• 06.06.2014 11:00

  • von Dominik Sharaf

Formel-1-Wetterfrösche: "Grüne Hölle" himmlisch normal

Gutes Wetter kommt aus Österreich: Die Meteorologen von Ubimet stellen sich mit Hightech und Bauchgefühl der Herausforderung Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Millionen von Motorsport-Fans sind mit den Legenden aufgewachsen: dem teuflischen Eifelwetter, das am Nürburgring die Verhältnisse von einer Sekunde auf die andere auf den Kopf stellt, oder den launischen äußeren Bedingungen in den Ardennen rund um Spa-Francorchamps. Ein Thüringer kann darüber nur schmunzeln: "Ein Eindruck des Laien", sagt Steffen Dietz mit der Überzeugung eines Wissenschaftlers. Als Chefmeteorologe von Ubimet ist er der neue Wettergott der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Ubimet-Meteorologe Steffen Dietz

Netter Arbeitsplatz: Ubimet-Meteorologe Steffen Dietz in Monaco am Werk Zoom

Das österreichische Unternehmen erstellt seit Saisonbeginn bei sämtlichen Rennen die Prognosen für den Automobil-Weltverband FIA, die alle Teams via Live-Ticker erhalten. Wetterfrösche an den Kommandoständen wie früher gibt es nicht mehr. Berechnet werden von Ubimet Temperatur, Niederschlag, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Wind und Fahrbahntemperatur. Vom letzten Parameter - einer Motorsport-Besonderheit - abgesehen, unterscheidet sich die Arbeit an der Rennstrecke nicht eklatant vom Meteorologen-Alltag, hat aber spezielle Herausforderungen parat.

Dietz erklärt: "Es handelt sich um eine Vorhersage für einen sehr kleinen Raum und einen genauen Zeitpunkt, wie wir es sonst etwa anlässlich eines Musikfestivals machen." Für Zeitungen oder für das Fernsehen kümmern sich die Experten hingegen eher um Regionen und größere Zeiträume. Hinzu kommt, dass ein Formel-1-Meteorologe auf der ganzen Welt arbeitet. Es gilt, im Wüstenklima Bahrains mit der gleichen Präzision zu prognostizieren wie im tropischen Malaysia oder beim Heimspiel in Österreich. "Erfahrung ist das A und O in diesem Bereich", betont Dietz.

Eine Tonne Handgepäck

Doch wie ein Feingefühl für das Wetter bekommen, wenn man montags vor dem Rennen an einen Ort kommt, den man zuvor noch nie in seinem Leben gesehen hat, aber vier Tage später kennen muss wie seine Westentasche? Schließlich sollen zum Freien Training verlässliche, minutengenaue Vorhersagen für die kommende halbe Stunde auf den Monitoren erscheinen - von allgemeinen Trends für das Wochenende ganz zu schweigen. "Sobald ich aus dem Flugzeug aussteige, geht der Blick gen Himmel und der Vergleich mit Modellen beginnt", so Dietz. "Bauchgefühl ist wichtig."

Ubimet-Radaranlage

Ubimet-Radaranlage: Sie dreht sich zwölfmal pro Minute Zoom

Ohne Technik geht es auch nicht, schließlich ist ein Meteorologe nur so gut wie sein Equipment. Davon hat Ubimet reichlich im Gepäck - oder besser gesagt die FIA. Die transportiert circa eine Tonne Wetterutensilien an die Rennstrecken, darunter auch die eigenen Computerserver der Wiener. Steffen Dietz hat in drei Monaten schnell erfahren, dass mit einem Masterplan in der Tasche Hopfen und Malz verloren ist. "Improvisieren", benennt er die wichtigste Lektion, die er im Grand-Prix-Zirkus gelernt hat. "Ob ein gelbes Kabel nun die falsche Farbe hat oder nicht."

Absoluter Verlass muss dagegen auf die mobile Radaranlage sein, die Ubimet mit an jede Strecke bringt. Aufgestellt wird sie an einem zuvor sorgfältig ausgewählten Ort, der für eine perfekte Funkverbindung direkten Sichtkontakt zum Fahrerlager besitzt, aber maximal 15 Kilometer weit entfernt ist. In Monaco fiel die Wahl auf den Berg Tete de Chien - kurioserweise im Ausland, schließlich gehört der Gipfel zu Frankreich. "Den richtigen Standort zu finden, ist immer eine Herausforderung, schon wegen Kleinigkeiten wie der Stromversorgung", erklärt Dietz.

