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Kostensenkung: Wie der Lotus-Boss die Formel 1 retten würde

Lotus-Boss Gerard Lopez erklärt, warum er in der Strategiegruppe gegen eine Budgetobergrenze stimmte, und hat einen völlig neuen Vorschlag zur Kostensenkung

(Motorsport-Total.com) - Lotus hat in gewissen Kreisen des Formel-1-Fahrerlagers den Ruf eines Verräters. Der Rennstall, der wegen der hohen Kosten in der Königsklasse des Motorsports unter enormen finanziellen Problemen leidet, sitzt mit den "reichen" Teams im Entscheidungsgremium, der sogenannten Strategiegruppe, hat aber trotzdem gegen eine Budgetobergrenze gestimmt. Gleichzeitig beschwert sich Teamboss Gerard Lopez lautstark über die ungerechte Einnahmenverteilung in der Formel 1, obwohl er vor 18 Monaten genau dieser mit seiner Unterschrift unter den Lotus-Einzelvertrag zugestimmt hat.

Titel-Bild zur News: Gerard Lopez

Lotus-Chef Gerard Lopez hat eine Idee, wie man die Kosten in den Griff kriegen kann Zoom

Doch nun geht der Luxemburger im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' in die Gegenoffensive. Er wehrt sich gegen die Anschuldigungen und erklärt sein Handeln. Zudem präsentiert er ein neues Modell, wie seiner Meinung nach in der Formel 1 die Kosten gesenkt werden könnten, ohne die Identität des Sports in Gefahr zu bringen.

Warum sich Lotus nicht gegen das Concorde-Agreement gewehrt hat

"Es ist nicht so, dass allen die gleichen Möglichkeiten präsentiert wurden und man damit einverstanden war oder nicht", argumentiert er, warum er der aktuellen Einnahmenverteilung in der Formel 1 - Red Bull, Ferrari, Mercedes, McLaren und Williams besitzen Sonderkonditionen, während der Rest nehmen muss, was übrig bleibt - zugestimmt hat. Eine Transparenzklausel gäbe es im Lotus-Vertrag nicht: "Dann würde ja jeder wissen, was der andere unterschrieben hat. Und ich weiß nicht, was die anderen Teams unterschrieben haben - ich weiß nicht einmal, ob es sich um die gleichen Verträge handelt."

Dass Ferrari einen deutlich größeren Anteil an den Einnahmen hat, kann Lopez noch verstehen: "Sie sind ein Sonderfall." Doch auch Red Bull - ein Team, das erst seit 2005 in der Formel 1 an den Start geht - besitzt deutlich bessere Konditionen. McLaren lag im Vorjahr in der Konstrukteurs-WM sogar mit Abstand hinter Lotus, erhielt aber mehr Geld aus dem Einnahmentopf. "Genau das ist der Punkt", sagt Lopez. "Die Verteilung ist nicht gerecht. Der Sport muss einen Weg finden, damit es finanzielle Gerechtigkeit gibt."

"Der Sport muss einen Weg finden, damit es finanzielle Gerechtigkeit gibt." Gerard Lopez

Negative Dynamik in der Formel 1 unterschätzt

Laut dem Genii-Manager gibt es noch einen weiteren Grund, warum man vor 18 Monaten dem Deal zugestimmt hat: Man hat die negative Entwicklung des Sports schlicht unterschätzt. "Vor zwei Jahren wurde uns nicht nur gesagt, dass die neuen Motoren länger halten würden, sondern auch, dass sie günstiger sein würden als die damaligen V8-Motoren", erinnert er sich. "Und heute sind die Motoren fast doppelt so teuer wie damals."

Renault-Turbomotor

Kostenfalle Motor: Die Teams rechneten damit, dass die Turbos günstiger seind Zoom

Zudem dachten Lopez & Co. damals, dass sich die Lage am Sponsorenmarkt entspannen würde. "Dabei gelingt das noch immer noch so wie in den 1990er-Jahren oder nach 2000", fällt Lopez auf. Teams wie Sauber, Force India, Caterham oder Marussia drängen daher vehement auf eine Budgetobergrenze, damit sich die Schlinge um den Hals endlich etwas lockert und der Überlebenskampf nicht aussichtslos wird.

Warum Lopez gegen eine Budgetobergrenze stimmte

Der Teamboss, dessen Rennstall wegen des starken vierten Platzes in der Konstrukteurs-WM 2013 in der Strategiegruppe sitzt, erklärt nun, warum er trotz der Lotus-Schieflage gegen eine Deckelung stimmte: "Wir waren ja schon oft an diesem Punkt - es ist ein Problem, sich auf eine Zahl festzulegen und es zu überwachen. Außerdem: Was passiert, wenn man dagegen verstößt? Kriegt man eine Ohrfeige? All das macht es sehr kompliziert."

