aber schwierig, jemandem die Schuld dafür zu geben."

Diese sieht Massa weiterhin nicht auf seiner Seite. "Ich war sehr vorsichtig und ging vom Gas, weil Valtteri vor mir fuhr", sagt er. Zu diesem Schluss kam die Rennleitung ebenfalls. "Die Autos mit den Startnummern 77 (Bottas; Anm. d. Red.), 19 und 20 lenkten in die erste Kurve ein, und es schien, als konzentriere sich der Fahrer des Autos mit der Startnummer 19 auf die Startnummer 77", heißt es in der offiziellen Mitteilung. Massa erklärt weiter: "Ich lenkte ein und konnte unmöglich wissen, dass dort noch jemand war."


Fotos: Großer Preis von Ungarn, Pre-Events


Verschwand der McLaren im toten Winkel?

Auch Kamui Kobayashi vermutet, dass Magnussen im toten Winkel des Rückspiegels des Williams verschwunden war. "Wir wissen auch nicht, was er im Spiegel gesehen hat. Die Spiegel sind recht klein, und aus diesem Winkel ist das möglicherweise schwierig zu erkennen. Das ist wahrscheinlich das größte Problem", sagt der Caterham-Pilot, der die Schuld trotzdem eher bei Massa sieht. "Für mich sieht es so aus, als sei Felipe ein wenig zu eng gefahren. Er (Magnussen; Anm. d. Red.) konnte nicht damit rechnen, was Felipe als nächstes macht."

"Die Spiegel sind recht klein, und aus diesem Winkel ist das möglicherweise schwierig zu erkennen." Kamui Kobayashi

Der Tenor im Fahrerlager lautet allerdings genau so wie das Urteil der Rennleitung: Es war ein Rennunfall. "Wenn man Rennen gegeneinander fährt, können Fehler passieren. Wir tun alles, um eine Position zu erobern oder zu verteidigen", erklärt Pastor Maldonado, ein Fachkundiger auf diesem Gebiet. "Wenn es dann sehr eng ist, berührt man sich schon einmal." Und Kollege Esteban Gutierrez erinnert daran, dass kein Fahrer absichtlich einen Unfall verursache. "Letztlich bringt das keinem von uns etwas. Wenn wir miteinander kollidieren, sind im Zweifelsfall unsere beiden Rennen beendet", so der Sauber-Pilot.