Selbst bei Meteorologen fällt Grillen ins Wasser

Zur Not müssen Benzingeneratoren angeworfen werden. Kompliziert machen die Angelegenheit außerdem Faktoren wie die Hochhäuser Singapurs oder die Höhenlage Spielbergs. Teilweise nutzt Ubimet nationale Radarstationen als Rückversicherung, verlässt sich aber vorzugsweise auf eigene Werte. Schließlich ist die mobile Anlage für Motorsport besonders geeignet. Sie zeichnet zwar "nur" Niederschlag im Umkreis von 50 Kilometern auf, dafür mit extrem hoher Auflösung: Jede Minute wird ein Bild geschossen, ein Pixel bildet 100 Meter ab - stationäre Anlagen leisten das meist nicht.

Das Gerät dreht beim Scannen jede Minute zwölf Runden und lässt sich bis zu neun Meter weit ausfahren. Dass auf dem Radarschirm Wolken zu sehen wären, ist übrigens ein weit verbreiteter Irrglaube. Die gibt es nur auf dem Satellitenbild. Erkennbar wird vielmehr tatsächlich gefallener Niederschlag mit Bewegung, Richtung und Intensität. Diese Werte sind für die Vorhersage extrem wichtig und dienen vier bis acht Ubimet-Mitarbeitern, die am Rennwochenende vor Ort sind, als Grundlage für den Live-Ticker.

Meteorologe Stefan Weinberger

Computer sind auch für Meteorologen ein unverzichtbares Gut geworden Zoom

Genau wie bei den Teams gibt für die Meteorologen personelle Unterstützung aus der Heimat, nämlich vom Hauptsitz in Wien: So vergrößert sich das Team auf bis zu 20 Experten. Sie haben die Möglichkeit, weitere Wettermodelle für eine noch genauere Berechnung zu Rate zu ziehen. Vor Überraschungen ist aber selbst so viel Kompetenz nicht gefeit. Dietz erinnert sich an ein Barbecue in Bahrain. "Es hat in der Wüste tatsächlich geregnet", erzählt der an der FU Berlin studierte Wetterfachmann lachend. "Allgemein ist die Prognose in diesem Teil der Welt aber einfacher."

"Wetter ist niemals unberechenbar"

Knifflig werden Vorhersagen durch raschen Wetterwandel, was allen voran mit der Klimazone und der Windgeschwindigkeit zusammenhängt. Beispiel Malaysia: In Kuala Lumpur bleibt dem Ubimet-Team weniger Zeit, die richtige Prognose zu treffen. "Trotzdem ist das Wetter niemals unberechenbar", weiß Dietz, dessen Ziel an jedem Wochenende die perfekte Information ist. Gewöhnlich liegt die Erfolgsquote bei 90 Prozent, im Paddock sind die Ansprüche jedoch andere: "Für die Formel 1 reicht das nicht, sie ist eben auch die Königsklasse der Meteorologie."

Meteorologen Stefan Weinberger und Steffen Dietz

Die Meteorologen Weinberger und Dietz reisen mit der Formel 1 Zoom

So liefert Ubimet Daten für einzelne Sektoren der Rennbahnen und kann auf einer Grafik einfärben, in welchem der drei Abschnitte wann und wie viel Regen fallen wird. Um die Streckentemperatur zu berechnen, ist es nötig, sich mit der Asphaltsorte und ihrem Verhalten zu beschäftigen. Sogar die Sonneneinstrahlung ist ein Thema, wenn es darum geht, ob Piloten geblendet werden könnten. Übrigens: Selbst jemand, der wie Steffen Dietz seit über einem Jahrzehnt als Meteorologe tätig ist, hat noch Wetterwünsche. Allerdings sehen die anders aus als beim Durchschnittsbürger. "Regen", sagt er. "Bei eitel Sonnenschein können wir nicht beweisen, zu was wir in der Lage sind."