"Was passiert, wenn man dagegen verstößt? Kriegt man eine Ohrfeige?" Gerard Lopez

Stattdessen will er den Hebel woanders ansetzen: Er wünscht sich mehr Zusammenhalt innerhalb der Formel 1 und kritisiert Bernie Ecclestones Plan, den Sport langfristig in A- und in B-Teams zu gliedern. Der Sport könne es sich seiner Meinung nach gegenwärtig nicht leisten, Teams zu verlieren, was man aber durch die ungleiche Einnahmenverteilung riskiere.

Lopez wünscht sich gerechte Einnahmenverteilung

"Das wäre, wie wenn man in der Champions League spielt und riskiert, Real Madrid, Barcelona und Bayern München zu verlieren", zieht Lopez einen Vergleich zum Fußball. "Das ist einfach unvorstellbar." Sein Vorschlag: ein Franchise-System. "Dann hat jedes Team einen gewissen Wert, weil es sportintern unterstützt wird", argumentiert er. "Das würde dafür sorgen, dass das Team stabil ist, was wiederum dem Sport zu Gute kommt. Das wäre also nicht nur für die Teams von Vorteil."

Schlüsselpunkt seines Modells ist eine gerechtere Einnahmenverteilung. "Damit meine ich nicht, dass jeder exakt das Gleiche bekommen muss", relativiert er. "Wichtig wäre aber, dass jedes Team genug Geld hat, um durchzuhalten und zum Spektakel beitragen zu können."

"Bei einem Franchise-System hätte jedes Team einen gewissen Wert, weil es sportintern unterstützt wird." Gerard Lopez

Der zweite Punkt wäre eine neue Art der Kostenkontrolle, damit die Kosten nicht wie derzeit aus dem Ruder laufen. Das Hauptproblem sei dabei, dass es die Identität des Sports ist, die Einnahmen wieder in die Entwicklung zu investieren, denn nur so könne man in der Formel 1 erfolgreich sein. "Aus diesem Grund ist es noch keine Lösung, wenn man sagt, dass man einfach mehr Geld will", sagt Lopez.

Lopez würde Weiterentwicklung während der Saison einschränken

Wie er die Teams zum Sparen zwingen will? "Eine Lösung wäre, bei der Entwicklung der Autos anzusetzen", bringt er einen interessanten Ansatz ins Spiel. "Ein Steuerberater würde das Prozesskosten-Rechnung nennen", beginnt er seine Ausführungen.

Mercedes-Frontflügel

Entwicklungsfalle: Die Teams bringen bei fast jedem Rennen neue Flügel Zoom

"Es findet ein bisschen Entwicklung bei der Radaufhängung, ein bisschen beim Getriebe statt, aber das geschieht üblicherweise zu Saisonbeginn", erklärt er. "Aber dann schaut man sich die Kosten des Frontflügels, des Heckflügels, die gesamte Entwicklung während der Saison an, und dann sieht man, dass das 70 Prozent der Kosten ausmacht", ortet Lopez den Kerns des Problems. "Diese Variable müsste man neu justieren - sonst nichts. Es ist nicht so kompliziert."

Lopez-Vorschlag als Gegenkonzept zur Einheits-Formel

Er schlägt daher vor, die Entwicklungsmöglichkeiten während der Saison radikal einzuschränken: "Man sollte nur eine begrenzte Anzahl an Updatepaketen pro Jahr erlauben. Das sollte wie alle anderen technischen Regularien behandelt werden - es muss also auf der Homologation basieren, es muss Strafen geben, es muss ein System geben, wo beurteilt wird, ob alles richtig oder falsch läuft. Das wäre der richtige Weg, um diesen Sport zu leiten."

Lopez hat sich auch schon über die Umsetzung Gedanken gemacht: "Wir könnten Updates beim ersten, beim sechsten und beim zwölften Rennen erlauben. Würde das einen Unterschied machen? Und vielleicht in Monaco und Monza, weil es sich um außergewöhnliche Strecken handelt."

"Man sieht, dass die Weiterentwicklung 70 Prozent der Kosten ausmacht." Gerard Lopez

Durch sein Modell würde man im Gegensatz zu einem Konzept mit Einheitsteilen auch die technische Vielfalt der Boliden gewährleisten. "Wenn man sich diese Saison anschaut, dann gibt es nicht viele Autos, die einander gleichen", sagt er. Und würde er es schade finden, wenn dieser Aspekt verloren ginge.

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