• 26.06.2014 20:40

  • von Christian Ebner

Gastkolumne: "Guad is gangen, nix is gschehn"

Die Spielberg-Bilanz von Streckenposten Christian Ebner: Welches Ecclestone-Verbot er ignoriert hat und wie sehr die Formel-1-Handschuhe stinken

Titel-Bild zur News: Christian Ebner

Streckenposten Christian Ebner hatte am Montag einen Auftritt bei 'ServusTV' Zoom

Liebe Leser,

die Vorbereitungen waren abgeschlossen und nun wurde es ernst, das Rennwochenende stand vor der Tür. Der Zeitplan sieht vor, dass wir um 6:00 Uhr morgens an der Strecke stehen müssen, alle drei Tage. Das heißt: um 4:00 Uhr aufstehen! Am Donnerstag will zusätzlich auch noch Bernd Mayländer sein Safety-Car um die Strecke treiben. Er bekommt einen eigenen Track-Day, soll er doch im Fall der Fälle schnellstmöglich vor den Boliden herdüsen können.

Das hieß für uns: Donnerstagnachmittag Dienst auf der Strecke schieben. Schließlich sind wir für die Sicherheit aller zuständig, nicht nur für die Fahrer, auch für die Medienleute und eben auch Bernd Mayländer. Auch bei ihm kann etwas unerwartet brechen und er fliegt ab, dann stehen wir parat. Wir, das sind an diesem Wochenende 265 Marshalls die täglich zwölf Stunden und länger auf und neben der Strecke stehen.

Nachdem Bernd die Strecke auf der letzten Rille umrundet, er sich also eingeschossen hat, gab es noch eine Safety-Car-Übung. Charlie Whiting, der berühmte FIA-Renndirektor der Formel 1, wollte das so. Für die Jungs und Mädels an der Strecke aber Kindergeburtstag. Nichts, was nicht zu 100 Prozent sitzen würde. So kam es auch, dass nach nur drei Stunden Feierabend war und die Strecke für den Trackwalk geöffnet wurde.

Sonnyboy Ricciardo: Autogramme für die Streckenposten

Und wir staunten nicht schlecht, als von Kurve 1 hoch ein junger Mann mit breitem Grinsen spazierte. Umringt von Pressefotografen und Ingenieuren. Es war Daniel Ricciardo, der sich als einer der Ersten auf die Strecke begab. Zu Fuß, ohne Roller oder dergleichen. Und es dauerte, bis er zu uns hinaufkam - er betrachtete die Strecke aus jedem Blickwinkel. Ich denke, mittlerweile ist er mit jedem Kieselstein und Grashalm per du.

Als er uns in Kurve 2 erreichte, bat ich um ein Autogramm. Es kommt zwar sehr oft vor, dass wir Rennfahrer am Posten haben, aber die sind dann meistens ziemlich sauer, weil sie ausgeschieden sind. Daniel kam sofort auf uns zu und schrieb Autogramme, machte Fotos mit allen und nahm sich die Zeit für ein wenig Smalltalk. Er entsorgte seine Bananenschale brav im Mistkübel (Nein, die wird es nicht bei einer Auktionsplattform geben!) und führte seine Streckenbesichtigung weiter fort.

Daniel Ricciardo mit Streckenposten am Red-Bull-Ring

Daniel Ricciardo zu Besuch bei den Streckenposten in der Remus-Kurve Zoom

Just ein paar Augenblicke später joggte Nico Rosberg den Hügel hoch. Dass wir Österreicher gute Entertainer sind, ist bekannt, deswegen haben wir ihn gleich mal angefeuert. Er lächelte rüber und schnaufte: "Mann, hier geht es aber ordentlich hoch, habe ich gar nicht mehr so in Erinnerung!"

Jeden Morgen um 6:00 Uhr an der Strecke

Unser Shuttlebus kam und wir fuhren ins Hauptquartier, das Feierabendbier wartete. Am Freitagmorgen wollte die gesamte Mannschaft den frühen Vogel, der bekanntlich den Wurm fängt, ermorden. Unsere Arbeitszeiten sind so schon recht ausgedehnt, aber um 6:00 Uhr morgens stand noch keiner an der Strecke. Vor allem, da es ja erst um 10:00 Uhr losgehen sollte...

