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Mercedes: Duell der Torschützen bis zum letzten Spieltag?

Trotz des Ausfalls von Lewis Hamilton ist man bei Mercedes davon überzeugt, dass der WM-Kampf bis zum letzten Rennen dauert - Stallorder nicht mehr ausgeschlossen

(Motorsport-Total.com) - Der vergangene Sonntag in Kanada hat gezeigt, dass Mercedes doch nicht unverwundbar ist. Den Nimbus der Unbesiegbarkeit haben die Silberpfeile mit ihren Doppelproblemen an beiden Fahrzeugen verloren, da Red Bulls Daniel Ricciardo so den ersten Nicht-Mercedes-Sieg in dieser Saison einfahren konnte. Ein Defekt am neuen Kühlsystem des Hybrid-Antriebes sorgte dafür, dass Nico Rosberg und Lewis Hamilton fast zeitgleich in Probleme schlitterten und zumindest Lewis Hamilton aufgeben musste.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Die Frage aller Fragen: Wer darf am Ende bei den Silberpfeilen jubeln? Zoom

Für die bis dato so zuverlässigen Silberpfeile war dieser Grand Prix trotz der weiterhin großen Führung in der Weltmeisterschaft und dem noch geretteten zweiten Platz ein Schlag in die Magengrube. "Das war ein Weckruf. Wir müssen jedes Detail am Auto überprüfen", fordert Aufsichtsratschef Niki Lauda bei 'Bild'. Doch der Österreicher ist davon überzeugt, dass sein Team bald wieder alles im Griff haben wird: "Technik-Direktor Paddy Lowe verfolgt alle Telemetrie-Daten zurück bis zum ersten Saison-Rennen in Melbourne und überprüft mit seiner Crew alle eventuellen Schwachstellen."

So auch die in Kanada, die allerdings in Zukunft nicht wieder auftauchen sollen: "Wir haben neue Prozesse der Qualitäts-Sicherung eingeleitet und wollen die Autos noch zuverlässiger machen", verspricht auch Motorsportchef Toto Wolff. Dann werden auch Lewis Hamilton und Nico Rosberg wieder hart gegeneinander kämpfen können, wie sie es schon in den vergangenen sieben Rennen gezeigt haben.

Wolff kontert Coulthard

Dass jenes harte Duell, das in Kanada seine Fortsetzung fand, dafür gesorgt hat, dass die F1 W05 von den Problemen getroffen wurden - so wie Ex-Pilot David Coulthard meint - das glaubt Wolff allerdings nicht: "Der Schaden wäre auch aufgetreten, wenn sie Speed rausgenommen hätten", winkt er auf die Aussage des Schotten ab, dass Mercedes beide Autos ins Ziel hätte retten können, wären Hamilton und Rosberg nicht am Limit knallhart gegeneinander gefahren.

"Wir haben beiden Fahrern deshalb gesagt, wie sie die Bremse managen sollen", sagt er bei 'Sport Bild' weiter. "Wir haben die Bremsbalance geändert und ihnen aufgetragen vorsichtiger zu bremsen. Beide haben das getan und sich exakt an unsere Vorgaben gehalten. Lewis kam dann in die Box. Wenn das Auto steht, steigen die Temperaturen. Als er wieder rausgefahren ist, ist das Pedal erst länger geworden, dann komplett durchgefallen. Dass es an Nicos Auto nicht auch passiert ist, war pures Glück."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Kanada, Sonntag


Für den Briten bedeutet das, dass er trotz 4:2 Siegen gegenüber Rosberg 22 Punkte auf seinen deutschen Teamkollegen aufzuholen hat - eine Situation, die Hamilton kennt und mit der er umgehen kann. Schon in Australien musste der 29-Jährige vorzeitig aufgeben und handelte sich bereits im ersten Saisonrennen 25 Punkte Rückstand ein, die er aber noch vor dem Monaco-Grand-Prix in eine Führung umwandeln konnte.

