Formel-1-Sound: Wie es lauter werden könnte

Ein zweites Auspuffendrohr, eine Art Lautsprecher-Membran oder doch ein Megafon? Wir erklären, wie die Formel 1 ab 2015 lauter werden könnte...

(Motorsport-Total.com) - Eines der großen Themen insbesondere am Beginn der Formel-1-Saison 2014 war der Sound der neuen Hybrid-Turboantriebe. Nach teilweise scharfer Kritik, sogar von Grand-Prix-Zampano Bernie Ecclestone, testete Mercedes in Barcelona einen sogenannten Megafon-Auspuff, der die Lautstärke wieder anheben sollte.

Titel-Bild zur News: Auspuff des Mercedes F1 W05 Hybrid

Aktuell werden die Abgase nur durch ein einziges Auspuffendrohr abgeleitet Zoom

Allerdings funktionierte das nicht so, wie es sich die Verantwortlichen erhofft hatten: "Ich kann nur über subjektive Eindrücke sprechen, und der Unterschied an der Rennstrecke war offensichtlich nicht enorm", erklärt Mercedes-Technikchef Paddy Lowe im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Das große "Problem": Weil der Turbolader der neuen Antriebe so effizient ist, bleibt hinter dem Turbolader, am entscheidenden Auspuffendrohr, nicht mehr viel Schallenergie übrig.

Interessanter Nebeneffekt: Die Megafon-Lösung hätte die Leistung um geschätzte 0,1 PS erhöht, "weil der Schallgegendruck durch das Megafon geringfügig reduziert wird. Je größer das Rohr, desto geringer der Gegendruck auf die Abgase vom Turbolader, und umso leichter geht das Abgas durch den Turbolader", erklärt Peter Schöggl, Chef des Geschäftsbereichs Motorsport beim österreichischen Antriebsstrang-Spezialisten AVL, gegenüber 'Motorsport-Total.com'.

AVL hat Lösungen parat

Aber auch wenn die Megafon-Lösung gescheitert ist, muss etwas unternommen werden: "Wenn die Rahmenrennen lauter sind als der Hauptakt, dann ist das eine untragbare Situation", kritisiert etwa Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko. Das zu ändern ist Auftrag einer FIA-Arbeitsgruppe. Geforscht wird in diesem Bereich aber auch von allen drei Antriebsherstellern sowie von AVL. In Graz hat man "Lösungen im Köcher", verrät Schöggl.

Eine Umsetzung einer dieser Ideen noch in diesem Jahr gilt aber als unwahrscheinlich. "Es gibt zwei Kategorien von Ideen", erklärt Schöggl. "Die eine Kategorie entspricht den derzeitigen Regeln. Da lässt sich allerdings geräuschmäßig nicht sehr viel machen, weil gemäß Reglement nur ein Turbolader erlaubt ist, und dieser eine Turbolader schluckt sozusagen die Schallenergien aller sechs Zylinder. Nach dem Turbolader ist nicht mehr viel Schallenergie vorhanden."

Peter Schöggl

Peter Schöggls Arbeitgeber AVL arbeitet mit mehreren Formel-1-Teams zusammen Zoom

Vereinfacht ausgedrückt: Hinter dem Turbolader sind kaum noch Schallwellen vorhanden, also müsste man theoretisch vor dem Turbolader ein Loch bohren, wo noch mehr Schallenergie vorhanden ist. Das würde aber Leistung kosten und in krassem Widerspruch zum von der FIA propagierten Effizienzgedanken der neuen Formel 1 stehen. Und zumindest für eine sofortige Änderung die Zustimmung aller Teams erfordern.

Alle Hersteller forschen an Lösungen

"Alles, was beim derzeitigen Reglement erlaubt wäre, bringt nicht viel für das Geräusch", sagt Schöggl. "Ich erwarte keine Lösung vor nächstem Jahr. Vielleicht wird es im September oder Oktober ein Reglement-Update geben, sodass man auch andere Lösungen erlaubt. Wir haben den Auftrag, Lösungen auszuarbeiten. Mercedes hat schon eine Lösung eingebracht, meines Wissens wird auch Renault eine Lösung testen und Ferrari dann wohl auch."

Das wahrscheinlichste Szenario: Statt die gesamten Auspuffgase (und somit potenzielle Schallenergie) über nur ein Endrohr aus dem Fahrzeug zu leiten, könnten mehrere Endrohre Abhilfe schaffen. Schöggl: "In den 1980er-Jahren hatte man zwei Turbolader. So hatte man die Schallenergie von je drei Zylindern auf zwei Auspuffendrohren, und das klingt dann schon etwas besser. Zwei Rohre klingen immer besser als ein Rohr."


Vergleich: Formel-1-Sound damals und heute

Saugmotoren waren anders abgestimmt

"Das gesamte System mit dem großen Endrohr ist nicht richtig abgestimmt. Früher bei den Saugmotoren waren die Auspufflängen auf die Schallgeschwindigkeit abgestimmt. Man hat das so gemacht, dass die Schallwelle am Ende reflektiert wurde. Sie ist dann zurückgegangen, wurde wieder reflektiert. Das hat dann viel besser geklungen", so der Simulationsexperte. Und er betont: "Es darf jedenfalls nicht künstlich, muss eine natürliche Lösung sein."

Theoretisch wäre denkbar, statt einer effizienzmindernden Öffnung vor dem Turbolader die Schallwellen aus dem Auspuffrohr nach außen zu leiten, ohne die Rohre anzubohren. "Es muss nicht zwingend eine Öffnung sein", meint Schöggl. "Man muss nur schauen, dass man die Schallwellen, die im Auspuffrohr primär noch als Druckwellen vorhanden sind, irgendwie ins Freie bekommt, damit sie ausstrahlen. Das kann durch eine Öffnung sein, aber auch durch Verbindungen, die weiterstrahlen."

"Man muss nur schauen, dass man die Schallwellen irgendwie ins Freie bekommt." Peter Schöggl

Zum Beispiel durch eine Art Membran, die zwar Schallwellen nach außen überträgt, aber die Energie der Abgase innerhalb der Auspuffrohre hält. Schöggl hält diese Lösung von allen auf dem Tisch liegenden Varianten aber für die technisch unwahrscheinlichste: "Die Luft strömt dort mit 300 Grad vorbei, da kann man nicht einfach eine Lautsprecher-Membran reinsetzen. Das müsste schon eine spezielle Entwicklung für die Formel 1 sein."

Änderung gar nicht mehr notwendig?

Oder vielleicht warten die Verantwortlichen auch einfach ab, bis dem lauteren Sound keine Träne mehr nachgeweint wird. "Mein Eindruck ist, dass der Sound kein großes Thema mehr ist", sagt etwa Mercedes-Technikchef Lowe, und selbst Nico Rosberg stimmt teilweise zu: "Natürlich wäre es gut, mehr Lärm zu haben. Gleichzeitig gibt es aber auch Leute, die sagen, dass es so nicht schlecht ist, weil sie sich auf den Tribünen unterhalten können, mit ihren Familien diskutieren können."

Klar ist: "Es geht dabei eher um die Fans als um die Teams", so McLaren-Rennleiter Eric Boullier. "Die Teams können mit dem Sound leben. Es gab den Versuch, es zu ändern, aber der Megafon-Auspuff hat nichts gebracht. Entweder müsste man am Motor direkt etwas ändern, was aber eine Anpassung im Reglement bedingen würde, oder man macht es künstlich über gewisse Elemente im Auspufftrakt. Es liegt an den Herstellern, darüber zu entscheiden, nicht an den Teams."


Fotostrecke: So funktioniert ERS

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