Als wir unsere Posten bezogen, staunten wir nicht schlecht, als wir sahen, dass wir nicht alleine und die ersten Fans auch schon da waren! An einem Freitagmorgen war das bisher noch nie der Fall. In Kurve 2 haben wir eine super Truppe, es gibt Kaffee und Kuchen. Geburtstagskuchen wohlgemerkt!


Fotostrecke: GP Österreich, Highlights 2014

Manuela, die Vize-Kurvenchefin, wurde 26 Jahre alt. Zeit zum Feiern, logischerweise ohne einem Tropfen Alkohol! Schließlich geht der Zeitplan noch weitere elf Stunden. Es ist zwar für uns Marshalls Fotografierverbot am Formel-1-Wochenende, aber so eine Geburtstagsüberraschungs-Torte muss auf Bild festgehalten werden. Sorry, Bernie!

Formel-1-Handschuhe mit speziellem Geruch

Gottlob gab es Kaffee und Kuchen noch vor der Materialausgabe, erhielten wir doch die speziellen Formel-1-Handschuhe. Nagelneu, Vollgummi, eingepudert - und sie stinken wie die Hölle! Aber die sechseinhalb Stunden, die die Formel-1-Renner auf der Strecke verbringen an so einem Wochenende, hält man das aus. Und sie dienen ja schließlich unserer eigenen Sicherheit.

Nico Rosberg

Nico Rosberg jokkt mit seinem Physio Daniel Schlösser die Strecke ab Zoom

Die allmorgendliche Standeskontrolle von Charlie Whiting war rum und es ging auch schon mit dem ersten Freien Training der Formel 1 los. Es waren schon sehr viele Fans vor Ort, mehr als an einem Samstag bei der DTM. Wir ahnten ja noch nicht, was uns am Samstag und Sonntag erwarten würde.

Soundcheck. Ja, ich war enttäuscht. Die Speerspitze des Automobilsports war nicht lauter als mein Elektro-Rasenmäher. Ist das echt alles? Die World Rally Cars haben auch einen 1,6-Liter-Turbo. Sogar zwei Töpfe weniger als die Sechszylinder-Motoren der Formel 1. Aber die WRC sind noch richtig laute Rennboliden. Da muss nachgebessert werden, aber bitte flott!

Ring-Gegnern gehen die Argumente aus

Selbst die Ring-Gegner, allen voran Karl Arbesser, ließen verlautbaren: "Halb so laut wie früher und etwas leiser als die DTM. Das war unspektakulär, und alle waren sich einig: Das stört uns nicht." Nachsatz: "Da waren die Hubschrauber der VIP-Gäste wesentlich störender und lauter". Quo vadis, Formel 1, wenn selbst die größten Gegner des Formel-1-Rennens im Murtal das ganze Schauspiel als angenehm empfinden?

Aber es gab ja auch noch Rahmenrennen - und die waren so, wie es sein sollte. Sie waren laut, wild, sie rochen nach Bremsen, Kupplung und Benzin. Die Motorsportwelt war wieder in Ordnung für uns und die Fans.

"Sie waren laut, wild, sie rochen nach Bremsen, Kupplung und Benzin. Die Motorsportwelt war wieder in Ordnung." Christian Ebner

Nach getaner Arbeit durften wir einen exklusiven Pitwalk machen, nur wir Marshalls. Und anders als sonst üblich waren alle Rolltore oben, man konnte wirklich alles ansehen, durfte fotografieren und mit den Crews sprechen. Auch machte ich es mir am Kommandostand von Red Bull Racing gemütlich. So nahe kommt man als Formel-1-Fan nicht ran, keine Chance - ein paar Vorteile hat es also doch, wenn man seine Freizeit für den Motorsport opfert. Die Mechaniker und Ingenieure werken sehr viel an den Fahrzeugen, die teilweise komplett zerlegt sind. Das wird eine Heidenarbeit, die wieder zusammenzubauen.