Duell noch lange nicht entschieden

Dementsprechend wenig Sorgen macht sich der Weltmeister von 2008 um seine Titelchance: "Wir haben noch viele Rennen vor uns. Ich hatte auch nach meinem Defekt in Australien schon viel Arbeit vor mir und den Rückstand auf Nico trotzdem wieder aufgeholt", betont er bei 'Sport Bild'. "Ich verspreche, unser Duell um den Titel wird weitergehen!" Auch Toto Wolff glaubt, dass sich Hamilton von dem Rückschlag erholen wird und seine WM-Chancen noch bestens intakt seien.

"Wie viele Rennen haben wir gefahren? Sieben. Also haben wir quasi noch 13 Rennen vor uns, weil es am Ende doppelte Punkte gibt", wird er von 'Autosport' zitiert. Der Österreicher glaubt, dass eine Entscheidung zwischen seinen Piloten erst im letzten Rennen in Abu Dhabi fallen wird - eben weil das Rennen im arabischen Emirat mit 50 Punkten so stark bewertet wird. Doch natürlich, und das betont der Österreicher auch, dürfe man nicht davon ausgehen, dass die Konkurrenz Mercedes so einfach von Sieg zu Sieg fahren lässt.

Toto Wolff

Toto Wolff glaubt, dass das Duell seiner Fahrer bis zum Schluss eng sein wird Zoom

"Wir müssen vorsichtig mit der Aussage sein, dass wir es jetzt einfach nach Hause fahren", hebt Wolff mahnend den Finger. "Man kann sehen, dass Red Bull in Kanada viele Punkte geholt hat und man die Lücke ziemlich schnell verlieren kann." 61 Punkte Vorsprung besitzt Rosberg vor dem ersten Nicht-Mercedes, Daniel Ricciardo. Theoretisch könnte der Australier mit nur zwei Rennsiegen (inklusive der doppelten Punkte beim Saisonfinale) am Wiesbadener vorbeiziehen.

Wolff stellt offenen Kampf in Frage

Und wie schnell ein Nuller passieren kann, hat Mercedes am Wochenende feststellen müssen. Dabei besteht diese Gefahr nicht nur durch technisch bedingte Probleme, auch die Fahrer könnten zu einem Faktor werden. Schon in Bahrain war die Gefahr für eine teaminterne Kollision groß, und auch in Monaco schwebte das Damoklesschwert nach den Streitigkeiten im Qualifying allgegenwärtig über dem Fürstentum.

Zwar besaßen die Mercedes-Jungs bislang in dieser Saison freie Fahrt, doch das könnte sich ändern, wenn die Konkurrenz näher rückt: "Wenn sich die beiden und auch ihre Autos weiter so hochpushen, müssen wir in Frage stellen, ob wir sie weiter so frei fahren lassen können", deutet Wolff gegenüber 'Bild' schon eine mögliche Teamorder an. Denn auch zuletzt in Kanada war das Duell wieder hart am Limit - und Lewis Hamilton will nicht ausschließen, dass es zur Kollision kommen kann.

"Wir sind beide intelligente Fahrer. Eine Garantie gibt es aber nicht", so Hamilton zu 'Sport Bild'. "Wenn es so eng zugeht wie zwischen Nico und mir, kann es natürlich auch mal zu einer Berührung kommen." Wenn es so kommen sollte, dann würde dies aber definitiv nicht mit Absicht geschehen, betont der Brite weiter: "Eine zufällige Berührung ist etwas anderes als eine mutwillige Kollision. Die darf und wird es nicht geben!"


Fotostrecke: Pressestimmen zum GP Kanada

Denn auch der Silberpfeil-Pilot weiß genau, dass das Teamziel oberste Prämisse hat: der Konstrukteurs-Titel. "Das Team ist also die Nummer eins. Erst danach kommen Nico und ich und unsere persönliche Schlacht." Vergleichen kann man es in etwa mit einem Meisterschaftsspiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund, während die Spieler auf dem Platz noch eigene Ziele verfolgen: "Nico und ich sind wie zwei Stürmer, die unbedingt Torschützenkönig werden wollen", vergleicht es Hamilton. Und die Torjägerkanone wird auch nicht am siebten Spieltag der Bundesliga vergeben.