Keine größeren Unfälle bei der Formel 1

Arbeitstechnisch war an dem Wochenende für uns Marshalls nicht allzu viel zu tun. Mal ein Flügel hier, ein paar kleine Karbonteile dort, bussines as usual. Vor allem bei den Rahmenrennen, wo es um Empfehlungen für ein Cockpit in der Königsklasse geht.

Lustig empfand ich persönlich den Porsche-Supercup. Klar, nicht das Ausscheiden des Lokalmatadors (noch dazu von der Pole gestartet) Philipp Eng, dessen Motorschaden sich bei mir angekündigt hatte. Vielmehr aber die filigranen Abschlepphaken an der Frontstoßstange der Zuffenhausener. Leichtes anklopfen, sich kenntlich machen, so soll der Rennsport sein.


Nico Rosberg nach dem Großen Preis von Österreich

Nico Rosberg ist mit seinem ist mit seinem Wochenende beim Großen Preis von Österreich absolut zufrieden. Weitere Formel-1-Videos

Dass da aber alleine in Turn 2 nach drei gefahrenen Runden schon fünf davon abbrachen und von uns aufgesammelt wurden - nun, ich weiß nicht, ob das im Sinne des Erfinders ist. Wenn kein Haken dran ist, wird die Bergung schwierig und zeitaufwendig. Zeit die hinter dem Safety-Car verbracht werden müsste. Und das wollen wir ja bekanntlich nicht.

Überraschungen in Österreich an der Tagesordnung

Das Qualifying am Samstag war eine Überraschung. Lewis Hamiltons Hinterachse überbremste und er schoss mit dem Heck voran in meine Auslaufzone. Die Menge jubelte! Nichts passiert, außer dass er Nico Rosberg, respektive dessen Quali-Zeit, mit ins Verderben gezogen hatte. Massa Pole, Bottas auf P2, welch eine faustdicke Überraschung!

Streckenposten am Red-Bull-Ring feiern Geburtstag

Die Streckenposten feiern den Geburtstag der Kurvenchefin mit Kaffee und Kuchen Zoom

Aber, wenn wir uns die WM-Läufe in Österreich ansehen, nur logisch. Bei der WTCC gab es alle drei Jahre Überraschungen, mit denen keiner gerechnet hat, warum soll es bei der Formel 1 anders sein? Normal ist Österreich nicht, und das ist gut so.

Normal sind hier weder die Kulisse, die mich immer wieder aufs Neue beeindruckt, noch die Fans. Als am Samstagabend die Legendenparade, die Formel-1-Rentner in deren original Rennfahrzeugen, 30 Minuten trainieren durfte, jubelte die Menge und feuerte sie an.

Vettel im Marko-BRM nicht weltmeisterlich

Sebastian Vettel selbst war auch am Start. Unplanmäßig. Er hievte Dr. Helmut Marko aus dessen Boliden und setzte sich für ein paar Runden selbst rein. Zurechtgekommen ist er nicht mit dem Vehikel, würgte er doch jedes Mal vor mir den Motor ab. Aber seine Gesten vermittelten, dass er sichtlich Spaß hatte, ebenso wie die vielen Fans ringsum. Als Gerhard Berger sich auf die Reifenstapel stellte - fragt mich nicht, wie er das in seinem Alter alleine geschafft hat - und den Fans zuwinkte, war der Jubel perfekt.

Aber am Rennsonntag war dann so richtig die Hölle los. Menschenmassen, wohin das Auge reicht, und die Stimmung schon um 8:00 Uhr morgens phänomenal. Gänsehaut pur. Das rot-weiß-rote Fahnenmeer, dazu unsere Nationalhymne - naja, wenn ich sie gehört hätte, da der Kamerahubschrauber genau zu dieser Zeit über meinem Kopf schwebte. Nun, als Marshall gibt es eben doch auch Abstriche, die man machen muss.

"Als Marshall gibt es eben doch auch Abstriche, die man machen muss." Christian Ebner

Gut nur, dass der DVD-Rekorder das ganze Wochenende über heiß gelaufen ist und ich mir die vollen 18 Stunden Übertragung des österreichischen TV-Senders nochmal ansehen werde. Auch als Vorbereitung. Für den Grand Prix in Österreich 2015, beim Wiedersehen mit den geruchsintensiven Formel-1-Handschuhen.

Christian Ebner